Gastspiel von Uwe Globisch

Verbinden statt trennen

25. Februar 2016
von Börsenblatt
Mit Blick auf die politische Großwetterlage sollten sich die großen Weltreligionen eher auf das Gemeinsame konzentrieren. Ein nachdenklicher Zwischenruf von Kösel-Programmleiter Uwe Globisch.

Theologisch gesehen ist es durchaus interessant, die Eigenheiten und Unterschiede der Religionen zu betrachten. Politisch aber muss es nun darum gehen, die Gemeinsamkeiten der drei abrahamitischen Religionen sichtbar zu machen, schließlich berufen sich ja alle drei – Christentum, Judentum und Islam – auf Abraham. Die Flüchtlingskrise und brutalen Kriege im Nahen Osten, der weltweite Terror, der Europa mittlerweile ganz erreicht hat, bringen es mit sich, dass die Unterschiede in den Religionen wieder stärker in den Fokus kommen. Meines Erachtens ist es gerade vor dem Hintergrund dieser schwierigen politischen Situationen von entscheidender Bedeutung, wieder das Gemeinsame zu betonen, um einer konfrontativen Auseinandersetzung die Stirn zu bieten. Wünschenswert ist zudem, dass die erwachsenden Einsichten zu einer Rückbindung und Rückerinnerung an Abraham als Stifter der drei monotheistischen Religionen führen. Es geht immer auch darum, das starre Festhalten an Tradi­tionen aufzubrechen und zu einem respektvollen Umgang auf Augenhöhe zu gelangen.
Die Politik von Papst Franziskus ist in diesem Prozess von maßgeblicher Bedeutung, das zeigt zuletzt sein Treffen mit Kyrill I., dem Vorsteher der russisch-orthodoxen Kirche, übrigens das erste Treffen dieser zwei Oberhäupter seit dem ­Schisma von 1054. Gerade in der aktuellen Gemengelage muss es den Religionen darum gehen, das Verbindende zu betonen, um dem ohnehin schon vorhandenen Trennenden die Stirn zu bieten.
Wir beobachten – auch jenseits der seit Langem anhaltenden Islamismus-Debatte – momentan im Buchmarkt ein wachsendes Interesse am Islam als Religion. Die höheren Absatzzahlen erreichen derzeit eher Bücher, die sich kritisch mit dem Islam auseinandersetzen und eine pointierte These formulieren. Es gibt aber auch ein wachsendes Interesse bei Rezensenten und Lesern an stilleren Büchern, die ohne jede Zuspitzung etwa die Mystik und gelebte Spiritualität des Islam und der anderen Religionen zum Thema haben. Wichtig ist, dass Expertise und Botschaft der Autorinnen und Autoren übereinstimmen. Wie in anderen Bereichen des Fach- und Sachbuchs orientiert sich das Publikum auch hier an bekannten Namen. Auf alle Fälle ist es positiv, dass immer mehr islamische Gelehrte deutscher Sprache und muslimische Autoren öffentlich Gehör finden, etwa Navid Kermani und Lamya Kaddor.
Ferner ist spürbar, dass sich die Muslime in Deutschland stärker mit ihrer Religion auseinandersetzen. Das mag auch daran liegen, dass sie heutzutage nicht mehr in erster Linie als Angehörige ihrer Herkunftsnation, sondern stärker als Mus­lime wahrgenommen und angesprochen werden. Dieser Trend geht in beide Richtungen: Zum einen findet eine Selbstvergewisserung statt, was den eigenen Glauben anbelangt, gleichzeitig wird der Blick geweitet für das Gemeinsame, Einende in den Religionen.
Bei unserem Zielpublikum, das am interreligiösen Dialog interessiert ist, sind wir hoch angesehen als verlegerische Heimat vieler religiöser Denker verschiedenster Richtungen. Das sind Menschen, die unabhängig von der konkreten Religionszugehörigkeit ein religiöses Erleben und eine spirituelle Sehnsucht verbindet und die den Austausch als Bereicherung empfinden. Zwischen der christlich-jüdischen Tradition und den fernöstlichen Religionen findet dieser inspirierende Austausch seit vielen Jahren statt. In diese Begegnung möchten wir den Islam gern hineinnehmen.