CeBIT 2015

Im Startup-County

22. März 2015
von Börsenblatt
Die weltweit größte Computermesse stand in diesem Jahr unter dem sprachlich etwas bemühten Motto »d!conomy« und adressierte damit die Durchdringung unserer Lebenswelt mit Geräten, die miteinander ohne menschlichen Eingriff kommunizieren und dabei sogar lernfähig sind. Spannender als das Megathema ist mitunter ein Streifzug durch die Startup-Gemeinde.

Wer die CeBIT besucht, muss sich entscheiden. An einem Tag jedenfalls lassen sich die sechzehn Hallen auf dem riesigen Messegelände nicht bewältigen. Wir haben uns nicht für die schlagzeilenträchtigen Großstände von Samsung, Telekom & Co. entschieden, sondern schlenderten neugierig durch die Hallen, in denen unter den Slogans Scale 11 und Code_n die Startup-Szene versammelt war. Etliche universitäre und institutionelle Anbieter lagen dabei auf dem Weg, von dessen Rändern allerlei Neuigkeiten eingesammelt werden konnten.

Der Unterarm als Tastatur

Ein junges Startup aus Oldenburg hat mit Lowotec eine einfache Lösung gefunden, den heimischen Schreibtisch mit dem Arbeitsplatz im Büro ohne aufwändige Softwareinstallation zu verbinden. Lowotec ist ein Gerätepaar, das die Entwickler "Alice" und "Bob" getauft haben. "Alice" bleibt im Büro und wird per Kabel mit dem Unternehmensnetzwerk verbunden. "Bob" wird zu Hause zwischen Rechner und Router eingesteckt. Und schon kann man von zu Hause aus so arbeiten, als säße man an seinem Rechner im Büro. Das muntere Paar hat allerdings seinen Preis. Es wird 330 Euro kosten und soll im Herbst dieses Jahres auf den Markt kommen.

Einen Blick in die fernere Zukunft konnte man am Stand der Universität des Saarlandes werfen. Junge Informatiker haben dort ein Verfahren entwickelt, mit dem man berührungsempfindliche Displays auf verschiedenste Materialien ausdrucken kann. Außerdem sind sie der Frage nachgegangen, wie man den menschlichen Körper als berührungsempfindliche Oberfläche für die Steuerung mobiler Geräte einsetzen kann. Dazu haben sie elastische, mit Sensoren versehene Sticker aus Silikon zur Haftung am Körper entwickelt, mit denen mobile Geräte ferngesteuert werden können. Durch kurzes Tippen nimmt man Telefonate an, steuert die Lautstärke von Musik oder nutzt eine Tastatur auf dem Unterarm. Erste Ergebnisse dieser Grundlagenforschungen werden auch auf Youtube gezeigt. Wohl erst in ein paar Jahren wird man sehen, ob aus diesen Anfängen einsatzfähige Tools entwickelt werden konnten.

Der sprechende Kühlschrank

Wer die von aufdringlichen Werbebotschaften überfrachteten öffentlichen Räume in Terry Gilliams Film The Zero Theorem gesehen hat, der wird sich nicht mehr über den mit einem großem Display für tönende Bewegtbilder ausgestatteten Kühlschrank wundern, den Plenti Media anbietet. Das schrille Teil erregte großes Interesse, wird aber in der Buchbranche wohl nur geringe Einsatzmöglichkeiten finden. Näheres dazu auf Youtube.

Der Star der CeBIT: die Installation Robochop

Im Code_n-Space drehte sich alles um das Internet der Dinge. Vor allem Robochop avancierte schnell zum Publikumsmagneten. Internet-User hatten im Vorfeld der CeBIT via App die Möglichkeit, auf ihrem Smartphone Skulpturen, Hocker oder andere Kleinmöbel zu entwerfen, die schließlich von vier Robotern mit Heißdrahtschneidern aus Hartschaum-Würfeln produziert wurden – live auf der CeBIT (Foto oben, Video auf Youtube.

Der Wettbewerb Code_n präsentierte 50 Startups aus aller Herren Länder, die sich als Finalisten aus einem Feld von über 400 jungen Unternehmen qualifiziert hatten. Mit 20 Teilnehmern stellte Deutschland die auf der CeBit am stärksten repräsentierte Nation.

Im Rennen um den Code_n Award 2015 machte sich das Startup KIWI.KI Hoffnungen. Die Berliner haben eine Lösung zum digitalen Öffnen von Haus- und Wohnungstüren entwickelt. Man trägt einen kleinen Transponder, Ki genannt, in der Hosen- oder Handtasche mit sich. Einmal installiert, erkennt die Tür Ki und entriegelt das Schloss. Ki öffnet auch mehrere Türen. Eine ideale Lösung, wie man am Stand gern mit einem riesigen Schlüsselbund demonstrierte, nicht nur für Privatgebäude und Bürohäuser, sondern auch für Postboten, Zeitungsausträger usw. 

Das Startup parkpocket aus München zeigt Autofahrern an, welche Parkhäuser in der Nähe zu welchem Preis freie Kapazitäten haben. Die App verfügt außerdem über ein Crowd-Reporting Werkzeug und über eine direkte Navigation.

Der mit 30.000 Euro dotierte Code_n Award 2015 wurde dem Berliner Startup relayr verliehen. Überzeugt hat das junge Unternehmen mit seinem Geschäftsmodell, das App-Entwicklern den Weg in das Internet der Dinge ebnet. Das Vorzeigeprodukt »WunderBar« sieht aus wie eine Tafel Schokolade, beinhaltet aber modernste Sensortechnik. Die Sensoren messen Temperatur, Feuchtigkeit oder Bewegung und können wie Schokoladenstücke abgebrochen und an physische Gegenstände angebracht werden. Softwareentwickler sind so in der Lage, ohne Kenntnisse von Elektrotechnik Anwendungen für Smartphones zu entwickeln, die auf Messdaten zugreifen und diese analysieren; etwa eine App, die die Temperatur im Weinkeller kontrolliert oder das Feuchtigkeitsniveau im heimischen Gewächshaus.

Am Stand des Bundesministeriums für Bildung und Forschung zu finden war das Berliner Startup Mynigma, das eine iOS-App zur sicheren Verschlüsselung von E-Mails entwickelt hat. Diese für den privaten Gebrauch kostenlose Applikation kommt zum richtigen Zeitpunkt und könnte sich auf dem Hintergrund der breitflächigen NSA-Ausspähung zu einem Hit im App-Store entwickeln. Nähere Informationen dazu im Börsenblatt-Blog BookBytes.