Digitale Strategie

Die Großen forcieren den E-Kurs

16. September 2011
von Börsenblatt
Die Ernennung des "E"-Experten und bisherigen COO Frank Sambeth zum CEO von Random House Deutschland hat Signalwirkung: Sie zeigt, welchen Stellenwert die digitale Strategie in den großen deutschen Publikumsverlagen inzwischen hat. Die Personalie ist deshalb kein singulärer Vorgang: Sie fügt sich in ein großes Tableau aus unternehmerischen Entscheidungen, technologischen Initiativen und Produktinnovationen ein.

Random House und Holtzbrinck sind die beiden großen Verlagsgruppen, die die Entwicklung des elektronischen Buchmarkts massiv vorantreiben. Beide Unternehmen sind zugleich im US-Markt aktiv, und die strategischen Entscheidungen für den deutschen Markt basieren auch auf der genauen Beobachtung des US-Markts – vor allem der Titelproduktion, der Geschäftsmodelle und des Nutzerverhaltens. Beide wissen, was die Stunde geschlagen hat, und haben deshalb früh in die Digitalisierung ihres Programms investiert. Die Umsatzentwicklung gibt ihnen recht: In den USA erzielt Random House bereits 20 Prozent des Buchumsatzes mit E-Books, und in Deutschland dürfte der Umsatzanteil der Random House-Titel weit über dem für 2011 zu erwartenden Marktanteil (rund ein Prozent) liegen.

Beide Akteure wissen natürlich, dass der deutsche Markt mit dem amerikanischen nicht zu "synchronisieren" ist: Das unterschiedliche Entwicklungstempo, mentale Reserven der Nutzer, die noch geringe Verbreitung von Lesegeräten, die Zersplitterung des Angebots, die Stärke und flächendeckende Präsenz des stationären Buchhandels und nicht zuletzt die Buchpreisbindung tragen dazu bei, dass sich der Übergang zum elektronischen Lesen hierzulande langsamer vollzieht.

Digitale Avantgarde im Buchmarkt
Dennoch gehörten und gehören beide Verlagsgruppen zur Avantgarde derer, die E-Books in großer Zahl für Online-Shops in Deutschland bereit stellten – beispielsweise für den iBookstore. Sie entwickelten frühzeitig Konzepte für den digitalen Vertrieb (unter anderem mit ihren digitalen Auslieferungen über VVA / BIC Media und hgv).

Und sie entwickeln gemeinsam ein Modell, mit dem sich E-Books problemlos über cloudbasierte Apps oder Browseranwendungen lesen lassen – auf allen Endgeräten: Die Plattform Premium, die vom Bundeskartellamt bereits genehmigt wurde, soll das einlösen, was die Testanwendung Skoobe (das gemeinsame Spin-Off von Random House und Holtzbrinck) gerade mit Leseproben aus über 4.000 Titeln für alle und einem kleinen Kreis von Beta-Testern mit "Komplett-Lese-Lizenz" erprobt.

Unklar ist noch, wie die künftigen Premium-Kunden an die Buchinhalte gelangen. Das Skoobe-Modell könnte beispielsweise, wird spekuliert, mit einem Abo-Dienst gekoppelt werden, der sich an Bezugsmodelle für Musik- oder Videoinhalte im Netz anlehnt. Ein solches Modell nach dem Vorbild für Buch-Clubs würde auch Preisbindungstreuhänder Christian Russ nicht generell ausschließen. Hier bleibt also Raum für weitere Mutmaßungen und Überraschungen.

Innovative Formate
Aber auch die Entwicklung zu neuen E-Book-Formaten spielt bei der digitalen Strategie der Großen eine wichtige Rolle, vor allem bei den deutschen Publikumsverlagen des Holtzbrinck-Konzerns:

  • Bei S. Fischer sind bereits Hunderte von Titeln aus der Reihe Fischer Klassik erschienen, die mit zusätzlichen Informationen angereichert wurden und zu einem großen Teil auch als "Einzeltracks" (beispielsweise eine einzelne Kafka-Erzählung) zu einem sehr günstigen Preis angeboten werden. Zugleich bringt Fischer Kinderbuch-Apps zu Grimms Märchen (Froschkönig, Rotkäppchen) heraus, deren multimedialer und interaktiver Ansatz ähnlichen Produkten des US-Markts mindestens gleichkommt.
  • Rowohlt hat sein Programm mit "enriched" E-Books (Rowohlt Digitalbuch Plus) bereits im Oktober 2010 an den Start gebracht und setzt die Produktion fort (heute ist die Digitalbuch-Plus-Version von Miriam Meckels Buch »Next« erschienen).
  • Schließlich bringt Kiepenheuer & Witsch zur Buchmesse sein neues Programm Kiwi E-Book Extra heraus – eine Kollektion aus angereicherte E-Books und Multimedia-Apps für Smartphone, Tablet und E-Reader.
  • Nicht zu vergessen Neobooks von Droemer Knaur – die Plattform, die Buch-Community, Self-Publishing und verlegerische E-Book-Produktion miteinander verzahnt.

Die Beispiele zeigen, wie sich die beiden ganz Großen (und mit ihnen viele Verlagsgruppen und Verlagshäuser) auf das digitale Buchgeschäft einstellen. Spätestens in Frankfurt werden neue Details der digitalen Verlagsstrategie zu besichtigen sein.