Gastspiel: Michael Kozinowski

Zukunft im Spagat

29. November 2018
von Börsenblatt
Der Kreis der unabhängigen RWS-Buchhandlungen ist zwar kleiner geworden, aber es gibt sie noch: Michael Kozinowski aus Wuppertal brachte ein Umzug auf eine zündende Idee für neues Wachstum.

Die Zukunft hat für uns begonnen, als die Digitalisierung im RWS-Umfeld gerade erst richtig losging, vor 20 Jahren. Ohne da schon zu wissen, was in dieser Hinsicht auf uns zukommen würde, trafen wir eine Entscheidung: Durch unseren Umzug innerhalb von Wuppertal waren wir plötzlich zu einer sichtbaren Buchhandlung geworden und mussten uns verändern.
Mackensen blieb zwar Mackensen, verfügte anders als vorher aber nun über einen ebenerdig begehbaren 200 Quadratmeter großen Raum mit riesigen Schaufenstern. Wir ergänzten deshalb unseren RWS-Schwerpunkt um immer mehr Titel aus dem allgemeinen Sortiment, hatten damit bei Kunden auch einen riesigen Erfolg – die Barumsätze stiegen zweistellig. Bis heute gab es nicht einen Tag, an dem ich den Entschluss, unser Fachsortiment mit Publikumsthemen zu kombinieren, bereut habe. Das Konzept geht auf.

Neue Kunden, neues Profil: Mit Anwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern erwirtschafteten wir vor dem Umzug rund 70 Prozent unseres Rechnungsumsatzes. Dass sich die Lage geändert hat, wird niemand überraschen: Aktuell liegt ihr Anteil bei noch etwa 50 Prozent. Dabei haben wir die meisten Steuer­berater als Kunden eigentlich längst verloren – sie werden von ­großen Anbietern wie Datev auf digitalem Weg vollumfänglich versorgt. Da können wir nur schwer mithalten: Im Verhältnis zum Ertrag ist der Aufwand, bei digitalen Angeboten kompetent zu beraten, einfach zu groß geworden.

Nach wie vor gute Kunden sind Rechtsanwälte, weil sie auf das Gedruckte angewiesen sind – sie kaufen jetzt allerdings anders ein. Früher stand in unserer RWS-Abteilung ein grünes Sofa mit einer Jura-Kaffeemaschine daneben, da sich unsere Kunden mittags gern hier trafen, um sich über ihre Fälle auszutauschen und Kommentare zu prüfen. Das hat sich komplett verändert: Anwälte kommen nur noch selten in die Buchhandlung, sie rufen uns entweder an oder schicken ihre Bestellungen über Whatsapp und E-Mail – in der Erwartung, dass wir die von ihnen benötigten Titel möglichst kurzfristig vorbeibringen. Und das machen wir auch: Wir liefern zwei Mal pro Tag aus, jeweils am Vor- und am Nachmittag. Dieser Service wird sowohl von Anwälten als auch von Wuppertaler Firmen, die bei uns Kunde sind, gern genutzt.

Zum Laden selbst: Rein optisch sieht man es kaum noch, dass wir auch eine RWS-Fachbuchhandlung sind. In den vergangenen Jahren ist die entsprechende Abteilung sukzessive kleiner geworden – und das auch, weil sich immer mehr Verlage vom Standing-Order-Verfahren verabschieden. Mag sein, dass ihnen der Aufwand für die Bearbeitung der Remittenden zu hoch ist – schade finde ich es trotzdem: Kunden kann man nur Bücher verkaufen, die sie auch sehen. Da sollte es neue Verabredungen geben, denn es ist wichtig, dass sich Buchhandlungen, wie das bei einer Standing Order gegeben war, auch mal Titel ohne Risiko hinstellen können. Im allgemeinen Sortiment erlebe ich, was das bringt. Beispiel Wagenbach: Seit Jahresbeginn haben wir im Eingangs­bereich ein ganzes Regal mit den roten Leinenbänden des Verlags, und es ist wirklich phänomenal, welche Stückzahlen sich dadurch verkaufen lassen.

Das Bargeschäft in den Nicht-RWS-Segmenten hat sich bei uns wunderbar entwickelt. Wir pflegen ein etwas gehobeneres Niveau, auch preislich, und fahren gut damit. Dazu organisieren wir unfassbar viele Veranstaltungen. Stadtbibliothek, Bildungswerk, die Kirche – alle sind auf uns zugekommen und arbeiten mit uns zusammen. Letztlich gab dieses Engagement wohl auch den Ausschlag dafür, uns den Deutschen Buchhandlungspreis zu verleihen (2018 zum zweiten Mal). Wir freuen uns darüber sehr!