Frankreich

Buchhandel in der Krise

6. Juli 2015
von Johannes Wetzel
Frankreichs Buchhandel hat zu kämpfen: Unabhängige Buchhändler und Filialisten schließen, die verbandseigene E-Commerce-Lösung 1001libraires.com ist gescheitert. Die Regierung will offensiv gegen Amazons Steuerpraxis vorgehen. Eine Marktanalyse von Johannes Wetzel.

Dass sich Frankreichs kleine, zumal inhabergeführte Buchhandlungen in einer anhaltenden Existenzkrise befinden, verwundert niemanden. Denn in keiner anderen Branche ist die Rentabilität so gering. Aber auch die großen Kulturkaufhäuser FNAC und Virgin Megastore kämpfen heute ums Überleben: Am 9. Januar musste Virgin Megastore mit mehr als 20 französischen Geschäften Konkurs anmelden. Das Unternehmen soll 22 Millionen Euro Schulden haben.

2001 hatte die französische Lagardère-Gruppe die Megastores von der Virgin-Gruppe gekauft. Lagardère besaß bereits zehn Multimedia-Shops mit dem Namen Extrapole, die in Megastores umgewandelt wurden. Außerdem besaß Lagardère die Buchhandelskette "Le Furet du Nord". Lagardère verkaufte 2008 die inzwischen 34 Virgin-Megastores und zwölf Buchhandlungen der Marke "Le Furet du Nord" an Butler Capital. Butler wiederum verkaufte 2008 "Furet du Nord" an die Bank Crédit Agricole. Nun bleiben vier Monate, um einen Käufer für die verbliebenen Virgin-Filialen zu finden. Frankreichs Kulturministerin Aurélie Filippetti erklärte jetzt in einem Interview mit dem Fachblatt "Livres hebdo", es gebe Interessenten – von der Cultura-Kette ist die Rede, die bereits über 52 Läden in Frankreich verfügt.

Auch das französische Kulturkaufhaus FNAC steht unter Druck: Der Eigentümer-Konzern Pinault-Printemps-Redoute (PPR) will sich auf den Luxusgüter-Sektor konzentrieren. Zwar ist die FNAC Marktführer, aber sie verzeichnete 2011 einen Umsatz-Rückgang um 3,2 Prozent auf 4,16 Milliarden Euro (davon entfielen laut Statista 19 Prozent auf Bücher und Schreibwaren). Weil PPR keinen Käufer fand, kündigte der Konzern im Oktober den Börsengang der FNAC für 2013 an. FNAC-Chef Alexandre Bompard plant gleichzeitig Einsparungen von 80 Millionen Euro – insbesondere durch Streichung von 300 der elftausend Stellen in Frankreich – und die Einrichtung von kleineren Verkaufsflächen an Bahnhöfen und Flughäfen sowie in kleineren Städten.

Wenn den Grossen das Wasser am Hals steht, sind die Kleinen schon untergegangen: Im Sommer verschwand die Buchhandlung "Charlemagne" im Pariser Marais-Viertel, im November die "Librairie Del Duca" auf den "Grands Boulevards", im November die Architektur-Buchhandlung der "Moniteur"-Gruppe am Odeon-Theater. Die Universitätsstadt Besançon verlor 2012 ihre mit 1.500 Quadratmetern wichtigste Buchhandlung Camponovo, Toulouse die emblematische Buchhandlung "Castéla".

Buchhändlerverband glaubt an bessere Zeiten

Guillaume Husson, Geschäftsführer des Buchhändlerverbands Syndicat de la Librairie Française (SLF) will dennoch nicht von einem überdurchschnittlich schlechten Jahr 2012 sprechen. Auch wenn sich der Rhythmus der Geschäftsaufgaben etwas beschleunigt habe, ändere sich an den Grunddaten nichts: "Den zwei- bis dreihundert Schließungen stehen ebensoviele Neueröffnungen und Geschäftsübernahmen gegenüber", sagt Husson. Insgesamt gebe es in Frankreich unverändert 50.000 Buch-Verkaufsstellen, darunter gut 3.000, die ihren Umsatz hauptsächlich mit Büchern machen. Davon wiederum seien 1.000 echte Buchhandlungen.

Eine französische Alternativen zu Amazon ist die Internet-Buchhandlung chapitre.com. Hinter dem französischen Amazon-Portal und FNAC.com ist Chapitre heute die Nummer drei auf dem Markt. Das Internetportal kann sich auf 57 Chapitre-Buchhandlungen stützen, die auch als Auslieferungsstellen fungieren, und hat eine E-Book-Sparte mit 100.000 elektronischen Titeln eröffnet. Gut gehen auch die Portale decitre.com und gibertjoseph.com, beide geschaffen von großen, unabhängigen Buchhandlungen, sowie das Portal Lalibrairie.com, ein Buchversand mit rund 800 Auslieferstellen.

1001libraires.com nach einem Jahr am Ende

Das  im April 2011 gegründete Portal 1001libraires.com aber, der vom Buchhändlerverband Syndicat de la Librairie Française (SLF) initiierte gemeinsame Auftritt unabhängiger Buchhandlungen, musste schon ein Jahr nach dem Start aufgeben. Die Geldgeber – neben dem SLF auch die für Buchförderung zuständige Agentur des Kulturministeriums "Centre National du Livre", die private, von den Verlegern finanzierte Buchhandelsförderung ADELC sowie knapp 50 als Aktionäre beteiligte Buchhandlungen – standen vor einem Schuldenberg. Denn 1001libraires  – technisch unausgereift, kostspielig, unrentabel und zu teuer für die kleinen Buchhandlungen  – war es nie gelungen, auf dem Markt sichtbar zu werden. Zuletzt, so Guillaume Husson, waren rund 360 Buchhandlungen zahlende Mitglieder. Seiner Ansicht nach scheiterte 1001libraires.com an der Komplexität der Aufgabe: Der Kunde sollte das gesuchte Buch in einer nahegelegenen Buchhandlung geo-lokalisieren können; er sollte es sich notfalls aus einem Zentrallager zusenden lassen können; und er sollte ein Angebot an ebooks finden.

Kunden, die ein Werk in einer Buchhandlung orten wollen, stehen nun wieder vor mehreren kleinen Portalen wie Leslibraires.fr, Placedeslibraires.fr oder Librest.com. Husson kündigt ein weiteres Netzwerk und vor allem ein gemeinsames "Schaufenster" an. Das E-Book-Geschäft aus "1001libraires" soll ein geplantes Portal "mo3t" übernehmen.

Filipetti will gegen Amazons Steuerpraxis vorgehen

Kulturministerin Aurélie Filippetti kündigte in "Livres hebdo" einen Bericht über Gründe des Misserfolgs von 1001libraires an und versprach für den Pariser Buchsalon im März einen neuen Plan zur Förderung der Buchhandlungen, denen sie zwei Prozentpunkte zusätzlicher Rendite verschaffen will. An den laufenden Konsultationen dafür werden die Kulturkaufhäuser beteiligt. Sie seien in vieler Hinsicht "mit derselben Problematik" wie jede Buchhandlung konfrontiert. Das Problem heiße Amazon. Gegen die "unfaire Konkurrenz" von Amazon, das "die steuerlichen Bestimmungen" für in Frankreich ansässige Unternehmen nicht respektiere, will die Ministerin offensiv zu Felde ziehen.