Buchtage 2018 / Bericht des Vorstehers

"Das Verkaufen-Wollen wird immer mehr zum Erfolgsfaktor"

13. Juni 2018
von Börsenblatt
Meinungsfreiheit, Leseförderung, Verbandsfinanzen, Buchkäufer-Studie, Preisbindung und Urheberrecht: Der Bericht des Vorstehers Heinrich Riethmüller vor der 194. Hauptversammlung des Börsenvereins. Das Buch sei kein Leitmedium mehr, "es steht aber für Verlässlichkeit, Entschleunigung und als Möglichkeit, die Fantasie anzuregen. Darin liegt unsere Chance. Nutzen wir sie!", lautete sein Appell.

Heinrich Riethmüller betonte, dass ein bewegtes Jahr hinter der Branche liege. Das Erstarken der Rechten, deren professionelle Nutzung der Medienkanäle habe die Buchbranche stark tangiert. "Wir mussten uns fragen, wie wir mit Verlagen umgehen, die wir unzumutbar finden, welchen Raum wir Ihnen etwa auch auf der Frankfurter Buchmesse geben." Riethmüller hob in diesem Kontext die Arbeit der IG Meinungsfreiheit hervor, wo genau solche Debatten detailliert geführt würden. Sein Fazit: „Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut, das gilt auch für jene, deren Meinung wir nicht teilen.“

Der Vorsteher ging auch auf die Leseförderung ein. Es sei dringend an der Zeit, noch mehr dafür zu tun, dass sich die "skandalösen Zustände" in Kindergärten und Grundschulen verbessern würden. Viele Kinder könnten nach Abschluss der Grundschule nur mühsam lesen und kaum verstehen, was sie lesen. Trete hier keine Änderung ein, werde nur noch eine immer kleiner werdende Schicht richtig lesen können. Mit seinen Leseförderungsprogrammen sei der Börsenverein zwar schon gut aufgestellt, er müsse aber noch mehr Aktivität von der Politik einfordern.

In Sachen Bildung leiste keine andere Einzelhandelsbranche mehr als der leistungsfähige Buchmarkt, "der geschützt ist durch Preisbindung und Urheberrecht", so Riethmüller. Er plädierte dafür, in Richtung Politik nicht nur kulturpolitisch, sondern auch betriebs- und volkswirtschaftlich zu argumentieren. Immerhin gebe es in Deutschland eine flächendeckende Versorgung mit einem breiten und günstigen Buchangebot. "Unser aller Aufgabe ist es, den Kritikern der Preisbindung deutlich klarzumachen, wie wichtig die Preisbindung ist, welche Vorteile die ganze Gesellschaft daraus zieht und wie wir das filigrane System des Buchhandels zum Wohle der Gesellschaft erhalten können." Die Preisbindungsstudie des Börsenvereins, die derzeit erstellt werde, solle dies untermauern.

Ein Dank des Vorstehers ging an Matthias Heinrich, den Schatzmeister des Verbands, sowie den Finanzdirektor des Börsenvereins, Rudie van Schie: Sie stünden für Solidität und Transparenz der Finanzen – eine wichtige Voraussetzung für einen handlungsfähigen Verband. Ein Dank ging auch an Juergen Boos und Ronald Schild, die Geschäftsführer der Wirtschaftsbetriebe Frankfurter Buchmesse und MVB, die nicht unerhebliche Beiträge für den Börsenverein erwirtschaften würden. Mit der Weiterentwicklung ihrer Firmen sowie einer Internationalisierung mit Augenmaß leisteten sie einen wichtigen Beitrag für die Zukunftsfähigkeit des Verbandes. Trotz allem käme der Börsenverein nicht um eine Erhöhung der Beiträge herum.

Riethmüller ging auch auf die Studie "Buchkäufer - Quo vadis?" ein und hob hervor, dass die wachsende Unlust am Lesen nicht nur die Branche treffe, "sondern den Kern unserer Gesellschaft". Die Menschen hätten keine Zeit und sehnten sich umso mehr nach Entschleunigung. "Gelingt es uns, den Stellenwert des Lesens zurückzugewinnen?", fragte er.

Als wichtigsten Kommunikator mit dem Leser betrachtet Riethmüller nach wie vor das Sortiment, das starken Veränderungen unterliege. Sein Vorschlag: Mehr Geld und Effizienz in dieses System fließen lassen. "Das geht", ist sich Riethmüller sicher. Warum der größte Online-Anbieter immer noch die besten Konditionen erhalte, warum die Bücher über Polen nach Deutschland zurückkämen? "Das ist ein verwerfliches, unökologisches System", sagte Riethmüller. "Wollen die Verlage ein solches System weiter unterstützen?"

Die Mitarbeiter noch mehr fürs Verkaufen zu begeistern, auch das liegt Riethmüller am Herzen. "Das Verkaufen-Wollen wird immer mehr zum Erfolgsfaktor", ist sich der Vorsteher sicher. "Wir müssen und sollen unseren Kunden gute Geschichten erzählen. Und dazu haben wir das richtige Produkt." Die Branche sollte selbstbewusst und innovativ darüber diskutieren, "wie wir das Buch in der Gesellschaft verankern können". Das Buch sei kein Leitmedium mehr, "es steht aber für Verlässlichkeit, Entschleunigung und als Möglichkeit, die Fantasie anzuregen. Darin liegt unsere Chance. Nutzen wir sie!"