Interview mit Poppy J. Anderson

"Nichts wird so oft verschenkt wie ein Buch"

10. Juni 2016
von Börsenblatt
Poppy J. Anderson wurde als Selfpublisherin bekannt, arbeitet aber jetzt auch mit Verlagen zusammen. Sie ist davon überzeugt, dass digitales Lesen künftig mehr Raum einnimmt. Aber das wird sie nicht davon abhalten, auch in Zukunft "in einer Buchhandlung stundenlang auf Entdeckungstour" zu gehen. Am 22. Juni diskutiert die Autorin auf der AKEP-Jahrestagung in Berlin mit.

Sie gehören zu den erfolgreichsten Self-Publishing-Autorinnen in Deutschland. Hätten Sie sich eine ähnliche Karriere unter dem Dach eines klassischen Publikumsverlags vorstellen können?
Ehrlicherweise habe ich damals nicht einmal versucht, einen Verlag zu finden. Zwar hatte ich schon seit längerer Zeit Romane geschrieben und auch den Traum gehegt, Autorin zu werden, doch die Verwirklichung dieses Traumes erschien mir utopisch. In meiner Vorstellung war es unmöglich, einen Verlag auf mich aufmerksam zu machen, sodass ich es erst gar nicht versuchte. Das Selfpublishing klang dagegen sehr unkompliziert, wobei ich sagen muss, dass ich keinerlei Erwartungen hatte, als ich meinen ersten Roman veröffentlichte.

Was gab den Ausschlag dafür, dass Sie Ihre Bücher via Amazon Kindle Direct veröffentlichen?
In einer Reportage über die Frankfurter Buchmesse 2012 hörte ich zum ersten Mal vom Selfpublishing. Dabei wurde auch das Programm von Amazon vorgestellt. Für mich als einen Menschen ohne große Affinität zur Technik klang die Handhabung sehr einfach, sodass die Entscheidung sehr schnell gefallen war. Über einen Marktanteil oder eine Sichtbarkeit habe ich mir damals gar keine Gedanken gemacht. Heute veröffentliche ich noch immer bei Amazon, weil ich dort meine Leserinnen und Leser erreichen kann. Zudem ist eine Vielzahl meiner Bücher auch in anderen Online-Shops erhältlich.

Einige Ihrer Bücher erscheinen jetzt bei Rowohlt im Taschenbuch. Weil sie sonst nicht im stationären Buchhandel erhältlich wären?
Die ersten drei Bücher meiner New York Titans-Reihe sind bereits bei Rowohlt als Taschenbuch erschienen und im nächsten Jahr startet eine völlig neue Reihe bei Lübbe. Für mich ging es vor allem darum, auch die Leser erreichen zu wollen, die ganz klassisch ihre Bücher im stationären Buchhandel kaufen. Zudem war es sehr spannend, mit einem Verlag zu arbeiten, nachdem ich die Praxis des Selfpublishings kennengelernt hatte.

Haben Sie von der Zusammenarbeit mit klassischen Verlagen profitiert?
Ich habe ungemein von der Zusammenarbeit mit beiden Verlagen profitiert und sehr viel gelernt. Das Selfpublishing ist einerseits noch sehr jung und andererseits etwas, bei dem man einem ständigen Lernprozess unterworfen ist. Dort ist alles "learning by doing" und man muss sich sehr oft auf sein Bauchgefühl verlassen. Außerdem ist man für jeden Schritt selbst verantwortlich. Im Verlagswesen arbeiten alle Bereiche unter einem Dach und man verfügt über jahrzehntelange Erfahrung. Für mich als "Neuling" war es unglaublich interessant, die Verlagsarbeit kennenzulernen.

Gehört die Zukunft dem digitalen Lesen?
Das digitale Lesen wird sicherlich immer mehr Raum einnehmen, aber gleichzeitig werden Buchhandlungen und gedruckte Bücher nicht verschwinden - da bin ich mir sehr sicher. Bibliophile Menschen möchten ihre Lieblingsbücher noch immer im Regal stehen sehen und es gibt nichts Schöneres, als in einer Buchhandlung stundenlang auf Entdeckungstour zu gehen. Außerdem wird nichts so oft verschenkt wie ein Buch. Und Bücher verschenkt man nicht digital, sondern übergibt sie am liebsten selbst.

Und wenn ja, wird auf Geräten oder nur noch im Browser gelesen?
Ich selbst lese Ebooks am liebsten auf meinem Reader, da er immer dabei ist, kaum etwas wiegt und in jede Handtasche passt. Meine Bibliothek habe ich sozusagen immer dabei. Wie das bei der nächsten Generation aussieht, kann ich leider nicht sagen.

Die Fragen stellte Michael Roesler-Graichen.



AKEP-Jahrestagung

Poppy J. Anderson wird auf der AKEP-Jahrestagung am 22. Juni in Berlin an der Session
"Kunde, wann kaufst du? Herausforderungen für Publikumsverlage im digitalen Wandel" teilnehmen.

Referent und Diskussionsleitung: Tobias Henning, General Manager Premium bei BILD digital GmbH & Co. KG
Panel: Poppy J. Anderson (Autorin), Dorothea Martin (Head of Content / Oolipo), Constance Landsberg (Skoobe), Fabian Kern (digital publishing competence)
Eine Veranstaltung der Peergroup E-Books
Ort: Kalkscheune Berlin, Johannissraße 2, Berlin
Zeit: 22. Juni 2016, 15 Uhr