Interview mit dem Krimiautor Su Turhan

"Türkischer Macho und bayerischer Grantler"

16. Juli 2015
von Börsenblatt
Der deutsch-türkische Kriminalschriftsteller Su Turhan hat mit "Kommissar Pascha" eine Figur erfunden, die ihre kulturelle Identität aus dem Herkunftsland wie aus der bayerischen Heimat bezieht – und damit manchmal in Widersprüche gerät. Andreas Trojan hat mit dem Autor gesprochen. Weitere Krimi-Themen lesen Sie im Spezial Krimi & Thriller des aktuellen Börsenblatts (4 / 2015), das am 22. Januar erschienen ist.

Deutschland tut sich ja bis heute schwer mit Menschen, die zwei kulturelle Identitäten haben – eben etwa die türkische und die deutsche. Sie versuchen in Ihren Arbeiten, diese "Kluft" zu minimieren. Wie sehr, denken Sie, sind Ihre Versuche eine "Erfolgsstory"?
Nun, ich versuche zunächst, gute, spannende Romane zu schreiben, die über ihren Protagonisten eben diese zweigeteilte kulturelle Identität transportieren. Mein Gefühl sagt mir, so einer wie Zeki hat in der Krimilandschaft gefehlt. Ein Chef, der Türke, aber auch Deutscher ist. Oder andersherum, wie man es sehen will. Für mich ist es ein Erfolg, wenn meine Krimis gelesen werden und als solche dazu beitragen, Menschen mit türkischen Wurzeln als selbstverständlichen Teil unserer Gesellschaft zu betrachten. Damit verkleinert sich hoffentlich die Kluft ein wenig.

Sie selbst stammen ja aus einer türkischen Einwanderfamilie, sind mit zwei Jahren nach Deutschland gekommen. Wie haben Sie das Thema Integration persönlich erlebt?
Hautnah und als etwas Abstraktes. Als Kind denkst du nicht an Integration, du suchst Spielkameraden. Später habe ich mich als ganz normalen Teil meines Umfeldes gesehen, sei es in der Schule oder im Fußballverein. Ressentiments habe ich dennoch erfahren. Als Teenager war ich Hals über Kopf in eine Mitschülerin verliebt, deren Eltern mich ablehnten, weil ich kein Deutscher war. Das war schlimm, da ich das absolut nicht nachvollziehen konnte.

Der Kriminalroman scheint ein sehr gutes Transportmittel für soziale Fragestellungen zu sein. Eignet sich bei Ihnen gerade deswegen der Krimi dazu, den Deutschen türkische Mentalität näher zu bringen?
Das war in dem Genre schon immer so! Kriminalromane waren und sind stets Abbild der Gesellschaft. Deshalb verstehe ich nicht, warum das Genre gegenüber der "hohen Literatur" abfällig gesehen wird. Gute Krimis, glaube ich, entstehen aus der Reflexion über Menschen und ihre Existenz. Und diese ist nun mal in keinem luftleeren, wertefreien Raum. Verbrecher, Opfer, Ermittler ergeben ein Beziehungs- und Koordinatensystem, das im Idealfall unsere Welt beschreibt – sicherlich mehr die dunkle als die vermeintlich helle Seite.

Zeki Demirbilek wird ja nicht umsonst "Kommissar Pascha" genannt. Er verhält sich zuzeiten so, wie sich mancher ein türkisches Familienoberhaupt vorstellt – und scheitert da ja auch zum Teil. Zum anderen trinkt er für sein Leben gern Weißbier und hat ein scharfes analytisches Denken. – Was ist an Demirbilek deutsch, was türkisch?
Diese Frage ist schwer zu beantworten. Doch das ist wiederum ein gutes Indiz dafür, dass die zwei Welten, zumindest in der Romanfigur Zeki Demirbilek, zusammen gefunden haben. Oberflächlich habe ich meinen Kommissar mit Elementen eines türkischen Machos und eines bayerischen Grantlers ausgestattet. Ein türkischer Münchner wie er sein soll. Geht man etwas tiefer in die Figur, birgt diese Symbiose auch die Gefahr einer schwammigen Identität. Mein Zeki ist sich dessen bewusst. Er denkt und handelt mal als der eine und mal als der andere. Mal ist er beides. Ein bisschen wie ich selbst.

In "Kruzitürken“ spielt verhalten, aber doch sichtbar die Religion eine gewisse Rolle. Ist das wichtig für Sie im Sinne eines allgemeinen religiösen Verständnisses?
Mein Chefermittler ist Moslem. Zwar keiner, der streng seinen Glauben lebt, aber von seinen Eltern – wenn man so will – standardmäßig religiös erzogen worden ist. Darunter verstehe ich auch den Respekt vor Alten und deren Lebensleistung, und nicht nur, fünf Mal am Tag zu beten. Was Zeki ohnehin nicht tut. Insofern ja, ich wollte ein gewisses Verständnis für die Religion in der Figur unterbringen, eine Figur kreieren, die als Moslem im Alltag besteht. Das Besondere ist ja, dass Demirbilek durch seinen Beruf mit Staatsgewalt ausgestattet ist. Das ist das Interessante.

Wir alle halten alle momentan den Atem an, wegen des Attentats in Paris. Aber auch in vielen arabischen und afrikanischen Zonen hält der radikale Islamismus die Welt in Bann. Wie sollen wir hier in Deutschland als "Normalbürger" Ihrer Meinung darauf reagieren?
Nicht pauschalisieren. Die Wenigen, die im Namen Allahs morden, sind nicht gleichzusetzen mit den Millionen friedlicher Muslime. Ich denke da an meine Eltern, die streng gläubig sind und hierher zum Arbeiten gekommen sind. Sie leben friedfertig ihre Religion. Das wird ihnen in diesem Land ermöglicht. Und das – bitte - soll und muss so bleiben!

Sie arbeiten bereits am vierten Band mit Kommissar Pascha. Können sie verraten, was auf ihn und uns zukommt?
Der Titel ist "Zapfenstreich" und hat mit einem urmünchnerischen Phänomen zu tun, das weltweit bekannt ist. Damit meine ich nicht den FC Bayern, sondern die Wiesn. Gerade kämpfe ich mit mir und Zeki, um die Anzahl der Leichen gering zu halten.