Ein Novitätenreigen zum Reformationsjubiläum

Geklebt – und nicht geschlagen

25. August 2016
von Stefan Hauck
2017 feiert die Reformation 500. Geburtstag. Im Vorfeld beleuchten Bücher die Zeitenwende von vielen, auch überraschenden, Seiten.

Hätten Sie gewusst, dass in Deutschland auch zwei katholische Bischöfe in ihren Gebieten die Ideen der Reformation umgesetzt haben? Während das Vorhaben in Köln den damaligen Bischof Hermann von Wied das Amt kostete, wechselten sich in Osnabrück bis 1802 Katholiken und Lutheraner im Bischofsamt ab. Martin H. Jung hat aber noch viel mehr Wissenswertes über "Die Reformation" (Marix, 240 S., 6 Euro) zusammengetragen. Der Professor für Historische Theologie skizziert beispielsweise die Entwicklungen um Zwingli, Melanchton und Calvin sowie die militärischen Bündnisse für und gegen die Reformation. Er erläutert Luthers Streit mit Erasmus von Rotterdam über den freien Willen des Menschen ebenso wie die Reformationsbewegung in Frankreich und Großbritannien.

Wie sich ganz Europa dadurch veränderte, zeigen "Spiegel"-Journalisten in dem Buch "Die Reformation" (DVA, 256 S., 19,99 Euro), das mit manchen Klischees aufräumt: So hat ­Luther seine Thesen nicht an die Wittenberger Schlosskirche geschlagen, vielmehr wurden sie auf mehrere Kirchentüren geklebt, als Einladung zu einer akademischen Disputation – ein normaler Vorgang für eine Fachdiskussion. Das Autorenteam erzählt in flott geschriebenen, kurzen Beiträgen und Interviews vom Beginn einer neuen Epoche.

Auch Thomas Kaufmann lässt den Leser anschaulich nachvollziehen, wie der erbitterte Kampf um das Heil der Seele Menschen dazu brachte, ihre Heimat zu verlassen oder in den Krieg zu ziehen. In "Erlöste und Verdammte. Eine Geschichte der Reformation" (C. H. Beck, 512 S., 26,95 Euro) legt der Göttinger Professor für Kirchengeschichte detailreich dar, wie Europa umgestaltet wurde.

Der Umbruch hat Spuren an vielen Orten hinterlassen. "Europa reformata" (Evangelische Verlagsanstalt, 504 S., 29,90 Euro) veranschaulicht anhand vieler Fotos und Karten, wie Reformatoren – und auch sechs Reformatorinnen wie Olympia Morata – in 48 Städten gewirkt haben. Spannend zu lesen, wie vielfältig am neuen Glauben gearbeitet wurde, zumal man Orte wie Ferrara oder Sevilla nicht unbedingt mit der Reforma­tion in Verbindung bringt.

Tim Dowleys "Atlas zur Refor­mation in Europa" (Neukirchener Verlagsgesellschaft, 160 S., 19,90 Euro) stützt sich noch stärker auf präzises Kartenmaterial und eine umfassende Zeitschiene. Beides macht die Verbreitung der neuen Konfession bis nach Großbritannien und Polen schon für jugendliche Leser nachvollziehbar.

So viel geballte Information lässt sich auch in Tagesportionen aufnehmen: Der Belser Verlag und die Deutsche Bibelgesellschaft geben im September einen üppigen Bildband heraus, der die Leser durch das Jubiläumsjahr 2017 begleitet: "365 Tage Reformation" (384 S., 24,99 Euro) beleuchtet unterschiedliche Aspekte der Reformation.

Das offi­zielle Buch der Evangelischen Kirche Deutschlands zum Jubeljahr erscheint bei Edition Chrismon / Aufbau. In "Die Welt verändern. Was uns der Glaube heute zu sagen hat" (304 S., 22 Euro) fragen Prominente wie Jakob Augstein und Gregor Gysi den Bischof Heinrich Bedford-Strohm und Margot Käßmann, welche Antworten der Glaube auf die Fragen der Gegenwart geben kann.

Auch aus katholischer Sicht ist die Reformation bedeutend, an Reformen wird ja bis heute "gearbeitet". Pfarrer Stefan Möhler hat mit "Der Trennung gedenken – das Verbindende feiern" (Schwabenverlag, 144 S., 17,99 Euro) ein Werkbuch zum Reformationsjahr für katholische Gemeinden herausgegeben. Die Texte eigenen sich auch als Predigten.