Buchtage Berlin: 191. Hauptversammlung des Börsenvereins

Die Mitglieder wollen die Verbandsreform

21. Juni 2015
von Börsenblatt
"Die Zeit ist reif für eine Veränderung": Was Vorsteher Heinrich Riethmüller am Vormittag in seiner Rede auf der Hauptversammlung in Berlin festgestellt hatte, sehen die Mitglieder des Börsenvereins offenbar ähnlich. Mit breiter Mehrheit (108 Ja-, 19 Nein-Stimmen, 3 Enthaltungen) stimmten die Teilnehmer am Freitagnachmittag für die erste Stufe der Strukturrefom, die den Verband schrittweise erneuern soll. Davor wurde allerdings noch intensiv und kontrovers über die Veränderungen diskutiert.

Der Börsenverein will sich neu erfinden – deshalb aber nicht gleich mit allen Strukturen brechen: Auf diesen Nenner lässt sich das modifizierte Modell für eine Verbands­reform bringen, das nach dem Mitgliederbeschluss auf den Weg gebracht werden kann. Details zur Neuordnung am Ende des Artikels, ein Video zur Reform finden Sie hier.

Vor dem Beschluss debattierten die Mitglieder ausführlich über das Für und Wider der Reform. Kritik gab es unter anderem an der Auflösung des Branchenparlaments, aber auch an der Regelung, dass die neuen Interessengruppen vom Vorstand eingesetzt und wieder abberufen werden können. Der Vorschlag, über die einzelnen Punkte der Reform einzeln abzustimmen, fand jedoch keine Mehrheit.

Angenommen wurde ein Initiativantrag des Verlegers Wulf D. v. Lucius, der damit einen Kompromiss einbrachte: Wird eine Interessengruppe gegen ihren Willen vom Vorstand aufgelöst, soll sie sich damit an die Hauptversammlung wenden können. Ein entsprechender Passus muss noch in die Satzung eingearbeitet werden.

Zustimmung fand auch ein Initiativantrag von Zwischenbuchhändler Jochen Mende (Prolit): Er plädierte dafür, die Geschäftsordnung der Fachausschüsse so zu überarbeiten, dass die künftige, intensive Zusammenarbeit der Sparten gewährleistet wird. Auch das ist ein Arbeitsauftrag an den Vorstand.

Mit Blick auf viele leere Stühle im Berliner Congress Center beschäftigte sich die Hauptversammlung aber auch kritisch mit der Frage, wie die Möglichkeiten der Mitbestimmung ausgebaut werden können. Dazu stellte die Leipziger Buchhändlerin Birgit Grallert einen Antrag, der in modifizierter Form angenommen wurde und neue Abstimmungs- und Beteiligungsformen im Internet schaffen soll. Mehr dazu hier.

Stimmen aus der Reformdebatte

Ruth Klinkenberg (Bücherstube Marga Schoeller, Berlin): „Ich teile zwar die Ziele der Reform, sehe aber den Weg dorthin ein bisschen anders. Ich bin gegen die Auflösung des Branchenparlaments, das ja schon weniger Kompetenzen hatte als früher die Abgeordnetenversammlung. Zweimal jährlich setzen sich Sparten und Landesverbände in diesem Parlament zusammen, um große verbandspolitische Linien zu formulieren. Genau das stelle ich mir in kleinteiligen Interessengruppen schwierig vor. Ich bin für die Erweiterung von Beteiligung – aber nicht auf Kosten unserer durch Wahlen legitimierten Gremien.“

Heinrich Riethmüller (Vorsteher des Börsenvereins): "Was wir hier vorschlagen, ist der Königsweg zwischen den beiden Extremen, alles ganz anders zu machen oder alles so zu lassen wie es ist."

Birgit Grallert (Buchhandlung Grallert, Leipzig): "Was ist aus den Vorschlägen der Zukunftskonferenz geworden? Da ist wenig eingearbeitet in die Reform. Welchen Einfluss werden die Interessengruppen haben – inwieweit werden sie auf den Vorstand und die Fachausschüsse einwirken?"

Alexander Skipis (Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins): "Die Interessengruppen werden enormen Einfluss haben – und auch ein Vortragsrecht im Vorstand. Da ist viel mehr Demokratie möglich als bislang."

Dieter Dausien (Buchladen am Freiheitsplatz, Hanau): "Ich halte es für einen grundlegenden Webfehler der Reform, wenn der Vorstand selbst die Interessengruppen einsetzt oder abberuft. Der Vorstand kann nicht über seine eigenen Einflussgeber bestimmen. Deshalb kann ich dem Satzungsvorschlag so nicht zustimmen."

Manfred Keiper (die andere buchhandlung, Rostock): "Vieles ist noch offen und unklar. Dazu gehört die Geschäftsordnung für die Interessengruppen. Das ist ein bisschen die Katze im Sack, die wir hier beschließen – wenn der Vorstand die Geschäftsordnung erst noch festlegen muss. Der Abschaffung des Branchenparlaments kann ich dagegen nur zustimmen. Und das liegt an uns selbst, denn die Widersprüche zwischen den Sparten hätten wir viel effektiver auf den Tisch bringen können."

Kyra Dreher (Geschäftsführerin des Sortimenter-Ausschusses): "Die Fachausschüsse werden sich in der Tat stärker zusammensetzen müssen. Das Hauptamt muss den Informationsfluss in alle Richtungen nachhalten. Vieles ist noch offen – auch weil wir nicht wissen, wie viele Interessengruppen sich überhaupt bilden werden."

