FAQ zur Transportkooperation von KNV und Umbreit

Fahren und sparen

20. Februar 2017
von Börsenblatt
KNV und Umbreit wollen den Bücherwagendienst zurück auf die Überholspur schieben, Kosten reduzieren, das gesamte System der Übernachtbelieferung wirtschaftlicher machen. Was sie vorhaben, was Verlagsauslieferungen denken und wie Libri hier die Kurve kriegt: ein FAQ von boersenblatt.net. 

1_Wann geht es los? 

Die Kooperation soll im zweiten Quartal 2017 starten – die beiden Barsortimente fahren Verlagsauslieferungen dann gemeinsam an und liefern auch an ihre Kunden im Buchhandel gemeinsam aus. 

2_ Ändern sich die Konditionen für Buchhändler?

Das scheint nicht geplant zu sein. „Die bestehenden Vereinbarungen zwischen dem Buchhandel und KNV bzw. Umbreit werden in keiner Weise betroffen sein“, verspricht KNV-Geschäftsführer Oliver Voerster. „Die separaten und individuellen Abrechnungen bleiben wie bisher bestehen.“

In anderer Hinsicht muss der Buchhandel allerdings durchaus mit Korrekturen rechnen, wenn auch nicht flächendeckend: 

  • Da beide Unternehmen ihre Touren zusammenlegen, ändert sich zum Teil die Reihenfolge, in der Buchhandlungen angefahren werden. Nichtsdestotrotz, so Voerster: "Auch wenn dadurch ein Teil der Kunden früher oder später angefahren wird, ist es die Zielsetzung, die Anforderungen unserer Kunden weiterhin einzuhalten."
  • Für das gesamte KNV-Umbreit-Transportnetzwerk soll es fest definierte Abfahrtszeiten geben – damit bei der Regelzustellung keine Lücken entstehen. Kommt es einmal doch zu Abweichungen, etwa weil ein LKW den Umschlagplatz nicht rechtzeitig erreicht, wollen die zwei Barsortimente sogenannte Sonderzustellungen organsieren, von denen aber, wie Voerster betont, „die Normalzustellung nicht tangiert sein wird.“ 
  • Die meisten Veränderungen wird es wohl für die Tourenorganisation in der südlichen Hälfte Deutschlands geben – also dort, wo Umbreit für die Kooperation unterwegs ist (siehe auch Frage 4: Auf was müssen sich die Logistikdienstleister der beiden Unternehmen einstellen?).  
  • Interessant für alle, die den Bücherwagendienst von KNV und Umbreit nutzen: Alles soll transparenter werden – Stichwort Sendungsverfolgung. Alle Sendungen würden künftig auf ihrem Transportweg an den relevanten Verteilstellen gescannt, so dass sich der Lieferstatus prüfen lasse. 

3_Liefert Umbreit für KNV auch in die Schweiz und nach Österreich? 

Die Kooperation konzentriert sich auf die Liefergebiete in Deutschland – die Schweiz und Österreich bleiben außen vor. Wie sich die Barsortimente letztlich im süddeutschen Raum bewegen, wer für welche Gebiete federführend zuständig sein wird, steht noch nicht hundertprozentig fest. „Bei einer sinnvollen Aufteilung werden die Kapazität und Qualität der bestehenden Dienstleister entscheidend sein“, sagt Voerster und erklärt: KNV habe noch einige fest angestellte Fahrer, die „in einer angepassten Tourenorganisation die Volumina von Umbreit mitnehmen und ausliefern“.

KNV und Umbreit schicken Bücherwagen künftig gemeinsam los – sie fahren Standorte nicht mehr doppelt an. Die Folge: Die Firmen, die bisher in ihrem Auftrag unterwegs sind, haben weniger zu tun. "Dabei nehmen wir selbstverständlich Rücksicht auf die bestehenden Strukturen unserer Transportorganisationen", kündigt Voerster an; Clemens Birk, Geschäftsführer bei Umbreit, erklärt: "Durch die Zusammenlegung der Touren werden sich im Netz der Dienstleister sicherlich Veränderungen ergeben." 

5_Wie viel lassen sich KNV und Umbreit ihr Logistikprojekt und ihre neuen Regionalhubs kosten?

Der Bücherwagendienst ist defizität, Kosten zu sparen steht bei dem Projekt deshalb an erster Stelle - doch es wird auch investiert: Umbreit will einen siebenstelligen Betrag für eine, wie es heißt, „hochmoderne und leistungsfähige Fördertechnik“ in Bietigheim-Bissingen ausgeben, KNV plant Investitionen in sechsstelliger Höhe. Dafür baut das Unternehmen in Unna (Nordrhein-Westfalen) einen neuen Standort auf – als Regionalhub. 

