Deutscher Buchpreis 2015: Lesung und Gespräch mit Frank Witzel und Andreas Rötzer

Da haben sich zwei gefunden

17. Oktober 2015
von Christiane Petersen
Der Buchpreisträger und sein Verleger im Gespräch: Frank Witzel und Andreas Rötzer waren heute im bis auf den letzten Platz besetzten Forum Börsenverein zu Gast und sprachen über den prämierten Roman "Die Erfindung der Roten Armee Fraktion". Witzel las zwei Passagen, die die Welt des dreizehnjährigen Romanhelden sehr gegenwärtig werden ließen.

Frank Witzel lächelt. Auf dem Podium, in Gesprächen, am Verlagsstand – wer dem diesjährigen Gewinner des Deutschen Buchpreises auf der Frankfurter Buchmesse über den Weg läuft, sieht einen glücklichen, gelösten Mann vor sich. Einen, der auch nach rund 60 Interviews in einer knappen Woche jedes Gespräch führt als sei es sein erstes und dabei meist ein Exemplar seines 800 Seiten umfassenden Romans »Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969« in der Hand hält.

So auch heute im Forum Börsenverein mit Börsenblatt-Redakteur Michael Roesler-Graichen und Andreas Rötzer, Verleger von Matthes & Seitz Berlin. Die Zuschauer sitzen, stehen, lehnen vor der Bühne, auch oben auf dem Podium nimmt neben den Akteuren noch das Publikum Platz. Ob es Mut brauche, ein Buch zu verlegen, das mehr als ein Kilo wiege und in Umfang und Form derart ungewöhnlich sei, fragt Redakteur Rösler-Graichen den Verleger. Rötzer schüttelt abwehrend den Kopf. „Mut impliziert die Möglichkeit des Scheiterns. Ich war sicher, dass sich dieses Buch weitervermitteln würde. “

Er hat Recht behalten – und trotzdem die Auflage mit 9.000 Stück so vorsichtig kalkuliert, dass das preisgekürte Buch schon kurz nach der Preisverleihung vergriffen war. Doch die Druckaufträge für Auflage 4 und 5 sind erteilt, am 22. Oktober soll der Titel wieder lieferbar sein. Und auch international sei die Nachfrage groß, freut sich der Berliner Verlagschef. „Nach China, Saudi-Arabien, Dänemark und in die Niederlande haben wir bereits Lizenzen verkauft.“ Und es gebe auch eine Anfrage aus Frankreich.

Witzel selbst kann diesen Erfolg noch immer kaum glauben. „Ich habe mehr oder weniger 15 Jahre lang an diesem Buch geschrieben. Es hat für mich eine außergewöhnliche Stellung, in ihm fließt die Summe meines Lebens und Arbeitens zusammen“. Er sei sich beim Schreiben aber nicht immer sicher gewesen, auf dem richtigen Weg zu sein. „Zum Glück gab es aber immer wieder Menschen, die mir positive Rückmeldung gegeben haben.“ So auch die Jury des Robert Gernhardt Preises, den Witzel 2012 für sein unveröffentlichtes Manuskript erhielt. „Ich weiß nicht, ob ich ohne den Preis das Projekt nicht doch aufgegeben hätte“.

Doch auch mit dem Robert Gernhardt Preis im Rücken war es für den in Offenbach lebenden Autor nicht einfach, einen Verlag zu finden, von 40 Verlagen meldete sich nur ein einziger mit einer positiven Rückmeldung beim heutigen Preisträger: Matthes & Seitz Berlin. Nach welchen Kriterien der Verleger sein Programm zusammenstelle, will Roesler-Graichen wissen. „Das Leben ist kurz. Ich habe beschlossen, nur Bücher zu machen, die ich auch gern lesen würde. Das ist meine Leitlinie: Ich will gereizt, aufgeregt, erregt werden. Das ist bei wenig Büchern der Fall.“ Bei Witzel schon. Und so sitzen Rötzer und Witzel derzeit an der Planung der nächsten zwei gemeinsame Buchprojekte. „Ich glaube, hier haben sich zwei gefunden, die für Erfindungsreichtum und Innovation stehen“, sagt Roesler-Graichen. Verleger und Autor lachen.