Internet-Buchhandel

Online-Bühne für Independents

17. März 2008
von Börsenblatt
Um die Leseinsel junger Verlage in Halle 5 traf man auf auffällig viele junge Menschen, die einen Stoffbeutel mit der kryptischen Aufschrift "Tubuk" mit sich führten. Keine Guerilla-Werbung für Tabak, sondern der Name einer Online-Plattform, die der Verlag Schwarzerfreitag aus Berlin zur Messe gestartet hat. Auf ihr zu finden sind Bücher von bislang 16 unabhängigen Verlagen, darunter Bilger, Blumenbar, Kookbooks, Verbrecher und Voland & Quist. boersenblatt.net hat mit Andreas Freitag, Verleger von Schwarzerfreitag und Gründer von Tubuk, über Ausrichtung und Ziele der Plattform gesprochen.
boersenblatt.net: Was will, was kann Tubuk? Und was nicht? Andreas Freitag: Tubuk ist eine Online-Bühne für unabhängige Verlage - und eine Buchhandlung im Netz. Dass man sich über Bücher austauschen, sie aber auch gut beziehen kann, gehört für uns zusammen. Es geht nicht darum, eine Community zu sein, wo man seine Freunde trifft. Die Bücher sollen im Mittelpunkt stehen. Es geht um einen schnellen, direkten Zugang zu Büchern, die man sonst vielleicht nicht entdeckt hätte. Es soll, so wünschen wir es uns jedenfalls, so zugehen wie unter Freunden, denen man vertraut. boersenblatt.net: Was unterscheidet Sie von anderen verkaufsorientierten Kommunikationsformen im Netz, etwa den Leser-Rezensionen bei Amazon? Freitag: Wir wollen unser Publikum nicht unbedingt zu Rezensionen animieren; die Hürden sollen so niedrig wie möglich sein. Auch wer sich nicht dazu berufen fühlt, eine Rezension zu verfassen, kann seinen Freunden ein Buch, das er toll findet, weiter empfehlen. Wir wollen ein jüngeres, internetaffines Publikum fürs Buch begeistern - und das kann man nur, in dem man deren Sprache spricht, deren Ästhetik und Anforderungen an Funktionalität im Netz ernst nimmt. Das fängt schon mit einer klaren Gestaltung an - und geht mit dem Verzicht auf überflüssige Gimmicks weiter: Was nützt es mir, wenn ich weiß, was jemand anderes gekauft hat. Ich kenne seine Gründe nicht. Solche softwaregenerierten Empfehlungen sind kulturell nicht besonders wertvoll: Wer dieses Buch gekauft hat, hat auch dieses Bügeleisen gekauft. OK - aber was habe ich davon? boersenblatt.net: Wenn man sich den Erfolg von Plattformen wie Youtube oder neuere Video-Magazine im Netz anschaut, müßte man auch an bewegte Bilder und Töne denken... Freitag: Solche Funktionen wollen wir nach der Buchmesse freischalten. Wer Lust hat, seinen Kommentar nicht zu schreiben, sondern aufzunehmen, wird das genau so einfach einstellen können. Alles, was die junge Generation im Netz an Empfehlungsmechanismen gewohnt ist, soll es auch bei uns geben. Das soll aber nicht im Mittelpunkt stehen. boersenblatt.net: Also keine Flirts über Bücher ...? Freitag (lacht): Wenn jemand die Nachrichtenfunktion dazu nutzen möchte, um einen Kontakt anzubahnen, dann soll er das gerne tun. Auch bei einer Lesung steht es ja jedem frei, mit seiner Nachbarin zu flirten. Wir sehen uns aber nicht als Kontaktbörse. Wichtig ist uns, nicht einfach ein weiteres Internet-Geschätsmodell zu etablieren, bei dem es mit dem Link zu Amazon schlussendlich darum geht, Provisionen zu verdienen. Wir wollen die Verlage stärken - das kann ich nicht, wenn ich am Ende zu den größten Sortimentern verlinke. boersenblatt.net: Am Ende sind aber auch Sie kein Club von Samaritern. Wie sieht das Geschäftsmodell von Tubuk aus? Freitag: Das Geschäftsmodell ist das des klassischen Sortimentsbuchhandels: Wir beziehen die Titel über die Auslieferungen der Verlage, bekommen ganz normalen Reise-Rabatt und verdienen unser Geld mit dem Verkauf der Bücher - wie jede andere Buchhandlung auch. Ein durchaus konservatives Geschäftsmodell. boersenblatt.net: Bücher wollen angefaßt, durchgeblättert, mit allen Sinnen aufgenommen werden. Gibt es Offline-Pläne? Freitag: Wir haben momentan - an unser Büro in Berlin-Mitte angedockt - auch eine Offline-Verkaufsstelle. Über weitere Pläne kann ich noch nicht reden. Im Herbst könnte es aber durchaus auch an verschiedenen Standorten in größeren Städten Verkaufsstationen geben. Dabei sind auch Shop-in-Shop-Konzepte bedenkenswert. Das Umfeld muss stimmen: Warum soll es nicht in einem Musikladen Bücher von Independent-Verlagen geben? Also genau da, wo sich die Zielgruppe aufhält. boersenblatt.net: Das klingt ehrgeizig ... Freitag: Ich gehe Tubuk durchaus mit wirtschaftlichem Ernst an. Ich habe über die Jahre, in denen ich diesen kleinen Verlag betrieben habe, festgestellt, dass man, wenn man versucht, solche Projekte auf einer genossenschaftlich-freundschaftlichen Basis auf die Beine zu stellen, nie vom Fleck kommt. Wir haben also, ganz traditionell, einen Businessplan geschrieben, in unserem Laden in Berlin Marktforschung betrieben. Auch die ganze Programmierung, das Design, sind Eigenentwicklungen. boersenblatt.net: Wie viele Mitarbeiter haben Sie? Freitag: Im Moment sind wir fünf Leute. boersenblatt.net: Am 7. März ist die Site freigeschaltet worden, wie sind die Reaktionen auf der Leipziger Buchmesse? Freitag: Aus unserer Sicht ist das Feedback extrem positiv. Wir haben mit einer Reihe von neuen Verlagen gesprochen, die wahrscheinlich noch bis Ende März dazu kommen. Darunter durchaus auch Leute, die schon eine Weile im Geschäft sind. Was uns vorschwebt - und was unsere Partner offenbar an uns schätzen: Wir wollen keine technische Lösung für ein Vertriebsproblem anbieten - sondern, vom Design bis zum ästhetisch-kreativen Qualitätsanspruch, etwas vom Geist der Verlage transportieren, die mit uns zusammen arbeiten. Wir sind bewußt nicht "usergeneriert" - sondern glauben an die Rolle der Verlage als Hüter der Qualität, des Besonderen. Wir wollen keine weitere Plattform sein, auf der der Mainstream dominiert.