Einkaufen via Facebook & Co.

Kommunikation kontra Kommerz

12. August 2011
von Börsenblatt
Auch wenn Thalia einen Facebook-Shop betreibt: Die meisten Verleger und Buchhändler sehen soziale Netzwerke nicht als Verkaufskanal – sondern als Vehikel für den direkten Kontakt zum Kunden. Sollten sie umdenken?
Facebook-Commerce, kurz F-Commerce – ist dieser Begriff nicht ein Widerspruch in sich? Vergraulen Unternehmen ihre Fans, wenn sie versuchen, ihnen über Facebook Produkte zu verkaufen? Diese Frage treibt die Branche durchaus um. "Bei F-Commerce für Buchhändler hätte ich Bauchschmerzen, denn Verkaufen passt nicht zur Idee der sozialen Netzwerke", sagt Webanalyst und E-Commerce-Berater Jochen Krisch.


Für Verlage sieht er hingegen größeres Potenzial: "Wer seine Community gezielt über eine Neuveröffentlichung informiert, Aktionen startet, der kann sich sicher sein, dass die Fans den geposteten Text streuen" – womit zugleich der signifikanteste Aspekt der sozialen Netzwerke beschrieben wäre: die Kommunikation unter Gleichgesinnten.

Kommunikation im World Wide Web ist das A und O. Deswegen ist das Internet überhaupt erst entstanden. Mit dem Aufkommen der sozialen Netzwerke hat sich der Kommunikationskanal jedoch in eine andere Richtung geöffnet, sodass ein reger Austausch zwischen zwei oder mehreren Parteien stattfinden kann. Diesen Vorteil machen sich Verlage zunehmend zunutze, aber auch Händler werden immer aktiver.


Die Fans der Filialisten 

Hugendubel zum Beispiel kombiniert den Facebook-Auftritt mit einer Blog-App. Über 3.600 Fans haben schon mitgeteilt, dass ihnen die Präsenz gefällt. Auf Twitter folgen dem Unternehmen bereits mehr als 2.100 User. Einen Facebook-Shop hat Hugendubel bislang noch nicht integriert.

Diesen Schritt hat wiederum Thalia im Oktober vergangenen Jahres gewagt und mit über 2. 600 Fans (seit März 2010) eine riesige Community um sich herum versammelt. Die Teilnehmer können auf das komplette Online-Sortiment zugreifen.

Nach Angaben von Thalia steht dabei allerdings weniger der direkte Abverkauf über Facebook im Fokus. Dem Filialisten geht es eher darum, Artikel zu präsentieren und das Empfehlungsmarketing zu nutzen. Schließlich habe kaum ein User die Idee: "Ich brauche ein Buch, also gehe ich auf Facebook und kaufe dort ein."

Austausch ja, aber Einkaufen?

Ralf Biesemeier, Geschäftsführer des Dienstleistungsunternehmens Readbox Publishing, ist ebenfalls der Überzeugung, dass Netzwerk-User auf Facebook "gedanklich ganz woanders" sind – also nicht unbedingt Shopping im Sinn haben.

Einen bereits existierenden Shop eins zu eins auf Facebook zu übertragen, hält Karl-Friedrich Pommerenke, Geschäftsführer des Social-Media-Literaturportals triboox.de, ohnehin "für wenig sinnvoll". Das entspreche nicht den Er
wartungen der User: "Kunden wollen keine integrierten Shoplösungen, sondern Apps, wie zum Beispiel die Facebook-Anwendung von Trip Advisor." Über Empfehlungen der eigenen Freunde macht die App auf Hotels, Restaurants und andere relevante Aspekte aufmerksam.

Kontakte zum Leser  

Der Fachverlag NWB, der sich auf die Themen Steuerrecht, Wirtschaftsrecht und Rechnungswesen spezialisiert hat, hat seinen Facebook-Auftritt erst vor Kurzem gestartet und innerhalb von zwei Wochen über 1.000 Fans gewonnen.

