IG Belletristik- und Sachbuchverlage in München

Der digitale Konsument

12. Januar 2017
von Börsenblatt
Connectivity, Co-creation, Co-opetition: Der Trendforscher Peter Wippermann und der Journalist Gabor Steingart brachten die Teilnehmer der IG Belletristik- und Sachbuchverlage auf Digitalkurs.

Der Hamburger Trendforscher Peter Wippermann (Trendbüro) bestätigte den Verlegern in München zwar, dass sie für die Inhalteproduktion und -verbreitung nach wie vor relevant seien, in Zukunft aber wohl nur noch, wenn das Thema Digitalisierung entscheidend weiter vorangetrieben werde. Das Monopol der Medienproduktion und -verbreitung sei dank der technischen Entwicklungen der letzten 20 Jahre passé. Die Verleger müssten begreifen: "Software ist nicht mehr eine Addition des Bestehenden, sondern ermöglicht andere Geschäftsmodelle", so Wippermann.

Aus Marketing wird Societing

Papier zum Transport von Informationen ist für Wippermann ein Auslaufmodell. Schon heute ist das Internet für 20 - 39jährige Akademiker die wichtigste Nachrichtenquelle. Wie Marketing künftig funktioniert, erklärt er am Beispiel von Facebook-Gründer Mark Zuckerberg, der seine 84 Millionen Follower über Facebook an seinem Leben teilhaben lässt - und für seine neuen Projekte wirbt.

Die Zeiten, in denen der Praktikant sich um Facebook kümmert, sind in den meisten Verlagen vorbei. Der Einsatz für die sozialen Medien wird steigen: "Das Spektrum der Kanäle, die Sie nutzen können und nutzen müssen, nimmt außerordentlich zu. Das kostet viel Geld und Mitarbeiter", sagt Wippermann.

Das nächste große Ding steht für den Hamburger Trendforscher auch fest: Die Suche per Spracheingabe. Vorn dabei: Amazon Echo mit dem Sprachsystem Alexa − Campbell's bietet dort bereits Rezepte an, Kochbuchverlage müssen sich also fragen, wie sie in solchen Kosmen mitspielen können.

Wippermanns Ratschläge an sein Münchner Publikum:

  • vernetze dich mit deinen Fans - Connectivity
  • öffne dich der Schwarmintelligenz - Co-creation
  • verbünde dich mit IT-Unternehmen - Co-opetition

Journalismus heute

In der Verlagsgruppe Handelsblatt wurden diese Ratschläge offenbar bereits umgesetzt. Die Transformation vom Verlag zum Medienhaus hält Gabor Steingart, Vorsitzender der Geschäftsführung der Verlagsgruppe Handelsblatt und Herausgeber des Handelsblatts, auch in der Buchbranche für möglich. "Ich will den Verlagen − mehr als den Buchhandlungen − Hoffnung machen", beruhigte er zumindest die Verleger in München.

Am Anfang der Transformation der Handelsblatt-Gruppe stand: "Wir sind keine Tochtergesellschaft der Holzindustrie". "Alles Romantik", so Steingart, davon müssten sich auch die Verleger lösen. Auch das mit der Haptik sei grober Unfug, auch das iPad habe eine Haptik. Neues Motto für das "Handelsblatt": "Wir sind eine Gemeinschaft zur Verbreitung des wirtschaftlichen Sachverstands". Auf dieser Grundlage hat die Zeitungsgruppe vieles aufgebaut, zum Beispiel den Research-Bereich, ein umfangreiches Veranstaltungsprogamm, Leserreisen. Und auch für Steingart ist Information längst keine Einbahnstraße mehr. Ein Ergebnis davon: Der Begriff Abonnenten wurde durch Club-Mitglieder ersetzt. Der Transformationsprozess des Handelsblatts zum interaktiv agierenden Medienhaus scheint gelungen. Kleiner Wermutstropfen beim Umbau der Handelsblatt-Gruppe: Zehn Prozent der Mitarbeiter wurden durch andere mit Digitalkompetenz ersetzt.

Vom Verlag zum Medienhaus

Seine Idee für Verlage: Autoren vernetzen, im Gespräch halten, das Live-Erlebnis stärken. Buch veröfftlichen und auf das nächste warten − für Steingart nicht mehr zeitgemäß. Außerdem könnten Verlage den Live-Charakter von Autoren zelebrieren und dafür auch Eintrittsgelder nehmen, die deutlich höher als bisher liegen, meint er. Möglich ist für Steingart auch, dass junge, unbekannte Autoren für den Zugang zu den Verlagsnetzwerken zahlen. Redneragenturen, ein weiterer Vorschlag von Steingart, werden von einigen Verlagen bereits praktiziert.