Deutscher Hörbuchpreis 2016

21 Nominierte im Finale

7. Januar 2016
von Börsenblatt
Die Nominierten für den Deutschen Hörbuchpreis 2016 stehen fest: In sieben Kategorien haben jeweils drei Produktionen das Finale erreicht. Rund 70 Verlage hatten insgesamt 298 Titel eingereicht – so viele wie noch nie zuvor. Die Preisverleihung findet am 8. März im WDR Funkhaus in Köln statt.

Die Nominierten sind laut Mitteilung des Deutschen Hörbuchpreises (nach Kategorien):

Beste Interpretin

Nina Hoss (mit Harper Lees Romandebüt "Gehe hin, stelle einen Wächter" − der Hörverlag)

Jurybegründung: "Mit beiläufiger Präzision gelingt es Nina Hoss, die Ambivalenz und Doppelbödigkeit des Erstlingsromans von Harper Lee freizulegen. Die klare und gradlinige Sprache der Vorlage wird bei Nina Hoss zu einem intimen Zwiegespräch mit dem Hörer, in dem sich erst allmählich die Abgründe der amerikanischen Südstaaten der 50er Jahre offenbaren."

Dagmar Manzel (mit Ágota Kristófs Prosaminiaturen "Irgendwo. Erzählungen" − speak low)

Jurybegründung: "Dagmar Manzel tastet sich mit ihrer kühlen und analytischen Sprechweise durch die kargen Gebirgszüge der Erzählungen von Ágota Kristóf, in denen das Echo menschlicher Verzweiflung nachzuklingen scheint. Der lakonischen Düsterheit und fröstelnden Komik dieser Geschichten verleiht die Schauspielerin einen einzigartigen Klang, der durch das ganze Hörbuch hindurch zu fesseln vermag."

Sophie Rois (mit Alina Bronskys Roman "Baba Dunjas letzte Liebe" − tacheles! / ROOF Music).

Jurybegründung: "Sophie Rois vermag es, mit ihrer markanten Stimme der eigenwilligen Titelfigur Baba Dunja und ihrer ungewöhnlichen Geschichte einen ganz besonderen Zauber zu verleihen. Jede Wendung der Erzählung wird durch Sophie Rois' Interpretation zu einem berührenden und beglückenden Erlebnis."

Bester Interpret

August Diehl ("Hart auf hart" von T.C. Boyle − der Hörverlag)

Jurybegründung: "Mit überzeugender Souveränität liest August Diehl einen rasanten und gleichzeitig gesellschaftskritisch aufrüttelnden Text. Er fängt zum Beispiel die Stimmung einer hysterisch aufgeladenen Verfolgungsjagd ein, ohne ihr selbst zu erliegen. Gerade durch seine spröde, distanzierte Stimmlage vermag er die Intensität noch zu steigern und dem Zuhörer dabei  Möglichkeiten zu lassen, mit seinen eigenen Gedanken zwischen die Sätze zu kommen."

Lars Eidinger ("Der Planet Trillaphon im Verhältnis zur Üblen Sache" von David Foster Wallace − tacheles! / ROOF Music)

Jurybegründung: "Lars Eidinger ist eindeutig eine Ausnahmebegabung mit seiner Fähigkeit, einem Text auf diese Weise eine Seele zu geben. Da reißt sich ein Schauspieler förmlich das Herz auf, um selbst im Turm zu Babel, in dem wir Menschen uns befinden, etwas verständlich zu machen. Hörer können hier die ganze Palette, die Differenziertheit von Gefühlslagen und Gedankenwelten wahrnehmen und werden traurig, wenn die Geschichte so plötzlich, nahezu überstürzt, zu Ende ist. Eines jener seltenen Hörerlebnisse, das man sofort wiederholen möchte."

Axel Milberg ("Exil" von Lion Feuchtwanger − Der Audio Verlag / BR)

Jurybegründung: "Axel Milberg hat einen Klassiker beatmet und in unsere Zeit geholt. Es ist zu hören, wie tief er in den Text und seine mitschwingenden Bedeutungen eingetaucht ist, um im Hörer Bilder und Szenen, Angst, Verzweiflung und Hoffnung aufsteigen zu lassen. Atmosphärisch dicht sind die Spannungsbögen innerhalb der Sätze. Es gelingt ihm dabei immer wieder, mit  Rhythmen und Pausen Erwartungen der Zuhörer zu konterkarieren und zu überraschen."

