Hotlist 2013

„Eine Wörterbuchfamilie“

12. Oktober 2013
von Börsenblatt
Das Netzwerk der Independent Verlage und der Verein der Hotlist haben am Freitagabend im Literaturhaus Frankfurt die zehn besten Bücher des Jahres aus kleinen Verlagen präsentiert. Ausgezeichnet wurde der Weidle Verlag aus Bonn für die Novelle „Die Manon Lescaut von Turdej“ von Wsewolod Petrow. Abbas Khider holte für die Edition Nautlius den Melusine-Huss-Preis.
Auf die in diesem Jahr extrem starke Hotlist der unabhängigen Verlage gewählt zu werden, ist an sich schon eine tolle Auszeichnung. Dennoch war die Spannung im Frankfurter Literaturhaus groß, wer bei den Hotlist-Preisen am Ende die sprichwörtliche Nasenlänge vorn sein würde.

 

Der mit einem Druckgutschein der Freiburger Graphischen Betriebe im Wert von 4000 Euro dotierte Melusine-Huss-Preis ging an die Edition Nautilus für Abbas Khiders Roman „Brief in die Auberginenrepublik“. Die Hamburger widmeten den von Buchhändlerinnen und Buchhändlern vergebenen Preis ihrem Anfang Mai verstorbenen Verleger Lutz Schulenburg.
Den mit 5000 Euro dotierten Hauptpreis erhielt der Weidle Verlag (Bonn) für die Novelle „Die Manon Lescaut von Turdej“ von Wsewolod Petrow. Dem Spross einer Petersburger Adelsfamilie und sowjetischem Kunsthistoriker (1912-1978) gelang mit der 1946 entstandenen, jedoch erst 60 Jahre später posthum veröffentlichten Erzählung einer der schönsten Prosatexte der russischen Literatur des 20. Jahrhunderts. Mutig, mal wieder einen Autor auszuzeichnen, der keine TV-Auftritte mehr absolvieren kann.

Ins Deutsche wurde er in einer Art konzertiertem Familien-Unternehmen gebracht: Die Übersetzung stammt vom 1988 in Leningrad geborenen, 1991 mit seinen Eltern nach Deutschland übergesiedelten und derzeit in Frankfurt studierenden Daniel Jurjew. Die Eltern sind keine geringeren als Oleg Jurjew und Olga Martynowa, die letztjährige Bachmannpreis-Gewinnerin („Mörikes Schlüsselbein“). Von Oleg stammt das Nachwort, Olga steuerte einen Stellenkommentar bei. 

„Wir wollten schon immer ein Buch mit den beiden machen“, witzelte Verleger Stefan Weidle. „Jetzt mussten wir halt warten, bis ihr Sohn alt genug ist.“ – „Eine Bilderbuchfamilie“, tremolierte Moderator Carsten Otte, als der Preisverleihungs-Vorhang fallen und die heuer von türkischen DJs bespielte Party schon in die Startlöcher gehen wollte. Ein rosarot nettes, in diesem Fall aber in die Irre führendes Bild, das vom philologisch gestrengen Oleg Jurjew flugs präzisiert wurde: „Eine Wörterbuch-Familie“.