Buchmarkt 2025

"The end of print?"

28. Juli 2011
von Börsenblatt
Wie sieht der Buchmarkt 2025 aus? 55 Thesen dazu wurden auf den Buchtagen Berlin diskutiert. Hier geht die Debatte weiter: Der Buchhandelskunde will nicht Daten, sondern Feeling. Von Karin Schmidt-Friderichs.

Mitte der 90er: Kalifornischer Surferboy veröffentlicht Grafikdesign-Bestseller. Titel: »the end of print«. Mehrere Ausgaben des Titels prägen eine Gestaltergeneration. Die Umsätze der Buchbranche steigen dennoch weiter. Um David Carson dagegen wird es ruhig.
Jetzt steht David Carson wieder auf Konferenzbühnen – und kündigt ein Magazin an. Gedruckt. Alle zwei Monate soll es erscheinen und der Where-to-buy-Button auf carsonmag.net führt zu einer (!) Seite mit Kiosken und zwölf (!) Seiten mit Buchhandlungen. Während ich David maile, erreicht mich die Bitte, zu einer der 55 Thesen Stellung zu nehmen.

»Alle gedruckten Medien verlieren an Bedeutung. Der Rückgang bei Buch, Zeitschrift und Zeitung liegt – bezogen auf Vertriebserlöse – jeweils bei über 25 Prozent.« These 1 zur Frage »Wohin steuert die Branche?« Danke für die Denk­anstöße Matthias Ulmer, Heinrich Riethmüller und Matthias Heinrich – und für die Mühe!
Aber denken die Menschen da draußen überhaupt in Kategorien wie die Branche? Wollen Menschen Bücher oder wollen sie Geschichten? Wollen sie Bücher oder Geschenke? Informationen oder Gefühle? Wollen sie für Stunden ungestört eintauchen in eine andere Welt oder wollen sie binnen Sekunden etwas herausfinden? Und was wollen meine Kunden von mir als einzelnem Unternehmen?
Christoph Keese, der Mann der das User-Verhalten en detail kennt, fragt mich nach seinem Berliner Vortrag, warum man nicht im Amazon-Zentrallager einkaufen könnte, oder auf der Buchmesse, einfach da, wo die unendliche Vielfalt an Büchern ist. Überrascht frage ich zurück »Du? Bücher?«. Und er gibt an, Hunderte von Büchern im Jahr zu kaufen. Online. Bücher!

Das Buch ist so wenig tot wie die Zeitschrift. Aber viele Bücher werden heute schon nur noch gekauft, weil die attraktivere Wissens- oder Informationsvermittlung fehlt. Oder heute schon nicht mehr, weil – übrigens sehr viele branchenfremde – andere Anbieter den Stoff spielerischer vermitteln. Das schöne Buch, die fein gestaltete Zeitschrift werden ihre Plätze in den Herzen und Händen, in Geschenkpapieren und auf den Tischen behalten. Nur: Haben wir nicht vor relativ Kurzem McKinsey & Co. grade zum Rationalisieren in die Herstellungsabteilungen der Verlage geschickt? Haben wir nicht vor lauter Euphorie für medienneutrale Datenhaltung vergessen, dass der Kunde nicht Daten will, sondern Feeling?
Im vergangenen Oktober ging der erste Preis der Stiftung Buchkunst, der Preis für das Schönste deutsche Buch, an den »Atlas der abgelegenen Inseln«. Ein Buch mit 50 Inseln, auf denen die Autorin nie war – und nie sein wird. Das wunderbare mare-Kleinod verkaufte sich in bislang zehn deutschen Auflagen 40 000-mal. Neun Lizenzen tragen die Inseln in die Welt. Inseln, die keiner kennt. Die keiner je kennenlernen wird. Außer in diesem Buch. Wofür er 34 Euro auszugeben bereit ist.

Das schöne Buch, das Menschen berührt und das Menschen berühren wollen, hat eine Zukunft: Es ist an uns, solche Bücher zu machen und zu vermarkten. Dafür brauchen wir Know-how: Über Herstellung und Gestaltung, vor allem aber über Menschen und darüber, was sie glücklich macht. Das sollten wir neben ePub und iPad weder in der Aus- und Fortbildung noch im Berufsalltag vergessen.

Karin Schmidt-Friderichs leitet gemeinsam mit ihrem Mann Bertram den Verlag Hermann Schmidt in Mainz.

In der nächsten Ausgabe kommentiert die Beraterin Katja Splichal These 10 zur Entwicklung elektronischer Angebote. Alle Thesen und bisherigen Beiträge finden Sie auf boersenblatt.net.