Beste Hörspiel

In der Kategorie "Bestes Hörspiel" votierte die Jury für drei Literaturbearbeitungen:

"Leben und Ansichten von Tristram Shandy, Gentleman" nach dem Roman von Laurence Sterne (der Hörverlag / BR)

Jurybegründung: "Was eine Hörspielbearbeitung vermag, die auf einem Text basiert, der Mitte des 18. Jahrhunderts das nichtlineare Erzählen in die Romanform einführte und die typografische Textgestaltung als sinntragendes Stilmittel einsetzte, kann man in Bruckmaiers Inszenierung des 'Tristram Shandy' hören. Während im Vordergrund eine höchst amüsante Erzählung abläuft, reflektiert das akustische Erzählen seine eigene Medialität: durch O-Töne, hörbare Geräuschkonserven und eigens komponierte Songs. Große Kunst."

"Kinder Adams. Children of Adam", eine zweisprachige Inszenierung von Walt Whitmans Gedichtzyklus (Hörbuch Hamburg Verlag / Radio Bremen mit DKultur und SWR)

Jurybegründung: "Es ist die erfahrungsgesättigte Stimme der Punk-Ikone Iggy Pop, die dem rhapsodischen Tonfall des amerikanischen Lyrikers Walt Whitman so genau entspricht, dass Kai Grehn sie als Generalbass für seine zweisprachige akustisch-musikalische Inszenierung des Gedichtzyklus‘ 'Kinder Adams' geradezu verwenden musste. Die dezenten elektronischen Klänge von alva noto und Tarwater korrespondieren mit den Stimmen eines renommierten Schauspieler-Ensembles von Jule Böwe bis Martin Wuttke, das Whitmans Lyrik zu neuem Leben erweckt."

"Wir" setzt Jewgenij Samjatins Dystopie aus dem Jahre 1920 als reich orchestriertes Hörspiel um (Der Audio Verlag / SWR).

Jurybegründung: "Mit der vom Radio-Sinfonieorchester des SWR groß instrumentierten Komposition von Raphael D. Thöne bekommt die Hörspielfassung von Jewgenij Samjatins Dystopie 'Wir' in der Regie von Christoph Kalkowski die akustische Qualität eines sowjetischen Monumentalfilms. Zusammen mit dem ausgefeilten Sounddesign und den Stimmen von Andreas Pietschmann als D-503, Jana Schulz als I-330 und Hanns Zischler in der Doppelrolle als Wohltäter und Fonolektor entwickelt das Hörspiel eine beunruhigend gegenwärtige Anmutung."

Bestes Sachhörbuch

Die Lesung von Neil MacGregors Geschichtsbuch "Deutschland. Erinnerungen einer Nation" (der Hörverlag / hr)

Jurybegründung: "MacGregors Ansatz, historische Ereignisse und Prozesse über Objekte nachzuvollziehen, kommt hier überzeugend zum Tragen. Dank Burghart Klaußner als Sprecher wird auf unterhaltsame Weise ein gelungener Mix aus Nationalgeschichtsschreibung und Alltagskultur präsentiert. Auch die Einspielung etlicher historischer O-Töne und das umfangreiche Booklet mit dem unverzichtbaren Bildmaterial machen dieses Sachhörbuch zu einer wertvollen kultur-historischen Einführung in die deutsche Geschichte."

Jochanan Shelliems Feature "'Im Namen des Volkes' – Hinter den Kulissen des Nürnberger Prozesses" (Der Audio Verlag / DRadio)

Jurybegründung: "Shelliem versammelt in diesem Feature Stimmen von Opfern, Tätern, Beobachtern und Anklägern. Hinter den Kulissen hat er insbesondere zwei Personen zu Wort kommen lassen: Den Gefangenen-Arzt Ludwig Pflücker und den damals 22 Jahre alten Dolmetscher Richard Sonnenfeldt. Sie gewähren Einblick in die Psyche der Kriegsverbrecher Göring und Konsorten. Mit zahlreichen O-Tönen, darunter Erika Mann als Prozessbeobachterin der BBC, und hochkarätigen Sprechern ist es Shelliem gelungen, Geschichte erlebbar zu machen."

