Cebit 2016

Startup-City Hannover

17. März 2016
von Börsenblatt
Einmal im Jahr kann sich Niedersachsens Hauptstadt fünf Tage lang als europäische Startup-Metropole fühlen. In diesem Jahr präsentieren sich mehr als 400 Jungunternehmen aus über 40 Ländern dem Publikum und potentiellen Investoren – im Vergleich zum Vorjahr ist das eine Steigerung um gut 15 Prozent.

Das gefühlte Megathema der diesjährigen CeBit lautet Security. Neue Solutions zu den Themen Verschlüsselung und Datensicherheit waren in vielen Hallen an einer Unmenge von Ständen zu finden. Das Startup Cryptomator beispielsweise verschlüsselt plattformunabhängig Daten in der Cloud und ist denkbar einfach zu installieren und zu bedienen. Cryptomator arbeitet mit jedem Cloudservice zusammen und man kann selbst entscheiden, welche Daten in der Cloud verschlüsselt werden sollen und welche nicht. Allerdings ist hier Vorsicht angebracht: Das Passwort darf man nicht vergessen – sonst sind die Daten für immer verschwunden.

 

Gestische Computersteuerung

Jüngst gelangte das amerikanische Unternehmen Meta mit seinen Versuchen in die Schlagzeilen, per Augmented Reality Rechner zu steuern. Andrian Kreye hat dazu in der Süddeutschen Zeitung einen beeindruckenden Bericht geschrieben. Auf der CeBit präsentierten einige Startups Anwendungen in diese Richtung. Kinemic ist in der Lage, Wörter durch Schreiben in die Luft einzugeben und Computer (noch rudimentär) zu steuern. Das Startup bedient sich bei der Gestensteuerung eines mit Sensoren ausgestatteten Armbandes. Toposens aus München hat dazu – nach eigenen Angaben – als weltweit erstes Unternehmen eine Steuerung per Ultraschall entwickelt. Doch obwohl die zu testenden Ergebnisse schon erstaunlich sind stecken beide Anwendungen noch in den Kinderschuhen.

 

Startups für den Handel

HierBeiDir bietet einen Marktplatz an, auf dem regionale Einzelhändler ihre Angebote einstellen können. »Die dabei entstehenden Vorgänge wie Bestellung, Versand und Zahlung zwischen Händler und Kunde unterliegen automatisierten Systemen und garantieren einen verlässlichen, schnellen und sicheren Verkehr«, heißt es dazu in einem Flyer des Unternehmens. Über Fahrradkuriere sollen die bestellten Waren innerhalb von 120 Minuten zugestellt werden. Im Unterschied dazu bietet SkipQ den Kunden die Möglichkeit, über eine App Waren zu bestellen (und zu bezahlen) und die Bestellung im Geschäft selbst abzuholen – ohne dabei Wartezeit in Kauf nehmen zu müssen. Wirklich überzeugen konnten beiden Anwendungen bedauerlicherweise nicht, denn lt. einer aktuellen Bitkom-Studie stoßen Serviceangebote wie »Same Day Delivery« oder »Click & Collect« bei 46% bzw. 58% aller Einzelhändler auf Interesse.

 

Firmeninterne Abstimmung und Kommunikation

Mit TomVote können Firmen, Institutionen und Verbände, aber auch Privatpersonen webbasiert Entscheidungen herbeiführen oder Abstimmungen organisieren und analysieren. Das Tool ist wirklich sehr einfach zu bedienen, aber das Lizenzmodell nicht gerade preiswert – für Privatpersonen allerdings kostenlos. Eine wesentlich komplexere Lösung für firmeninterne Abstimmungs- und Kommunikationsprozesse (gerade für Unternehmen mit mehreren oder vielen Standorten) bietet Beekeeper an. Das Zürcher Unternehmen ist bereits seit vier Jahren auf dem Markt, somit eigentlich kein Startup mehr und kann schon eine sehr namhafte Kundenliste vorweisen. Für Unternehmen, die sich interne Transparenz auf die Fahnen geschrieben haben, ist Beekeeper ein »Have-to-seen«.