Einen Facebook-Shop plant das Unternehmen jedoch nicht: "Uns geht es nicht darum, zusätzlich etwas zu verkaufen. In erster Linie wollen wir eine langfristige, vitale Beziehung aufrechterhalten", sagt Markus Backhoff, Werbeleiter bei NWB: "Von dem direkten Feedback kann das gesamte Unternehmen profitieren, etwa indem wir auf Verbesserungsvorschläge aus der Community eingehen."

Wünsche sammeln, Zuhören lernen

Die Kunden bei der Produktgestaltung einzubeziehen – das entspricht dem Prinzip des "user generated content", des von den Nutzern entwickelten Inhalts; mit dem feinen Unterschied, dass es sich hier um Produkte handelt, die auf diesem Weg optimiert werden. Reagiert ein Unternehmen auf die Community, auf deren Anregungen und Wünsche, entsteht eine neue Art der Beziehung, die auch die Firmenstruktur verändern kann.

Viele Verleger müssen das aber erst einmal verkraften, denn bislang war es nicht üblich, dass so viele Informationen innerhalb so kurzer Zeit von drinnen nach draußen, geschweige denn von draußen nach drinnen flossen.

Steffen Meier, der den Online-Bereich des Ulmer Verlags leitet, mahnt dazu, auf dem Boden der Tatsachen zu bleiben: "Es gibt Verlage, die überschätzen die Strahlkraft der eigenen Marke." Auch für ihn steht das Verkaufen in den sozialen Netzwerken auf keinen Fall an vorderster Stelle. In den Vordergrund rückt dagegen der Servicegedanke: "Firmen müssen ihren Kunden zuhören", so Ralf Biesemeier.

Chancen für das Sortiment

Welche Folgen hat das für den Handel? Simone Dalbert ist bei den Schöningh-Buchhandlungen angestellt und auch als Buchbloggerin tätig. Social-Media-Kanäle nutze das Unternehmen zwar noch nicht lange, räumt Dalbert ein – aber "die direkte Interaktion mit Lesern wird wohl weiterhin zunehmen".

Facebook ist der Ort, an dem auch der Kunde ist: "Kommt ihm gerade eine Frage zu einem Buch in den Sinn, muss er nicht erst nach der Homepage googeln und dann Kontakt aufnehmen", meint Dalbert: "Der Kunde bleibt auf der Site, auf der er ohnehin gerade ist, gibt im Suchfeld den Namen der Firma ein, bei der er das Gewünschte beziehen kann und stellt dort direkt seine Frage. Wenn wir es schaffen, dass er just in diesem Moment an uns denkt – dann ist das unsere Chance auf Facebook."

Zieht es die Community jetzt zu Google? 

Auch Twitter nutzen Händler und Verlage inzwischen zur Kommunikation, messen dem Kanal jedoch nur nachrangigen Stellenwert zu. Vor Kurzem hat nun auch Google das Feld der sozialen Netzwerke betreten und Google+ gestartet. Mitte Juli verkündete Google-Mitgründer Larry Page, dass sich weltweit bereits zehn Millionen Menschen angemeldet hätten. Bislang befindet sich die Plattform aber noch in der Testphase, sodass man über das Potenzial von Google+ nur spekulieren kann.

Klar ist: Geht es um Google, ist die Aufmerksamkeit immer groß. In diesem Fall umso mehr, da zahlreiche Firmen Erfahrungen mit Suchmaschinenmarketing haben. Google+ könnte sich zu einem wirkungsvollen Instrument für Unternehmen entwickeln. Letztlich stellt sich aber auch hier die Frage, welchen Mehrwert man der Community tatsächlich bieten kann.

Was bringt Social Commerce? Und was wollen die Nutzer? boersenblatt.net hat mit Dennis Landau darüber gesprochen. Landau ist Spezialist für Online-Marketing bei der Agentur Unique Digital in Hamburg. Das Interview gibts hier.