Die Sonntagsfrage

"Sind die Großdruckbücher zu Unrecht tot, Herr Hartmann?"

12. Mai 2017
von Börsenblatt
Markus Hartmann will mit seinem Start-up XL Book Bücher in eine auch für Menschen mit eingeschränkter Sehfähigkeit gut lesbare Schrift konvertieren, auf Nachfrage drucken und im Buchhandel und online verkaufen. Aber wer braucht in digitalen Zeiten noch Großdruckbücher?

Das Segment braucht auf jeden Fall eine richtige Frischzellenkur. Die wenigen lieferbaren Großdruckbücher sind heutzutage Nachdrucke von Titeln, die vor langer Zeit erschienen sind. Gut abgehangen und von der Zielgruppe längst gelesen. Aber warum sollen Senioren mit Makula-Degeneration nicht aktuelle Sachbücher lesen können, und sich dabei wichtige Stellen mit dem Bleistift unterstreichen? Oder Teenager mit Sehbehinderung Eselsohren in einen spannenden neuen Pageturner knicken? XL BOOK will aktuelle Bücher wieder in großer Schrift auf Papier verfügbar machen.

"Was ich an E-Books klasse finde, sind die Dateien"

Die Zielgruppe ist groß genug. Aber in Zeiten von sinkenden Erstauflagen und raren Programmplätzen haben sich Publikumsverlage auch aus wirtschaftlicher Not entschlossen, die aufwändigen zusätzlichen Großdruck-Ausgaben einschlafen zu lassen. Insbesondere als die E-Book-Reader aufkamen, mit ihrer Möglichkeit zur Schriftvergrößerung, gab es scheinbar adäquaten Ersatz. Doch E-Book-Reader sind alles andere als haptisch und überall einsetzbar. Und E-Books lassen sich auch schlecht verschenken.

Was ich aber an E-Books klasse finde, sind die Daten. Diese lassen sich mit moderner Technik standardisiert um- und ausformen zu gut lesbaren Layouts für den Druck. Gemeinsam mit booktype gehen wir hier sehr innovativ vor. Neben der Satz-Datentechnik hilft bei der Wiederbelebung der Großdruck-Bücher der inzwischen hoch entwickelte Digitaldruck. Die großen Distributoren haben in den vergangenen Jahren leistungsfähige Druckereien mit Direktanschluss an den Warenausgang aufgebaut. So können Paperback-Bücher auf Bestellung in Auflage 1 gedruckt werden, und kommen sehr schnell in die Buchhandlung oder direkt zum Empfänger.

Wirtschaftlich gesehen bildet XL BOOK die klassische Buch-Wertschöpfungskette ab, in der Autor, Verlag, Druck, Großhändler, Einzelhändler jeweils ihren Anteil am Verkaufspreis bekommen. Nur eben mit schnellen, standardisierten Produktionsprozessen, weniger Transportwegen und ohne Lager. Die Bücher werden wegen der individuellen Produktion in Auflage 1 teurer sein als die Originalausgabe. Aber die Technik hat inzwischen ein Preisniveau erreicht, das nicht mehr meilenweit von Normaldruck-Preisen entfernt ist.

"Das ist für mich praktische Inklusion"

Die Vision von XL BOOK ist, möglichst viele E-Books in großer Schrift auf Papier für Sehbehinderte zugänglich zu machen. Ohne Kosten für E-Reader oder Tablet, zu kaufen online und in jeder Buchhandlung. Jeder soll lesen können wie er oder sie will. Das ist für mich praktische Inklusion.

Verlage, Buchhändler und Bibliotheken haben bei allen Präsentationen bisher sehr positiv reagiert, und alle freuen sich über die Wiederbelebung der Großdruckbücher. Aktuell gibt es noch jede Menge Detailprobleme zu lösen - von Verträgen über optimales Satzbild bis hin zur Datendistribution. Im Weihnachtsgeschäft sollen die ersten XL BOOKs aber zu kaufen sein.