  • Mit an Bord ist bei KNV ein Dienstleister aus Unna, der schon seit Jahren für KNV im Einsatz ist, der Verlagsbeischlüsse abholt und Transporte zwischen den KNV-Depots übernimmt. Laut Oliver Voerster muss das Barsortiment in der Stadt nicht von Null anfangen: KNV kann für seinen neuen Regionalhub eine bestehende Halle nutzen (2.000 Quadratmeter), baut noch eine Sortieranlage ein.    
  • Der Regionalhub bei Umbreit soll im zweiten Quartal 2018 fertig sein. 

6_Entsteht  der Kostendruck durch mangelnde Auslastung? 

Oliver Voerster und Clemens Birk nennen dazu keine detaillierten Zahlen, betonen aber, dass die rückläufigen Volumina bei der Diskussion um eine Optimierung der Logisitikwege gar nicht so sehr im Zentrum standen. „Das Hauptproblem war nicht die Auslastung, sondern dass die Kosten im Transport schneller gestiegen sind als die Einnahmen“, so Voerster. 

Für Umbreit ist die Lage ähnlich. Auslöser für die Probleme beim Bücherwagendienst seien die Maut, steigende Dieselpreise und Auflagen im innerstädtischen Verkehr, meint Clemens Birk - und spricht von "erheblichen Belastungen". 

Nebensächlich waren Auslastungsfragen für die Planung der Kooperation aber sicher nicht – auch für sie musste eine Lösung her: Weil sich die Gesamtzahl der Buchhandlungen in Deutschland deutlich verringert habe, hätten sich die Wege zwischen den Abladestellen verlängert, so dass Touren teilweise schlechter ausgelastet seien, beschreibt Birk die Situation. „Da zusätzlich das durchschnittliche Gewichtsaufkommen pro Kunde stagniert, sind steigende Auftragsvolumina daher nur durch neue Akquisitionen erreichbar.“ 

7_Wie kam es zu der Kooperation? Hätte KNV sein Transportnetz nicht auch allein perfektionieren können? 

Die Kooperation hat eine längere Vorgeschichte, zumindest für KNV. Schon während der Planung für Erfurt – verkündet wurde der Bau des Logistikzentrums 2012 –, gab es Oliver Voerster zufolge erste Überlegungen, neben dem zentralen Hub in Erfurt noch je einen regionalen Umschlagplatz in Unna und in Süddeutschland aufzubauen. „Lange haben wir an der A81 vor Stuttgart zwischen Ludwigsburg und Pleidelsheim nach einer passenden Halle gesucht“, berichtet er – ohne Erfolg.  

Dann kam Umbreit ins Spiel, durch Zufall, wie Voerster sagt. Umbreit habe seinen Warenausgang ebenfalls erneuern wollen – und so sei man schließlich zusammengekommen. Voerster: „Die Gespräche zum Aufbau und zur Kooperation im Bereich Regionalhub entwickelten sich so positiv, dass daraus dann deutlich mehr wurde: eine umfassende Transportkooperation.“ 

Dass sich beide nicht mehr als Wettbewerber sehen, sondern als Partner, dass sie die Gemeinsamkeiten höher gewichten als die Unterschiede: Für manche in der Branche ist das überraschend – für KNV und Umbreit aber wohl nur der Schnee von gestern. „Beide Unternehmen sind Familienunternehmen, die Inhaber beziegungsweise Geschäftsführer kennen sich persönlich seit Jahrzehnten, verstehen sich gut und vertreten gemeinsame Werte“, erklärt Voerster. „Neben der passenden Chemie sind die jeweiligen  Zusatzvolumina in der Distribution für beide Kooperationspartner sehr interessant.“

8_Was kommt danach? Ist das Projekt bloß der Auftakt für eine größere Kooperation? 

Dazu gibt es von Clemens Birk eine knappe, klare Antwort: Nein.  

9_Lässt sich der Bücherwagendienst für KNV und Umbreit jetzt wieder rentabel betreiben, zumindest kostendeckend? 

Darauf ist die Kooperation zwar abgestimmt, doch beide bleiben vorsichtig: Nicht jeder Faktor lässt sich beeinflussen. Voerster dazu: „Inwieweit die Erwartungen an die Rentabilitätsentwicklung erfüllt werden, hängt nicht nur von der erfolgreichen Umsetzung der Kooperationsinhalte ab, sondern auch von der Entwicklung des Buchmarkts und der weiteren Kostenentwicklung im Transportgewerbe.“ 

10_Wie nimmt Libri die Kurve? 

Einfach weiter Gas geben – das funktioniert auch bei Booxpress nicht mehr, dem Bücherwagendienst von Libri. Nach Angaben von Geschäftsführer Eckhard Südmersen schraubt das Unternehmen schon seit Jahren an seinen Prozessen, entwickelte eine "Strategie zur Optimierung der Touren". Diese sieht vor, die Touren in allen Zustellgebieten kontinuierlich zu prüfen: "Dafür arbeiten wir mit spezialisierten Transportdienstleistern zusammen, die eine langjährige Erfahrung mitbringen", erklärt er. 

