Interview mit Ansgar Heveling über die Perspektiven des Urheberrechts

"Der Urheber muss Ausgangspunkt aller urheberrechtlichen Überlegungen bleiben"

17. Oktober 2013
von Börsenblatt
Ansgar Heveling (CDU) macht sich im Bundestag für das Urheberrecht stark. Auf der Frankfurter Buchmesse war er ein gefragter Gesprächspartner für viele. Mit boersenblatt.net sprach er über die Perspektiven des Urheberrechts im neu gewählten Bundestag.

Beim Urheberrecht hat sich in den vergangenen vier Jahren nicht viel bewegt. Die Gründe dafür sind vielfältig, haben aber auch damit zu tun, dass Urheberrechtsfragen zunehmend im europäischen Rahmen geregelt werden müssen. Was steht auf der Agenda der kommenden, CDU-geführten Bundesregierung?
Dass die Justizministerin hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist, hatte sicher auch mit Umständen in Teilen ihrer eigenen Fraktion zu tun. Keine Frage ist, dass Europa eine immer größere Rolle spielen wird und muss. In der digitalen Welt spielen nationale Grenzen keine Rolle, und es kommt darauf an, sich in einer größeren Einheit aufzustellen – rechtlich und auch im ökonomischen Wettbewerb. Für künftige Entwicklungen im Urheberrecht muss gelten, dass der Urheber Ausgangspunkt der urheberrechtlichen Überlegungen ist und bleiben muss. Worüber man nachdenken muss, ist sicher die Frage, ob die Haftungsregeln im Internet noch zeitgemäß sind. Das ist zwar eher Gegenstand des Telekommunikationsrechts, betrifft aber eben die Frage, wann Urheberrecht verletzt wird, und wer dafür verantwortlich ist.

Die Provider sollen also in Haftung genommen werden, wenn auf ihren Plattformen geschützte Inhalte ohne Genehmigung weiterverbreitet werden ...
Das muss man differenziert sehen. Dort, wo tatsächlich nur die Infrastruktur zur Verfügung gestellt wird, hat das Haftungsprivileg sicher seine Berechtigung. Aber das Feld hat sich mittlerweile derart aufgefächert, dass es eben auch Anbieter gibt, die mit Inhalten anderer Geschäfte machen. Das ist natürlich grundsätzlich legitim. Dort, wo der wirtschaftliche Vorteil liegt, sollte dann aber auch die Haftungsverantwortung verortet werden. Solche Anbieter sollte man daher stärker in den Fokus und die Verantwortung nehmen. Damit sind Filesharing-Plattformen ebenso gemeint wie YouTube und andere Kanäle, die keine eigenen Inhalte verbreiten.

Werden Sie die Endnutzer mit einer gewissen Nachsicht behandeln und sich dafür auf die Portalbetreiber konzentrieren?
Wenn man bestimmte Vermittler stärker in die Pflicht nimmt, geraten die Endnutzer automatisch nicht mehr sosehr in den Fokus. Ob die in der zu Ende gegangenen Legislaturperiode gefundene Lösung der Abmahndeckelung für die ganze Bandbreite der Verstöße geeignet ist, muss sich indessen erst noch erweisen.

Eine ärgerliche, weil ökonomisch relevante Begleiterscheinung der Internetpiraterie ist, dass große Unternehmen auf illegalen Plattformen Werbung treiben. Kann der Gesetzgeber dagegen einen Riegel vorschieben?
Das ist grundsätzlich schwierig. Aber ich beobachte, dass die Organisationen, die sich die Bekämpfung der Internetpiraterie zur Aufgabe gemacht haben, ja gerade der Frage nachgehen, wer auf solchen Plattformen Werbung treibt, und sie weisen die betreffenden Unternehmen auch darauf hin. Unter Selbstreinigungsaspekten ist das sicher ein guter Ansatz, denn viele seriöse Unternehmen wissen gar nicht, welche Aktivitäten auf diesen Plattformen stattfinden – zumal die Anzeigenvermarktung über Agenturen läuft.

Es gibt auch in der Unionsfraktion Leute, die einen etwas offeneren Umgang mit Inhalten im Netz befürworten - Stichwort Open Access -, und durchaus empfänglich für Forderungen aus den Reihen der SPD, dem möglichen Koalitionspartner, sind. Wie würden Sie damit umgehen?
Das ist im Moment schwer abzuschätzen. Wir haben ja eine Regelung zum Zweitveröffentlichungsrecht, die noch kurz vor Ende der Wahlperiode vom Bundestag verabschiedet und vom Bundesrat gebilligt wurde. Grundsätzlich werden Entscheidungen aus der vorhergehenden Wahlperiode nicht in Frage gestellt. Ob es den Wunsch nach weiteren Schritten geben wird, hängt sicherlich von den Vorstellungen der Partner mit ab. Die Grünen würden wahrscheinlich stärker auf eine Ausweitung des Open Access drängen, während ich die Situation in der SPD ähnlich wie bei uns einschätze: Da gibt es Befürworter eines Vorrangs von Verlagslösungen genauso wie Befürworter gesetzlicher Open-Access-Regelungen.

