Interview mit Nils Rauterberg von Audible

"Hören ist Lifestyle"

18. Oktober 2018
von Börsenblatt
Audible ist führender Produzent und Anbieter von Audio-Inhalten. Die  Konkurrenz wächst. Deutschlands Audible-Chef Nils Rauterberg über Alexa, Eigenproduktionen und Flatrates.

Audible hat gerade seinen dritten Hörkompass veröffentlicht, eine repräsentative Umfrage zur Hörkultur in Deutschland. Welches Ergebnis hat Sie überrascht?
Ich finde es insgesamt sehr ermutigend, dass der Audioboom weitergeht: In den vergangenen zwölf Monaten haben mehr als 18 Millionen Menschen mindestens ein Hörbuch oder Hörspiel genutzt, zwei Millionen mehr als bei der Befragung vor einem Jahr, vier Millionen mehr als noch 2016.

47 Prozent hören ihre Hörbücher nach wie vor auf CD. Sind die für Audible verloren?
Die CD hat in Deutschland immer eine starke Position im Hörbuch gehabt, wir sehen aber auch ein starkes Anwachsen der digitalen Nutzung. 44 Prozent nutzen Hörbücher auf Smartphone oder Tablet. Bei den Unter-40-Jährigen sind das bereits die beliebtesten Nutzungsmedien für gesprochene Audioinhalte. Ebenso wie der mobile Lebensstil sich weiter ausbreiten wird, wird auch diese Entwicklung weitergehen. Aber klar, die CD hat ihre Berechtigung, sie ist ein beliebtes Geschenk und man stellt sie sich gern ins Regal.

Apropos Lebensstil – welche Rolle werden Sprachassistenten wie Alexa künftig für das Hörbuch spielen?
Sie können einen Beitrag leisten, wenn Inhalte, die als Text vorhanden sind, per Audioformat konsumiert werden sollen. Wir unterscheiden stark zwischen der automatisch generierten Stimme und der Darbietung, der Interpretation, die ein professioneller Sprecher auf einen Text legen kann, und dem damit verbundenen emotionalen Erlebnis.

Über 250.000 Titel hat Audible im Programm, darunter immer mehr selbst produzierte Hörbücher und Podcasts. Wie hoch ist der Anteil der Eigenproduktion am Programm?  
Prozentual liegen die Eigenproduktionen im einstelligen Bereich, exakt sind derzeit insgesamt 2.833 deutsche Audible-Studio­produktionen abrufbar. Wir produzieren Titel in Segmenten, die von unseren Kunden stark nachgefragt und in der Tiefe von unseren Partnern nicht abgedeckt werden. Außerdem wagen wir uns an Eigenproduktionen, um neue Nutzer für das Medium zu gewinnen.

Sie experimentieren mit Hörspielen, kaufen aber auch viele Hörbuch­lizenzen ein. Schätzungen zufolge übertrifft Audible in Deutschland mit etwa 1 000 neuen Produktionen pro Jahr die literarischen Verlagsangebote. Sollen damit auch Konkurrenten auf Abstand gehalten werden?
Wir haben uns nie als reine Trans­aktionsplattform verstanden, sondern investieren schon sehr lange in die Entwicklung und die Produktion von Inhalten, in Kooperation mit vielen Verlagen und weiteren Partnern. Diese Produktionen sind integraler Bestandteil des Profils, das wir unseren Kunden bieten. Der Hörbuchmarkt birgt noch großes Wachstumspotenzial, insofern begrüßen wir es, wenn sich mehr Anbieter diesem Feld annehmen.  

Pressen Sie Ihre Eigenproduktionen auch auf CD?
Durchaus, wenn es dafür eine sinnvolle Nachfrage und Verwertung gibt. Wir glauben, dass sich auch einige unserer Produktionen nicht schlecht als Geschenk unterm Weihnachtsbaum machen. Es ist nicht unser Fokus, aber es kommt vor. Ein Beispiel ist unser Original "Monster 1983" – ein echtes Kult-Hörspiel, das mittlerweile drei Staffeln umfasst.

