Deutscher Hörbuchpreis: Die Gala in Köln

"Martin Suter gibt es nicht"

7. März 2018
von Max Florian Kühlem
Hörbuch und Hörspiel haben ihre eigenen Stars und die geben einmal im Jahr auf der Gala zur Verleihung des Deutschen Hörbuchpreises in Köln ein Stelldichein. Valery Tscheplanowa, Andreas Fröhlich, Christian Brückner, Eva Matthes und viele andere begeisterten auf der aktuellen Ausgabe im Sendesaal des WDR mit ihrer Kunst, erzählten vom harten Boden der Realität und luftigen Höhen (alp)traumhafter Phantasie-Welten.

Götz Alsmann, der in seine Rolle als Moderator des Hör-Preises über die Jahre immer besser hineingewachsen ist, ergötzt sich gleich selbst an der eigenen Stimme: Seine Kurz-Zusammenfassung von Walter Moers‘ Epos "Prinzessin Insomnia & der alptraumhafte Nachtmahr" steigert er in ein sonores, geheimnisvoll-heiseres Brummen, als wolle er Andreas Fröhlich Konkurrenz machen, den er als besten Interpreten auszeichnen durfte. Dem als Bob Andrews aus „Die drei ???“ bekannt gewordenen Sprecher macht in diesem Genre allerdings niemand etwas vor. Moers‘ hakeligen, wortverspielten Text über die „anagrammisierende Prinzessin“ schüttelte er so mühelos locker aus dem Ärmel, als wäre er ihm gerade spontan in den Sinn gekommen.

Auch beim Preis für die beste Interpretin hätte die Jury dieses Jahr nicht goldrichtiger liegen können: Schauspielerin Valery Tscheplanowa gibt der Nelli aus Paulus Hochgatterers Kriegsschicksals-Geschichte „Der Tag, an dem mein Großvater ein Held war“ einen schönen, ernsten Ton, in dem irgendwo die Neugier und Lebenslust eines jungen Mädchens schlummert, das sich erst selbst (wieder)finden muss. Das ist wahrlich große Kunst, die aus großer Konzentration entsteht: „Ich brauche viel Zeit, um einen Bogen zu erfassen“, erklärt die Ausgezeichnete gegenüber Moderator Götz Alsmann, „auch nach 30 Jahren ist Deutsch nicht meine Muttersprache.“

In mittlerweile 16 Ausgaben hat die Verleihung des Deutschen Hörbuchpreises ihre eigenen Traditionen begründet, die sie feiert und durch Neuerungen lebendig hält. Mit Robert de Niros deutscher Stimme Christian Brückner steht der erste Träger des Sonderpreises auf der Bühne – einer Art Auszeichnung für das Lebenswerk. Seine Laudatio auf die aktuelle Preisträgerin Eva Matthes fällt mit einer unnachahmlichen Sprachmelodie so wunderbar eigensinnig und eigenartig aus, dass man unweigerlich genauer hinhört und jedes Adjektiv, mit dem Brücker Matthes Lesekunst beschreibt, genießt wie ein Festmahl.

Wichtige Tradition des Hörbuchpreises ist die Beschäftigung mit historischem Material. In diesem Jahr ist es die Stimme des 1968 verstorbenen hessischen Generalstaatsanwalts Fritz Bauer, die durch den Saal schallt. Anfang der 1960er-Jahre hatte er die Auschwitz-Prozesse initiiert. Der Historiker und Journalist David Johst, ausgezeichnet für das Beste Sachhörbuch, hatte 900 Stunden O-Ton-Material gesichtet und daraus das spannende Portrait „Fritz Bauer – Sein Leben, sein Denken, sein Wirken“ montiert.

Tradition hat seit einigen Jahren auch die Einrichtung einer Kinderjury für die Vergabe des Preises in der Kategorie Bestes Kinderhörbuch. Dieses Jahr war sie angesiedelt am Ulla-Hahn-Haus der Stadt Monheim und entschied sich für Verena Reinhards "Die furchtlose Nelli, die tollkühne Trude und der geheimnisvolle Nachtflieger": "Die Interpretation von Franziska Hartmann ist ein Gewinn für den Text und bringt eine Extra-Portion Freiraum für buntes Kopfkino mit", befanden die Kinder. Die Schauspielerin gab am Abend eine Kostprobe.

Premiere für den WDR-Publikumspreis

Die große Neuerung des Abends ist die Verleihung des WDR-Publikumspreises „Mein Hörbuch 2017“. Eigentlich überraschend, dass der Sender, der die Gala seit 16 Jahren veranstaltet, nicht früher auf die Idee kam, einen Preis nach sich zu benennen. Erster Träger ist Marc-Uwe Kling, der für die Känguru-Chroniken schon einmal mit dem Deutschen Hörbuchpreis ausgezeichnet wurde und jetzt das Hörbuch seines Zukunfts-Roman „QualityLand“ vergoldet bekommt: „Letztes Mal habe ich noch einen richtigen Preis bekommen“, gibt er bei der Übergabe etwas bedröppelt zu Protokoll, „jetzt nur einen Zettel.“ Vielleicht sollte der WDR da nochmal nachbessern.

Nicht besser hinkriegen kann man hingegen die Eröffnung des Lesefests Lit.Cologne, die die Verleihung des Deutschen Hörbuchpreises traditionell mitliefert. Mit dieser Aufgabe hatte man Kabarettistin Cordula Stratmann betraut. Mit einer „unangenehmen Wahrheit“ sorgte sie für den skurrilen Höhepunkt der Show: „Martin Suter gibt es nicht“, erklärte sie, „das hab alles ich…“ Der Mann, der für Suters Verlagsfotos posiere, sei in Wirklichkeit Sparkassen-Direktor im schweizerischen Chur und man verstehe sich blendend.

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