Gastland Rumänien

"Mit dem Rücken in die Zukunft gestartet"

19. März 2018
von Holger Heimann
Vier Tage lang präsentierte sich das Gastland Rumänien auf der Leipziger Buchmesse. Die Autoren beklagen mangelnde Unterstützung seitens der Heimat, kommen beim hiesigen Publikum aber gut an: Beobachtungen von

Als Rumänien vor 20 Jahren erstmals Gastland der Leipziger Buchmesse war, reisten der damalige Präsident Emil Constantinescu, Außenminister Andrei Pleșu und Kulturminister Ion Caramitru nach Leipzig. "Es gab eine Aufbruchseuphorie damals", sagt der Übersetzer Ernest Wichner, einer der besten Kenner der rumänischen Literatur hierzulande. Heute hingegen seien die Erwartungen geschrumpft, die Autoren ernüchtert. Der Staat verachte die Literatur.

Wenig Unterstützung für die Autoren

In diesem Jahr kam der rumänische Außenminister Teodor Melescanu nach Leipzig. Er hielt zur Eröffnung der Messe im Gewandhaus eine uninspirierte Rede, die eher wie ein Entwurf anmutete. Die rumänischen Organisatoren des Messeauftritts winken – angesprochen auf den Auftritt des Politikers – bloß ab, manche sagen auch, sie hätten sich geschämt. Die Projektleiterin Iona Gruenwald beklagt, dass es generell zu wenig Unterstützung aus der Heimat gäbe. "Es wird über die Leipziger Buchmesse nicht aktuell berichtet in den Zeitungen in Rumänien. Die Menschen zu Hause können sich nur über Facebook ein Bild davon machen, was hier passiert."

Und das ist schade, denn es passiert eine ganze Menge. Die rumänischen Autoren, die wenig Unterstützung von offizieller Seite erfahren, kommen an beim Leipziger Publikum. Für die junge Lavinia Branişte ist es die erste Auslandsmesse überhaupt – mitfinanziert vom Goethe-Institut. Ihr zweiter Roman "Null Komma Irgendwas" (auf Deutsch bei Mikrotext) über eine junge orientierungslose Frau in Bukarest scheint auch das deutsche Publikum zu begeistern. Ungläubig steht Branişte bei ihrer deutschen Verlegerin Nikola Richter. "Ich kann das alles noch gar nicht richtig fassen", sagt sie. Ein Exemplar des Buches ist gestohlen worden – es scheint so, dass sich beide darüber eher freuen.

Schriftsteller und Politiker in einer Person 

Für Varujan Vosganian ist der Leipzig-Auftritt eher Routine. Der Mann, das ist zu spüren, schätzt das Rampenlicht. Kein Wunder, Vosganian war Finanz- und Wirtschaftsminister seines Landes, später Minister für Handel- und Industrie. Noch immer sitzt er für die Liberalen, die zusammen mit den Sozialdemokraten die Regierung bilden, im rumänischen Parlament. Sein Roman "Buch des Flüsterns" über das Schicksal der Armenier hat ihn international bekannt gemacht. Im Gespräch mit seinem Übersetzer Ernest Wichner stellt er in Leipzig seinen neuen Erzählband "Als die Welt ganz war" vor, der das lastende Erbe der kommunistischen Diktatur in Rumänien umkreist.

Aber was heißt Buchvorstellung – Vosganian liebt es, vor großem Publikum zu reden. So klärt er darüber auf, was es bedeutet, gleichzeitig Politiker und Schriftsteller zu sein: "Es ist nicht mein Problem, sondern das der Öffentlichkeit. Die Menschen sind nicht darauf vorbereitet, das Image des Autors von dem des Politikers zu trennen." Und er umreißt die Transformationsperiode in Rumänien: "Wir hätten nicht zuerst Antikommunisten sein sollen, sondern Modernisierer. Aber wir sind mit dem Rücken in die Zukunft gestartet, deshalb hat Rumänien das erste Jahrzehnt der Übergangszeit verloren." Die Erzählungen sprechen indes eine andere Sprache und machen deutlich, dass eine Verständigung über die Vergangenheit notwendig ist. Zwischendurch klingelt Vosganians Handy, wenig später liest er in aller Ruhe eine Nachricht. Die Leipziger Buchmesse ist für ihn bloß Nebenbühne.

Mihuleac als Liebling des Feuilletons

Von Catalin Mihuleac kann man das nicht behaupten. Im Gegenteil: Mihuleac hofft mit seinem Roman "Oxenberg & Bernstein" auf den internationalen Durchbruch. In Rumänien ist er für das Buch, das an das antisemitische Pogrom in der rumänischen Kulturstadt Iasi im Sommer 1941 erinnert, angefeindet worden. In Deutschland werde das Buch ein Erfolg, sagt er und malträtiert dabei einen Kaugummi. Für Mihuleac soll die Leipziger Buchmesse ein Sprungbrett sein, um aus der Unbekanntheit und einer prekären Schriftstellerexistenz herauszukommen. Die großen deutschen Feuilletons haben Mihuleac zum Star der rumänischen Präsentation – mit insgesamt mehr als 40 Neuübersetzungen – erkoren; Zsolnay hat die Taschenbuchrechte bereits an btb verkauft.

Manche persönlichen Träume könnten tatsächlich in Erfüllung gehen.