Wie diese Prüfung abläuft: Eine Software zeichnet die Fahrten en détail auf, darüber hinaus überwacht ein GPS-Tracking die tägliche Auslieferung der Tourenfahrzeuge. In einzelnen Zustellgebieten habe man auf diese Weise bis zu 10 Prozent der Kilometerleistung eingespart. 

Optimiert hat das Barsortiment aber auch die Auslastung – Libri fährt längst auch für Händler anderer Branchen, die auf die Vorteile der Übernachtlogistik setzen. Südmersen: "Dies führt zu weiterem Optimierungspotenzial und sichert die Leistungsfähigkeit und Finanzierbarkeit des Bücherwagendienstes Booxpress auch in der Zukunft."

Umfrage unter Verlagsauslieferungen: Mit welchen Folgen rechnen Sie? 

Jochen Mende, Prolit: "Unseren Kunden in den betroffenen Regionen würden wir verstärkt unsere schnelleren und kostengünstigeren Versandmodelle empfehlen"

"Ist das ein weiterer Schritt in Richtung Duopol bei den Barsortimenten? Ich habe für das Projekt eher wenig Verständnis. Dass der Umzug von KNV nach Erfurt zu Problemen bei der Belieferung vor allem der Kunden im Südwesten führen würde, war absehbar. Auch dass hierfür höhere Kosten anfallen. Bereits Mitte letzten Jahres wurden uns, den Verlagen und Auslieferungen, die von KNV berechneten 'Einholgebühren' extrem stark erhöht. 

Bisher wurden wir nicht informiert, ob auch bei uns (oder anderen zentral gelegenen Auslieferungen) die 'Verlagseinholung zusammengeführt' werden soll. Sollte das beabsichtigt sein, bedeutet es längere Laufzeiten für die Kunden im süddeutschen Raum. Zum Beispiel würde sich, wenn Lieferungen nach Bietigheim über Erfurt gerouted werden, die reine Fahrzeit auf rund sieben Stunden fast verdreifachen. Ob ein solcher Umweg ökonomisch und ökologisch Sinn macht, ist zumindest fraglich. Unseren Kunden in den betroffenen Regionen würden wir verstärkt unsere schnelleren und kostengünstigeren Versandmodelle empfehlen."

Stephan Schierke, Arvato / VVA: "Eine monopolistische Struktur kann nicht erstrebenswert sein" 

"Bei mir kommen Erinnerungen an frühere Kooperationsversuche hoch, beispielsweise HERA/Libri, Libri/KNV, Libri/trans-of-flex. Trotz der Unterschiede gab es bei all diesen Ansätzen ein gemeinsames Ziel: die Optimierung der Prozesse. Und genau darum geht es bei der Kooperation von Umbreit und KNV jetzt auch. 

Verständnis für die Kooperation habe ich absolut, denn parallele Strukturen bei tendenziell rückläufigen Mengen erfordern neue Ansätze. Ich denke, dass KNV und Umbreit hier trotz der Wettbewerbssituation einen guten Ansatz gefunden haben.  

Ich erwarte eine insgesamt bessere Leistung mit konkreten Vorteilen im Bereich Geschwindigkeit und Umweltfreundlichkeit. Auch rechne ich mit stabilen Preisen durch die erzielten Einsparungen. Meine größte Sorge ist, dass durch die Hintertür Aufwand an uns als Verlagsauslieferung verlagert wird, konkret durch zusätzlich notwendige Sortiertätigkeiten. Gleichwohl bin ich sehr zuversichtlich, dass wir im Gespräch über die Details eine insgesamt gute Lösung zum Vorteil aller Branchenteilnehmer finden werden." 

Dieter Seggewiß, Runge VA: "Im Grundsatz ist das Projekt zu begrüßen"

"Mir liegt noch keine offizielle Info der beiden Kooperationspartner vor – daher kann ich dazu noch keine Stellungnahme abgeben und/oder Wirkungen/Auswirkungen einschätzen. 

Im Grundsatz ist die Optimierung und Reduzierung des Verkehrsvolumens meines Erachtens aber zu begrüßen. Und richtigen Wettbewerb gab's in diesem Marktsegment seit vielen Jahren ja eh nicht mehr. Zumal der Handel – warum auch immer - den Vorteil der Nachzustellung durch die Bücherwagendienste immer noch höher bewertet als die vielen anderen Vorteile der klassischen Paketdienste."

Bernd Weidmann, Die Werkstatt Verlagsaus­lieferung: "Die Branche braucht den Wettbewerb, aber sie braucht ihn nicht auf der Straße."

"Die Kooperation ist ein Schritt in die richtige Richtung, für KNV und Umbreit wie für die gesamte Branche. Warum nicht auch Libri / Booxpress mit ins Boot holen? Die Branche braucht den Wettbewerb zwar, aber sie braucht ihn nicht auf der Straße."