Die Sonntagsfrage

"Wie gefällt Ihnen das Buchhändlerinnenleben, Frau Kahl?"

9. Februar 2017
von Börsenblatt
Im vergangenen Sommer hat die ehemalige Verlagsvertriebsleiterin Sabine Kahl (57) die Buchhandlung Starick in Berlin-Schmargendorf übernommen. Was sie dabei erlebt hat und ob sich ihre Erwartungen erfüllt haben, erklärt die Neu-Inhaberin in der Sonntagsfrage.

Es macht mir riesigen Spaß, so unmittelbar mit den Menschen Kontakt zu haben, meinen Laden und das Sortiment gestalten zu können, aus Fehlern zu lernen und gemeinsam mit meinem Team den Kunden unsere Freude am Buch und am Service drumherum zu vermitteln. Ganz ursprünglich bin ich ja gelernte Sortimentsbuchhändlerin, aber in den vielen Jahren seit meiner Zeit im stationären Handel (damals gab es noch gar kein Internet …) hat sich immens viel verändert und ich muss demzufolge heute auch einiges neu lernen. Eine Warenwirtschaft gab es damals nicht, dafür aber die Buchlaufkarten und es war allein der Kassenabschlag, der über die Verkäufe in den einzelnen Warengruppen Auskunft gab. Toll, was die EDV heute an Transparenz und Steuerung ermöglicht.

Ganz glücklich denke ich zum Beispiel an mein erstes Weihnachtsgeschäft in der eigenen Buchhandlung zurück. Das war einfach toll! Und anstrengend!! Aber genau so, wie ich es mir gewünscht habe, selbst in stressigen Phasen ist dem Team und mir die gute Laune nicht ausgegangen. Die Kunden waren sehr zufrieden mit unserem Angebot und geduldig, wenn es an der Kasse mal eng wurde. Wir haben unglaublich viele Bücher als Geschenk verpackt und es war einfach fabelhaft, zu erleben, wie viele Menschen sich 4, 5 oder 6 Bücher unter den Arm klemmten und damit alle Unkenrufe straften, es gäbe keine Zukunft für das Buch.

Was meine eigene Handschrift ausmacht? Schon mit dem Namen „Schmargendorfer Buchhandlung schöner lesen – schöner schenken“ hat es begonnen, es folgte der totale Umbau und dank einer feinsinnigen Graphikerin waren schnell alle Unterlagen, Geschenkpapier und Tüten, Beschriftung der Regale etc. auf ein einheitliches Bild abgestimmt. Und den Kunden gefällt es. Das Sortiment haben wir im Bereich Kinder- und Jugendbuch erheblich vertiefen können dank der zusätzlichen Fläche, die Belletristik ist weiterhin die stärkste Warengruppe und die übrigen Warengruppen haben wir erst einmal beibehalten. Da gibt es aber Optimierungspotential, das wir langsam aber sicher heben. Und die ganz neuen Sortimente wie Kerzen, Papeterie und Rosen haben sich sehr schnell gut etabliert.

Zum Glück konnte ich auch die Stammkunden halten. Es war sicher deshalb ein überschaubares Risiko, weil ich ja alle Mitarbeiter übernommen habe und die Kunden trotz der vielfältigen Veränderungen einfach weiter „Ihre“ bekannten Gesichter und Ansprechpartner hatten. Natürlich haben die Kunden die Veränderungen sofort wahrgenommen, aber nahezu ausnahmslos gab es Zuspruch und Komplimente. Wahrscheinlich gibt es aber auch ein paar Kunden, die die alte, dunklere Atmosphäre vermissen, aber die gehen dann eben woanders hin. Dafür haben wir durch die Fortsetzung der Veranstaltungen und durch die zahlreichen werblichen Aktivitäten auch schon jede Menge neuer Kunden für uns gewinnen können. Und in der Nachbarschaft entstehen gerade viele Neubauten, da ist also noch reichlich Potential.

Meinen ehemaligen Job vermisse ich überhaupt nicht. Die Aufgaben waren einfach anders und eher struktureller und strategischer Natur. Es ging darum, Logistik und Konditionen zu optimieren, Vertreter zu animieren und bei guter Laune zu halten, mit den Programm-Kollegen die neuen Bücher zu sichten und mit guten Argumenten zu unterlegen und die Verkaufsaktivitäten konzentrierten sich natürlich immer auf das eine, verlagseigene Programm. Erfolg ließ sich nüchtern aus Zahlen ablesen, Misserfolge ebenso und die Freude am Buch war fast private Nebensache.