Wulf D. v. Lucius (Verlag Lucius & Lucius): "Der Vorstand will ja mit der Reform gerade eine Stärkung der Mitwirkungsmöglichkeit erreichen. Dass der Vorstand gegen den Willen der Mitglieder Interessengruppen auflösen könnte – das finde ich deshalb einen abwegigen Gedanken."

Jochen Mende (Prolit): "Ich habe ein Problem damit, das Branchenparlament aufzulösen. Wer diskutiert über die Verkehrsordnung, über die Finanzen? Wo findet die Einbindung der Landesverbände statt? Ich plädiere dafür, das Branchenparlament beizubehalten. Die Entscheidung über die Interessengruppen könnte man dort ansiedeln. Ich wünsche mir, dass die demokratischen Elemente erhalten bleiben. Auch die Zusammenarbeit der Fachausschüsse ist mir im Satzungsentwurf noch zu unkonkret."

Buchhändler Jörg Robbert: "Es ist eigentlich ein Paradox, dass die Mitglieder stärker einbezogen werden sollen – und gleichzeitig noch nie so wenige Buchhändler auf der Hauptversammlung waren wie diesmal. Wir hören immer, es habe eine umfangreiche Diskussion über die Verbandsreform gegeben. Aber: Die Mitglieder sind nicht einbezogen worden. Das Reformmodell entwickelt sich zur Vorstandsdemokratie. Ich möchte nicht, dass auf der Hauptversammlung irgendwann weniger Mitglieder sind als Mitarbeiter in der Braubachstraße."

Stephan Dietrich (Junfermann Verlag): "Ich habe da ein ganz anderes Gefühl – der Verband hat viel getan, um die Mitglieder auf dem Reformweg mitzunehmen. Lassen Sie uns jetzt doch erst mal losgehen. Ich teile allerdings die Bedenken, dass die Geschäftsordnung für die Interessengruppen noch nicht ganz klar ist."

Warum braucht der Börsenverein eine Verbandsreform?

Das machte Hauptgeschäftsführer Alexander Skipis als Einstieg in die Reformdebatte noch einmal deutlich: "Unser oberstes Ziel ist es nicht, Geld zu sparen. Wir wollen besser werden – darum geht es". Der Börsenverein wolle weiterhin die gesamte Branche abbilden, er wolle seine politische Relevanz erhalten, den Mitgliedern Heimat bieten, die Interessenartikulation verfeinern und nicht zuletzt: ganz praktische Unterstützung fürs Tagesgeschäft liefern. Doch dafür brauche er zeitgemäße Strukturen. Mitglieder sollen ihre Kompetenz punktgenau einbringen können, ohne dabei in Ausschuss-Sitzungen lange Tagesordnungen abzuarbeiten. Und: Buchhändler und Verleger sollen sich besser als bislang mit Gleichgesinnten vernetzen können.

Die Eckpunkte der jetzt beschlossenen Reformstufe:

  • Die sogenannten Interessengruppen sollen künftig das Herzstück des Verbands sein. Die bisherigen Arbeitsgruppen und Arbeitskreise werden dabei in Interessengruppen umgewandelt – und für alle Sparten geöffnet. Darüber hinaus sollen die Mitglieder, ebenfalls spartenübergreifend, weitere Interessengruppen bilden können – zum Beispiel, um neuen Marktakteuren eine Heimat zu bieten oder um sich thematisch austauschen zu können, etwa übers Schulbuchgeschäft. Daneben gibt es wendige Taskforces, die sich befristet um spezielle Themen kümmern und mit Experten aus Mitgliedsfirmen besetzt werden (etwa zu Mehrwertsteuerfragen).
  • Die drei Fachausschüsse für Verleger, Buchhändler und Zwischenbuchhändler bleiben zunächst erhalten, damit die Interessengruppen und Taskforces erst einmal im bewährten Verbandsgefüge ihre Arbeit aufnehmen können. Die Fachausschüsse werden jedoch zur spartenübergreifenden Zusammenarbeit verpflichtet. Neu in die Satzung aufgenommen wurde deshalb unter anderem der Satz: "Die Fachausschüsse müssen Themen, die auch die Interessen einer oder mehrerer anderer Sparten betreffen, gemeinsam diskutieren, klären und Empfehlungen an die Hauptversammlung und/oder den Vorstand aussprechen".
  • In der Folge soll das Branchenparlament, in dem sich Sparten und Arbeitskreise bislang untereinander austauschen, aufgelöst werden.
  • Am Ende des Reformprozesses könnte der Abschied von der Spartenstruktur mit den drei Fachausschüssen stehen. Darüber hatten die Mitglieder in Berlin aber noch nicht zu entscheiden. Zunächst will der Verband Erfahrungen mit dem ersten Reformschritt sammeln.

Die Mitglieder haben in Berlin mit den Eckpfeilern dieser ersten Reformstufe auch über die erforderlichen Änderungen von Satzungsvorschriften und Regelungen in der Geschäftsordnung entschieden. Details zu den beschlossenen Änderungen sind online abrufbar unter www.boersenverein.de/hauptversammlung

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Ausführliche Informationen zur Reform gibt es unter www.boersenverein.de/mi/strukturreform und unter boersenblatt.net/958786.