Interview mit Verlegerin Elisabetta Sgarbi

"Wir achten sehr auf die Belletristik in Deutschland"

22. Januar 2016
von Börsenblatt
Mit Spannung schaut die Verlagsszene nach Italien, wo Umberto Eco mit anderen Autoren und der früheren Bompiani-Verlegerin Elisabetta Sgarbi den Verlag La nave die Teseo (Das Schiff des Theseus) gegründet hat. Im Interview mit dem Börsenblatt verrät Sgarbi erste Details über den Verlag.

Sie realisieren gerade mit hoher Geschwindigkeit das erste Verlagsprogramm: Wann werden die ersten Bücher erscheinen?

Die ersten Romane und Essays werden wir im April veröffentlichen. Wir starten unter anderem mit den neuen Romanen von Pulitzer-Preisträger Michael Cunningham, von Goncourt-Preisträger Tahar Ben Jelloun und des griechischen Krimi-Autors Petros Markaris. Hinzu kommt eine neue Aufsatzsammlung von Umberto Eco: "Pape Satàn Aleppe" - der Titel spielt auf Dante an; der Untertitel lautet "Chronik einer flüssigen Gesellschaft".  Ecos Essays beschäftigen sich mit dem Zerfall der Ideologien. Auch Sandro Veronesi, Verfasser u.a. von "Stilles Chaos" (auf Deutsch bei Knaus und btb), wird in unserem ersten Programm mit einer Neuerscheinung vertreten sein. Erwähnen möchte ich noch den Humanisten Nuccio Ordine; sein Buch "Von der Nützlichkeit des Unnützen" (auf Deutsch bei Graf) war in Italien ein Bestseller und fand auch in Deutschland Beachtung. Nuccio Ordine wird mit einem neuen Essay im ersten Programm vertreten sein.  Weitere Titel kommen hinzu. 

Wie sieht die Programmstruktur von La nave di Teseo aus?

Es wird ein vielseitiger Verlag sein. Wir beginnen mit Belletristik und Sachbüchern, aber wir bereiten zum Beispiel auch eine Reihe mit Gedichtbänden vor. Den Auftakt wird Michel Faber, der Autor von "Das karmesinrote Blütenblatt" (auf Deutsch bei List) machen. Sein wundervolles neues Buch heißt "Undying": Die Texte sind seiner Frau Eva gewidmet, die vor wenigen Jahren gestorben ist.

Wie ist Ihr Blick auf Deutschland?

Bei Bompiani haben wir sehr auf die Belletristik in Deutschland geachtet. Schriftsteller wie Uwe Tellkamp, Arno Geiger, Katharina Hacker, Timur Vermes, um nur einige zu nennen, waren bei Bompiani auch dank der Achtsamkeit unseres Lektors Eugenio Lio, der jetzt Mitbegründer bei La Nave di Teseo ist. Unsere Zusammenarbeit mit Kennern der deutschen Verlagslandschaft wie den Agenten Barbara Griffini oder Marco Vigevani wird auch künftig sehr eng sein. Eines der letzten Bücher, das wir für Bompiani gekauft haben, sind die Erzählungen von Michael Krüger ("Der Gott hinter dem Fenster" bei Haymon). Und dank der Übersetzungen ins Deutsche beschäftigen wir uns mit außerordentlichen Schriftstellern wie Dubravka Ugrešić, Daša Drndić oder Swetlana Alexijevic.

Der Vertrieb in Italien ist nicht einfach, weil die Distribution eng mit den großen Verlagen verknüpft ist - wie haben sie das Problem gelöst?

Unsere Marketingabteilung wird sich intensiv um den Buchhandel kümmern, sei es um die unabhängigen Sortimente, sei es um die Feltrinelli-Filialen. Mit PDE Feltrinelli haben wir ja ad hoc eine PR- und Vertriebskooperation vereinbart. Zudem wird Messaggerie Libri unsere Logistik und den Vertrieb betreuen. Messaggerie Libri kümmert sich besonders gut auch um die Backlist von Verlagen. Das ist uns ein Anliegen, denn La nave di Teseo wird sich schon dieses Jahr die Rechte an etwa zehn Büchern von Umberto Eco sichern. Aber wir haben auch die Backlist vieler anderer Autoren im Blick. So wird zum Beispiel "Stilles Chaos" von Sandro Veronesi bald Teil unseres Programms sein oder viele Kriminalromane von Petros Markaris. Dieser Aspekt ist mir sehr wichtig.

Mit wie vielen Mitarbeitern starten Sie?

Wir sind zunächst zu siebt, davon sind sechs Mitarbeiter fest angestellt, und es gibt einen Berater. In den USA wird die Barbara Tolley & Associates Literary Scouts für uns arbeiten. Sollten wir erfolgreich sein, werden wir – sehr umsichtig – auch die Zahl der Mitarbeiter erhöhen.

Gibt es Neuigkeiten bezüglich der Finanzierung des Verlags?

Sechs Millionen Euro Startkapital ist das Ziel. Wir haben jetzt mehr als fünf Millionen beisammen. Die Geldgeber sind Umberto Eco mit zwei Millionen, ein Pool von Unternehmern, zu denen die Familie Garavoglia und Guido Maria Brera gehören, mit eineinhalb Millionen und die französischen Verleger Jean-Claude e Nicky Fasquelle mit über einer Million. Hinzu kommen Beteiligungen von Autoren und von uns Mitarbeitern.

Interview: Nicola Bardola

Elisabetta Sgarbi, 1965 in Ferrara geboren, arbeitet neben ihrer Tätigkeit als Verlegerin auch als Autorin und Regisseurin. Bis November vergangenen Jahres leitete sie den zu RCS Rizzoli gehörenden traditionsreichen Verlag Bompiani. Gemeinsam mit vielen namhaften Autoren und Verlagskollegen hat sie nach dem Verkauf von Bompiani an Arnoldo Mondadori Editore das Haus Rizzoli verlassen und den Verlag La nave di Teseo gegründet.
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