Corinna Hesses Hörbuch "ZUKUNFT | LEBEN. Wissen aktuell: Nachhaltigkeit" (Silberfuchs)

Jurybegründung: "Hörbuch und Wissensportal − ein mediales Projekt über die nachhaltige Entwicklung unserer Welt. Corinna Hesse und Antje Hinz haben sich einem hochaktuellen Thema sachlich und philosophisch angenähert. Ulrich Gebauer und Anne Moll überzeugen als Sprecher. Das Sounddesign mit authentischen Klängen der Erde macht den Text auch sinnlich erfahrbar. Das sechsseitige, grafisch anspruchsvoll gestaltete Booklet gibt weitere Informationen und eine präzise Inhalts-angabe. Ein in allen Punkten gelungenes Hörbuch."

Bestes Kinderhörbuch

Michael Endes Klassiker "Die unendliche Geschichte" in der neuen Hörspielfassung des WDR (Silberfisch im Hörbuch Hamburg Verlag / WDR)

Jurybegründung: "Den Rahmen für diese herausragende Neuproduktion eines Kinderbuchklassikers bilden mehr als vierzig Sprecher, darunter Anna Thalbach, Hans Kremer, Jürgen Thormann, Mechthild Großmann und Jens Wawrczeck, sowie eigens komponierte Musik und eine besondere Klanginstallation mit vielen Geräuschen und Effekten. In einer fast fünfstündigen Hörspielfassung werden Bastian, Atréju und Fuchur auf mitreißende Art zum Leben erweckt. Ein besonderes Hörerlebnis für die ganze Familie."

"Keiner hält Don Carlo auf" von und mit Oliver Scherz (Silberfisch im Hörbuch Hamburg Verlag)

Jurybegründung: "Man muss ihn einfach lieb haben, den kleinen Halbitaliener Carlo, der sich auf die abenteuerliche Suche nach seinem Papa macht. Buchautor Oliver Scherz hat die spannende und aus Carlos Perspektive erzählte Geschichte selbst eingelesen und mit kleinen Musikstücken aufgelockert. Er schafft es, einen eigenen Carlo-Sound zu kreieren, der die jungen Hörer fesselt."

"Miles & Niles. Hirnzellen im Hinterhalt" von Jory John, Mac Barnett (der Hörverlag), gelesen von Christoph Maria Herbst.

Inhalt: "Miles Murphy ist berühmt, und zwar für eins: Streichespielen. Er ist der beste Streichespieler, den seine Schule je erlebt hat. Als er plötzlich in das langweilige Kuh-Kaff Yawnee Valley umziehen muss, ist für Miles eines klar: Auch an seiner neuen Schule wird er der beste Streichespieler aller Zeiten. Nur gibt‘s da ein Problem: Die Schule hat schon einen! Ein urkomischer Wettkampf um die witzigsten Einfälle und die komischsten Streiche beginnt – und eine Freundschaft zwischen zwei Jungs, die von Konkurrenten zu Komplizen werden. Nur Schuldirektor Barry Barkin hat da leider gar nichts zu lachen."

Beste Unterhaltung

Thomas Krügers skurriler Krimi "Erwin, Enten & Entsetzen" (Schall & Wahn)

Jurybegründung: "Thomas Krüger ist ein wortgewaltiger Autor, der den Spagat zwischen regionaler Erdung und fast anarchischer Originalität mit Lust am sprachlichen Krawall meistert. Apropos Lust: Die bringt auch Interpret Dietmar Bär mit, der mit Tempo, Wärme und hörbarer Freude am Fabulieren Erwin Düsediekers kriminalistisch absurde Abenteuer ins Akustische überträgt."

Mario Giordanos bayerisch-italienischer Krimiparodie "Tante Poldi und die sizilianischen Löwen" (Lübbe Audio)

Jurybegründung: "Tante Poldi, eine Art Anti-Miss Marple, zieht mit Philipp Moog in der Rolle des Ich-Erzählers nach Sizilien und löst vor Ort fast unfreiwillig ihren ersten Kriminalfall. Ein bayerisch-italienischer Kulturclash, mit großer Leichtigkeit und Humor von Moog vorgetragen, dem es trotz lustvoll angewandter bayerischer Mundart gelingt, nicht ins Volkstümelnde abzugleiten. Lustig, derb und lebensprall – oder auch: einfach beste Unterhaltung!"

