Interview

"Wir wollen mehr für die Kunden tun"

25. Februar 2010
von Börsenblatt
Vandenhoeck & Ruprecht stellt sich im 276. Jahr seines Bestehens dem digitalen Wandel. Geschäftsführerin Carola Müller über E-Books, das iPad, den Buchhandel und die Erfolgschancen ihres Verlags.

275 Jahre nach der Gründung befindet sich Vandenhoeck & Ruprecht wie die gesamte Branche im digitalen Strudel. Welche Chancen kann V & R im Geschäft mit elektronischen Inhalten nutzen?

Müller: Ich habe die Hoffnung, dass wir als ausgewiesener Wissenschafts-, Fach- und Schulbuchverlag in Zukunft ganz neue Möglichkeiten bekommen, Kundenbedürfnisse besser zu bedienen, als es mit dem ausschließlichen Print-Medium möglich war. Für uns ist wichtig, digitale Inhalte in unterschiedlichen medialen Formen aus Kundensicht ganz neu zu bewerten und für unsere Kunden deutlich mehr zu tun.

Sehen Sie den Markt für E-Books in Deutschland jetzt allmählich kommen?

Müller: Ja, stetig wenn auch langsam – zumindest was die Geisteswissenschaften betrifft.

Könnten Multimediageräte wie Apples iPad einen zusätzlichen Impuls geben?

Müller: Das iPad in jedem Fall. Wenn man sich auf Steve Jobs verlassen kann, bin ich ziemlich sicher, dass damit jetzt Dynamik in den Markt kommt.

Auch für Fach- und Studienbücher?

Müller: Ich bin mir nicht sicher, dass Fachliteratur kurzfristig auf dem iPad genutzt wird. Das ist der PC im Augenblick noch das Medium der Wahl. Das iPad wird die Entwicklung, digitalen Content auf mobilden Geräten zu lesen, deutlich beschleunigen. Irgendwann wird dies auch die Wissenschaft erreichen.

Welche Erfahrung machen Sie mit dem Web 2.0?

Müller: Sehr unterschiedliche. Ich halte es für eine spannende Kommunikationsmöglichkeit mit der Zielgruppe. Auch, weil der Dialog mit den Kunden über das Fachsortiment manchmal unbefriedigend ist. Auf der anderen Seite ist das Web 2.0 mit sehr viel Aufwand verbunden – und die Erfolgskontrolle extrem schwierig.

Hat das neue Portal V & R Schule die Kommunikation mit der speziellen Zielgruppe Lehrer, Eltern und Schüler verbessert und den Online-Verkauf angekurbelt?

Müller: Für eine Einschätzung ist es noch zu früh. Mit dem Portal wollen wir auch erst die Grundlage für den Verkauf digitaler Produkte im Internet schaffen.

Wollen Sie die Online-Aktivitäten ausbauen?

Müller: Wir werden das Online-Portal in Kürze auf das Fachbuch ausweiten und können beobachten, wie Produkte angenommen werden und wie sich Preise bilden.

Welche Perspektive hat das Geschäft mit gedruckten Titeln?

Müller: Ich hoffe, dass wir noch etliche Jahre das Printgeschäft als Hauptthema bedienen können. Und dass es so stabil läuft, dass wir die Investitionen in den digitalen Bereich finanzieren können.

Wie ist die Lage im stationären Buchhandel?

Müller: Da habe ich den Verdacht, dass der Handel noch nicht abschließend herausgefunden hat, was er als Informationsdienstleister in Zukunft für seine Kunden tun kann. Zudem sind die Potenziale, die sich aus der Nähe zur Zielgruppe ergeben, noch nicht erschlossen. Sich auf die Besorgung von Büchern und Medien zu konzentrieren – dieses Geschäftsmodell wird auf Dauer nicht funktionieren. Im Bereich von Information und Wissenstransfer gehen viele Buchhändler noch zu verhalten mit ihren Kunden um.

Ist die Vertriebskooperation UTB Forum für Sie nach wie vor eine große Hilfe?

Müller: Unbedingt. Allerdings nur für den Teil unseres Programms, der sich für den Sortimentsvertrieb eignet – also für einen Ausschnitt.

Die übrigen Novitäten und die Backlist werden nicht belebt?

Müller: Stichwort Backlist: Da rechnen wir eigentlich gar nicht mehr damit, dass wir dafür etwas vertrieblich im Handel tun können.

Da passiert mehr im Internet …

Müller: Ja, Internet und kontinuierliche Direktansprache in den Zielgruppen.

Ist Google Books für Sie nützlich?

Müller: Ja, aber messbar ist es nicht.

Was sollte V & R bis zum nächsten großen Jubiläum (300 Jahre) schaffen?

Müller: Ich versuche es mal ohne Glaskugel: Wenn es uns gelingt, bis dahin für jeden Inhalt den richtigen Autor und die geeignete mediale Aufbereitung gefunden zu haben, dann wären wir gut aufgestellt. Nur dann wird es uns gelingen, jedem Titel, den wir ins Programm holen, weil wir ihn für relevant halten, die optimale Verbreitung zu garantieren.

Sind Verlage und sind verlegerische Leistungen im Online-Zeitalter unverzichtbar?


Müller: Ich denke ja. Wenn Verlage sich jetzt nicht an die veränderten Kommunikationsformen anpassen, dann könnten wie es mit einem Dinosauerier-Phänomen zu tun bekommen. Wir haben die Chance, uns zwischen Autor und Nutzer so zu positionieren, dass man eine sinnvolle Instanz für Qualitätssicherung und Orientierung im kaum überschaubaren Markt der Informationen sein kann.