 

Curiosa am Wegrand

TinkerToys aus Magdeburg (mit einem Ladengeschäft in Leipzig) bietet »großen Spaß für kleine Spielzeugerfinder« an, also kindgerechte Produkte, »die es in keinem Spielzeugladen zu kaufen gibt«. Kinder ab acht Jahren können auf einer komplexen aber intuitiv zu bedienenden Plattform Spielzeugfiguren, Bausteine usw. kreieren, die das Startup dann im 3-D-Druckverfahren in einer ganzen Reihe beliebig zu definierender Farben her- und zustellt.

280 Zentimeter im Durchmesser ist ein großer, mit Helium gefüllter Ball von Aerotain, einem Spinoff der ETH Zürich. Der Ball ist mit steuerbaren Motoren und Kameras ausgestattet und für Großevents konzipiert. Aerotain ist sowohl in der Luft als auch in (großen) geschlossenen Räumen einsetzbar und filmt oder fotografiert das Event aus unterschiedlichen Perspektiven. Vielleicht eine Idee für die Frankfurter oder Liepziger Buchmesse?

Und wer sich einen großen Bildschirm für Firmen- oder Produktpräsentationen in den Laden hängen möchte, stylish eingefasst in barocke oder moderne Holzrahmen, der ist mit der Produktreihe [re:frame] von Florian Aubele an der richtigen Adresse. »Hochwertige Displays kombiniert mit modernster Computertechnologie und umgeben von handgefertigten Stil-Rahmen machen [re:frame] zum Smart Display der Zukunft« ist auf der Homepage des Startups zu lesen.

Eine sehr originelle Idee für die digitale Nutzung von Ampel-Tastern bietet das Startup UrbanInvention mit seinem Tool ActiWait, das mit dem 2. Preis des CeBit Innovation Award 2016 in Höhe von € 30.000,- ausgezeichnet worden ist. Mehr dazu und ein Video-Interview mit UrbanInvention-CEO Amelie Künzler auf bookbytes[Link folgt].

 

Die CeBit 2016: Gewinn und Verlust

Mit dem Startup-Zuwachs und der Konzentration dieser Unternehmen in Halle 11 kann die Messe 2016 ohne jeden Zweifel punkten. Allerdings musste die CeBit in diesem Jahr auch einen herben Verlust hinnehmen: Nach vier Jahren hat das mit 86.000 gezählten Besuchern (Geamtbesucherzahl 2015: 211.000) größte Aushängeschild der CeBit, die Innovationsplattform Code-N, die CeBit verlassen und wird im September in Karlsruhe ihre Zelte aufschlagen. Diese vom GFT-Vorstandsvorsitzenden Ulrich Dietz ins Leben gerufene und gesponserte Veranstaltung von weltweiter Beachtung hinterlässt eine (auch in Bezug auf die Hallenbelegung) spürbare Lücke, die die CeBit 2017 noch eindrucksvoller schließen muss, um nicht ins Hintertreffen zu geraten. Denn die globale Konkurrenz für das Format der CeBit ist nicht zu unterschätzen. Die Consumer Electronics Show in Las Vegas und die SxSW in Austin, aber auch die digitale Unterhaltungselekronik auf der IFA Berlin sowie die Gamescom in Köln und die Mobilfunkmesse in Barcelona, nicht zu vergessen die eigene Hannover-Messe mit dem Schwerpunkt Industrie 4.0 – all diese Veranstaltungen sind ernst zu nehmende Aussteller-Alternativen. Man darf gespannt sein, wie sich die CeBit 2017 aufstellen wird.

Auf bookbytes, unserem Blog für Digitales, stellt Detlef Bluhm das Projekt ActiWait vor!