Jean-Paul Didierlaurents "Die Sehnsucht des Vorlesers" (Hörbuch Hamburg Verlag)

Jurybegründung: "Welches Medium könnte für ein Werk über die Magie des Vorlesens geeigneter sein als das Hörbuch? Zumal wenn Torben Kessler von der 'Sehnsucht des Vorlesers' erzählt: Mit teils leiser, sensibler Stimme, dann wieder mit Kraft und Leidenschaft lotet er die ganze Palette des Interpretierens aus. Ein im besten Sinne schönes, äußerst unterhaltsames Hörbuch über die immerwährende Wichtigkeit und Poesie des Erzählens."

Beste verlegerische Leistung

Der Hörverlag
mit "Die Quellen sprechen. Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933−1945", dem ersten Teil der monumentalen Höredition des Bayerischen Rundfunks.

Jurybegründung: "Für die Höredition wurden aus dem großen Quellenbestand Dokumente ausgewählt und von gut gewählten Sprechern gelesen. Der Verzicht auf kommentierende Zwischentexte macht die Quellen beklemmend authentisch. Das Booklet bietet eine Einführung in das zu Grunde liegende Forschungsprojekt, eine Übersicht über die Dokumente sowie Kurzbiografien der Zeitzeugen. Das Potenzial des Mediums Hörbuch wird voll ausgeschöpft."

Lilienfeld Verlag
mit "Thomas Kling. Die gebrannte Performance", einer Audioretrospektive des Dichters und Vortragskünstlers.

Jurybegründung: "Der Verlag hat einen künstlerischen Schatz gehoben. Dem Hörer werden die existierenden Mitschnitte der genialen Lesungen von Thomas Kling zugänglich gemacht, die aus unterschiedlichsten Quellen zusammengetragen wurden. Das Booklet mit Texten von und über Thomas Kling verschafft einen vertieften Eindruck von Autor und Werk weit über das reine Hören hinaus."

Speak low
mit "'Versuche, dein Leben zu machen'. Als Jüdin versteckt in Berlin". Die 94-jährige Margot Friedlander, eine der letzten noch lebenden Zeitzeuginnen des Holocaust, erzählt ihre Lebensgeschichte.

Jurybegründung: "Der Verlag präsentiert nicht einfach die Lesung einer Autobiografie, sondern lässt die Zeitzeugin selbst zu Wort kommen und die Passagen erzählerisch verbinden. Dadurch ist speak low eine eindringliche und authentische Produktion gelungen, die den Hörer neben Margot Friedlander sitzen lässt, während sie erzählt."

Der Nominierungsjury 2016 gehören an: Andreas Bick, Christine Härle, Frauke Jäger, Jochen Meißner, Ute Romeike, Annemarie Stoltenberg und Sven Stricker.

Preisverleihung am 8. März in Köln

Eine Kinderjury der Zeitung "Duda" prämiert das "Beste Kinderhörbuch", die anderen Gewinner werden von der siebenköpfigen Preisjury bestimmt. Die Entscheidungen beider Jurys werden Ende Januar bzw. Anfang Februar bekannt gegeben.

Der Deutsche Hörbuchpreis wird am 8. März 2016 im WDR Funkhaus am Wallrafplatz verliehen. Er ist je Kategorie mit einem Preisgeld von 3.333 Euro dotiert.

Wie in den Vorjahren eröffnet die Preisverleihung das internationale Literaturfest lit.COLOGNE. Der Westdeutsche Rundfunk und vier weitere Sender übertragen die Veranstaltung live im Radio; das WDR Fernsehen zeichnet sie für eine zeitversetzte Übertragung auf.

Zum Preis

Die Auszeichnung wird vom Deutscher Hörbuchpreis e.V. vergeben, dem als institutionelle Mitglieder der Börsenverein des Deutschen Buchhandels, der Hessische Rundfunk, lit.COLOGNE, der Norddeutsche Rundfunk, Studio Hamburg, der Westdeutsche Rundfunk und die WDR mediagroup angehören. Daneben gibt es zahlreiche persönliche Mitglieder.