Auf den Gesetzgeber warten eine Reihe weiterer Urheberrechtsbaustellen – vor allem die für Verlage so unbefriedigenden Urheberrechts-Paragrafen 52a (der sogenannte Intranet-Paragraf) und 52 b (Bereitstellung von Inhalten an Bildschirmleseplätzen). Was ist da zu tun?
Bei Paragraf 52a haben wir ja eine Verlängerung bis Ende 2014 beschlossen. Bis dahin wird aber aller Voraussicht nach ein höchstrichterliches Urteil vorliegen, dass die Frage einer angemessenen Vergütung klärt. Was 2014 auf uns in diesem Zusammenhang zukommen wird, wird die Forderung nach einer allgemeinen Wissenschaftsschranke sein.

Der Druck der Forschungsallianz wird ja nicht abnehmen, im Gegenteil ...
Da bin ich auch sehr gespannt. In der vergangenen Wahlperiode habe ich mich auch schon dafür eingesetzt, dass Verlagsangebote für Open Access Vorrang genießen, und diese Angebote werden ja auch tatsächlich vorgehalten. Dafür werde ich mich auch im nächsten Bundestag einsetzen. In der deutschen Verlagslandschaft ist die Bereitschaft groß, entsprechende Open-Access-Angebote zu machen.

Ein großes Problem, das nicht nur die Verlage, sondern die ganze Buchbranche beschäftigt, ist der zunehmende Einfluss der Global Player - Stichwort Amazon - , die nicht nur dank einer ausgeklügelten Steuervermeidungspraxis den Wettbewerb verzerren. Was will die Union in den kommenden vier Jahren dagegen tun?
Das Thema steht auch in Deutschland auf der Agenda der Politiker, die es angeht. Von der Rechtspolitik im engeren Sinne ist es ein Stück weit entfernt, es gehört eher in den Bereich der Finanzpolitik. Dazu ist zunächst zu sagen: Was die Unternehmen derzeit machen, ist vollkommen rechtskonform. Sie nutzen die Vorteile der unterschiedlichen nationalen Rechtssysteme für ihre Zwecke aus. Eine besondere Rolle spielen in diesem Zusammenhang mittlerweile die Niederlande aufgrund der dort geltenden Steuervorschriften für Immaterialgüter. Dadurch werden global agierende Unternehmen wie Amazon und Apple, die nicht selbst produzieren, sondern mit Inhalten und Lizenzen handeln, begünstigt. Es wird ein langfristiger Prozess sein, dort eine Harmonisierung zu erreichen. Das wird man auch nur im europäischen Rahmen schaffen, und es gibt derzeit ja auch ein großes Gefälle zwischen den Ländern, etwa bei der Mehrwertsteuer in Luxemburg und seinen Nachbarländern.

Die hitzige Debatte des vergangenen Jahres um das Urheberrecht ist weitgehend erkaltet. Ist es dennoch wichtig, den Dialog mit Piraten und Filesharern zu suchen?
Die Diskussion über das Urheberrecht vollzieht sich meiner Wahrnehmung nach in Zyklen. Mit der Piraten-Partei hat die Diskussion an Fahrt aufgenommen und dann zu einem bisweilen "rustikalen" Meinungsaustausch geführt. Mein persönlicher Eindruck war, dass die Piraten-Meinung einen hohen Grad an Publizität bekommen hatte und man befürchten konnte, dass sie Common Sense werden könnte. Da war es wichtig, auch lautstark eine Gegenposition aufzubauen – woran ich mich auch beteiligt habe. Nach dem Motto "Alles hat seine Zeit" aus dem biblischen Buch der Prediger ist jetzt vielleicht der Zeitpunkt gekommen, aufeinander zuzugehen. Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes als Fundament des Urheberrechts muss dabei unstrittig, aber unterhalb dieser Linie gibt es Gestaltungsspielräume, und muss man auch auf Veränderungen reagieren.

Die Befürchtung, dass die Buchpreisbindung zunehmend durchlöchert werden könnte, treibt derzeit viele Branchenteilnehmer um …
Ich bin bei meinem Rundgang über die Messe von vielen Verlagen darauf angesprochen worden. Es gibt sicher keinen Automatismus, dass die Preisbindung in Gefahr ist. Im Kontext der weiteren Diskussion um das Freihandelsabkommen muss man aber einen ganz aufmerksamen und wachsamen Blick darauf haben – auch wenn wir als Parlamentarier mit diesem Thema bisher kaum befasst waren.

Interview: Michael Roesler-Graichen

 

Ansgar Heveling (MdB) ist Mitglied der CDU-Bundestagsfraktion und gehörte in der 17. Wahlperiode (2009-2013) dem Rechtsausschuss des Bundestages an. Sein Arbeitsschwerpunkt ist das Urheberrecht.