Deezer, Napster Spotify oder Bookbeat, Bonniers Hörbuchplattform, die 2017 in Deutschland gestartet ist – sie alle  setzen auf Flatrates, bei Audible können Abonnenten pro Monat gerade mal ein Hörbuch herunterladen. Soll das so bleiben?
Es gibt verschiedene Ansätze, Kunden digitales Hören näherzubringen. Die verschiedenen Angebotsformen beobachten wir mit Interesse. Wie Sie wissen, betreiben wir in Italien ebenfalls ein Flatrate-Modell. Die Wahl des Angebotsmodells hängt von vielen Faktoren ab. In erster Linie entscheiden die Kunden, aber auch Anbieter und Rechteinhaber müssen miteinbezogen werden.

Dank des großen, auch internationalen Angebots entscheiden sich viele Hörbuchfans für Audible.
Unsere Kunden haben sich eine Angebotsform gewünscht, die regelmäßiges Hören fördert und das zu einem günstigeren Preis, als wenn die Titel einzeln eingekauft würden. In den vergangenen Jahren haben wir unser Modell bereits flexibilisiert, indem das einmalige Guthaben geteilt werden kann, um dafür mehrere preisreduzierte Hörbücher zu kaufen.

Wer will, kann sich bei Audible anmelden, das gewünschte Hörbuch zum reduzierten Preis kaufen, und sich dann wieder abmelden. Wird diese Möglichkeit viel genutzt?
Grundsätzlich entscheidet der Kunde, wann und wie lange er unser Angebot in Anspruch nehmen will. Allerdings haben nur aktive Abonnenten auf unser Podcast-Programm kostenlos und unbegrenzt Zugriff. Wir haben die Erfahrung gemacht – in Deutschland seit 14 Jahren, in den USA seit über ­20 Jahren –, dass Menschen, die den Lifestyle und die Gewohnheit entwickelt haben, Hörbücher regelmäßig zu nutzen, dies auch über einen längeren Zeitraum tun. Wir beobachten nicht, dass Kunden ins Abo gehen, um sich den günstigen Preis für einen Titel zu sichern, und dann wieder rauszugehen. Um ehrlich zu sein, dann würde das Modell auch nicht so gut für uns und für unsere vielen Partner funktionieren.
 
Dann wäre es ja auch kein Abo-Modell.  
Richtig. Aber wie wir über die vielen Jahre gesehen haben – es ist eines.  

Welche Pläne haben Sie für Audible für die nächsten Jahre?
Ich glaube, dass wir in Deutschland inhaltlich und kommunikativ noch einiges tun können, um Hörbücher noch stärker in die Mitte der Gesellschaft zu bringen, und dass wir dafür Kooperationen und Partnerschaften schließen sollten. Eine große Rolle spielt zudem das Thema internationales Wachstum. Wir betreuen von Berlin aus auch die Märkte in Frankreich und Italien, und wir sehen Potenzial darüber hinaus.

In Berlin sind etwa 200 Mitarbeiter beschäftigt. Finden Sie noch genug Mitarbeiter mit Digital-Know-how für Ihre Wachstumspläne?
Wir profitieren von den Heerscharen von Entwicklern, die bei Audible in den USA beschäftigt sind und die die Inhalte-Integration für unsere derzeit neun lokalen Marktplätze organisieren. In Berlin konzentrieren wir uns auf Content und Marketing, wobei wir hier durchaus Stellen besetzen, in denen der Wettbewerb hart ist, zum Beispiel im Bereich Analytics, Business Intelligence und Data Science. Etwa 15 Stellen sind derzeit offen, damit können wir ganz zufrieden sein.

Audible kennt seine Kunden sehr genau. Verraten Sie uns: Welches Hörbuch haben Sie zuletzt gehört?
"Geister" von Nathan Hill. Fabelhaft! Und von Uve Teschner hervorragend gelesen. Daneben bin ich in unser Podcast-Programm eingestiegen, ich liebe den "11 Freunde"-Podcast, aber auch zum Beispiel "Der Moment". Außerdem lerne ich jeden Tag auf dem Weg zur Arbeit eine halbe Stunde Spanisch, weil ich endlich einen Sprachkurs gefunden habe, der zu mir passt.