Jahrestagung Interressengruppe Hörbuch

Cool, cooler, Hörbuch hören!

18. Mai 2017
von Börsenblatt
Amerikanischer Hörbuchmarkt, Podcast, Youtube - die Interessengruppe Hörbuch hat sich am ersten Tag ihres Jahrestreffens, das am Donnerstag und Freitag (18./19. Mai) im Frankfurter Haus des Buches stattfindet, mit Inhalten jenseits des eigenen Gartenzauns beschäftigt.

Nur gute Zahlen im Gepäck hatte die Geschäftsführerin der Audio Publishers Association (APA) Michele Cobb, die in Frankfurt den extrem wachstumsstarken amerikanischen Hörbuchmarkt vorstellte. Ihre Auswertung basiert auf den Jahren von 2011 bis 2015; die Ergebnisse für 2016 kündigte sie für Juni an. In diesem Zeitraum ist die Titelmenge der in der APA organisierten Verlage von 7.237 auf 35.575 Hörbücher gestiegen. Der Umsatz allerdings entwickelte sich nicht im gleichen Maße sondern kletterte "nur" von 1 Milliarde US Dollar im Jahr 2011 auf 1,77 Milliarden US Dollar im Jahr 2015 (plus 24,2 Prozent im Vergleich zu 2014).

Die Gründe für das anhaltende Wachstum sieht Cobb hauptsächlich in der gewachsenen Titelzahl, aber auch im Erfolg von Podcasts bei jungen Leuten: die als cool geltenden Hörstücke fungieren ihrer Meinung nach sozusagen als Einstiegsdroge für Hörbücher. Außerdem gehen zunehmend Stars wie zum Beispiel Reese Witherspoon oder Sean Penn ins Studio, um Hörbücher oder auch ihre Biografien zu lesen.

Was die Formate angeht, kommt die CD 2015 gerade mal auf 15,6 Prozent der verkauften Hörbücher, Downloads (inklusive Streaming) machen mit 83,1 Prozent den Löwenanteil aus. In Deutschland erfolgten 2016 nach Berechnungen der Marktforscher von GfK ein Viertel der Absätze über Downloads. In den USA erscheinen übrigens - anders als hierzulande - 96 Prozent der Hörbücher ungekürzt.


Wer hört in Amerika?

55 Millionen Hörer haben den Auswertungen Cobbs zufolge im vergangenen Jahr mindestens ein Hörbuch gehört, 41 Prozent der Amerikaner haben überhaupt jemals ein Hörbuch gehört. Zum Vergleich: In Deutschland haben laut GfK 2016 rund 3,3 Millionen physisch und/oder digital Hörbücher erworben. Insgesamt hörten 19,2 Prozent der Deutschen 2016 Hörbücher auf CD oder in der Downloadversion.

Die Altersstruktur der Hörer in den USA ist in Veränderung begriffen: "Alt und weiblich stimmt nicht mehr", sagte Cobb. Mittlerweile sind ihren Ausführungen zufolge ein Drittel der regelmäßigen Hörbuchhörer zwischen 25 und 34 Jahre alt. In Deutschland stellten 2016 mit einem Anteil von 40 Prozent die 40– bis 59-Jährigen laut GfK nach wie vor die größte Gruppe der Hörbuch-Käufer - wobei der Anteil bei der jungen Zielgruppe der 10- bis 19-Jährigen jedoch zugleich von 4 auf 9 Prozent gestigen ist.

Auch die Hörgewohnheiten scheinen sich in den USA drastisch zu ändern: statt "double your time" scheint "relaxing" das neue Motto zu sein. Welche Schlüsse die Audiobookindustrie daraus schließt, scheint noch unklar.

Und? Keine Probleme auf der anderen Seite des Teichs? Doch. Die Covergestaltung für Digitalausgaben sei optimierungsbedürftig, die Pflege der Metadaten mangelhaft und die Backlist werde nicht konsequent fürs Hörbuch ausgewertet. Cheaper, faster, now - dieser Trend im Hörbuch führe außerdem nicht unbedingt zu qualitativ hochwertigen Hörbüchern, gibt Cobb zu. 

"Can't stop listening"...

... hat Sabine Reichelt, Lektorin im Argon Verlag, ihren inspirierenden Podcast-Vortrag übertitelt. Selbstverständlich gab es eine eingespielte Einleitung aus Podcast-Schnipseln. "Alle reden vom Podcastboom, alle machen Podcasts", so ihr Eindruck. 14 Millionen Podcasts kann man ihrer Recherche zufolge bei iTunes herunterladen, 10 Millionen wurden im vergangenen Jahr auf Apple-Geräten gehört. Das Beste was es ihrer Expertise zufolge derzeit zu Hören gibt: "S-Town", ein Highend-Produkt, in das drei Jahre Arbeit eingeflossen seien. In Deutschland haben die öffentlich-rechtlichen Sender einen großen Anteil am Podcast-Volumen, dazu kommen immer mehr Medien, Journalisten, Privatpodcaster. Am beliebtesten sind laut iTunes-Ranking zumindest in Deutschland Podcasts zur Selbstoptimierung und Gespräche zum Thema Sex und Beziehung.

Die Hörer sind laut Reichelt eher männlich, eher jünger, eher höher gebildet und eher technikaffin. Und auch in Deutschland werden sie möglicherweise nach dem Podcast-Genuss zu ihrem ersten Hörbuch greifen!

Hörbücher und Youtuber

Wie das Hörbuch bei den milliardenfach geklickten Youtube-Influencern eine Rolle spielen könnte, erklärte Robert Vossen von der Pro 7 / sat1-Tochter Studio 71.  Die Fangruppen von LeFloid (5 Millionen Social Media Fans) und anderen Youtube-Größen seien oftmals "größer als manche Länder in der EU", beeindruckte Vossen. Da wäre man mit seinem Produkt doch gern dabei. Zumal Youtube mit 37 Millionen Unique Usern Facebook (28 Millionen Unique User) in der Nutzergunst längst überholt hat. Jede Stunde kommen laut Vossen bei Youtube beeindruckende 400 Stunden neues Videomaterial dazu. Sein Unternehmen managt die Vermarktung der Youtuber, vermittelt zwischen den Videokünstlern und den Werbetreibenden.

Außerdem betreibt Studio 71 eigene Channels, verbreitet das TV-Material in Häppchen und bringt - in Kooperation mit Verlagen - Bücher und Hörbücher der Influencer auf den Markt, zum Beispiel "Spring in eine Pfütze" von ViktoriaSarina für das Bastei-Lübbe-Label Community Editions. Sein Angebot an die Hörbuchverleger: Die Entwicklung eines Claiming-Konzepts für die eigenen Hörbuch-Inhalte auf Youtube, die Lösung von Urheberrechtsverletzungen und natürlich auch Product Placement bei den angesagten Youtubern. Das allerdings ist eine kostspielige Angelegenheit und varriiert. Eine klitzekleine Kleinigkeit bei einem mittel-beliebten Youtuber könnte es ab 2.000 Euro geben.

Ob das Geld gut angelegt ist oder doch besser in Handelswerbung investiert werden sollte? Morgen sind unter anderen die Buchhändler Irene Nehen (Otto Melchers, Bremen) und Uwe Sigismund (Bendorfer Buchladen, Bendorf) bei der IG Hörbuch auf dem Podium. Das hilft vielleicht bei der Entscheidung.