Jubiläumsausstellung über 50 Jahre Wagenbach

"Immer Sand, nicht Öl im Getriebe der Welt"

16. Juli 2015
von Torsten Casimir
Das nächste und abermals ein spannendes Kapitel im Jubiläumsjahr des Wagenbach-Verlags ist aufgeschlagen: Am Donnerstagabend wurde im Leipziger Haus des Buches eine Ausstellung über 50 Jahre Wagenbach eröffnet. Für die kommenden acht Wochen ist sie dort zu sehen, danach in der Berliner Staatsbibliothek (Eröffnung am 27. Mai).

Von den ersten Quartheften im März 1965 bis zu den heutigen Ausgaben der 1987 begonnenen roten SALTO-Reihe, den "Romanen für eine Nacht", wird die Geschichte der Verlagsproduktion präsentiert. Im Grunde eine Geschichte von Ideen, folgt man dem Satz des Alt-Verlegers Klaus Wagenbach: "Bücher halten die Ideen fest." Fester, als alle anderen Medien das könnten.

Als überraschungsvolle Fundgrube für alle, die an der Geschichte der Bundesrepublik seit den sechziger Jahren interessiert sind, erweisen sich zudem zahlreiche, in Vitrinen gezeigte Exponate. Sie stammen aus Schränken und Ordnern des Berliner Hauses und bringen viel Besonderes ans Licht: darunter ein hektographiertes Original des ersten Manifests der Roten Armee Fraktion (das Wagenbach als Rotbuch 29 veröffentlichte), Manuskripte von Erich Fried, aber auch ein durchaus martialischer Schlagring vom Urgroßvater des Verlagsgründers, der als Symbol für eine gewisse Wehrhaftigkeit Wagenbachs betrachtet werden mag.

Verlegerin Susanne Schüssler berichtete von regem Medieninteresse, dessen man sich in den vergangenen Wochen ausgesetzt sah: "Viele Interviews, aber keine neuen Fragen." Auch 2014 erkundigten sich die Journalisten in gewohnter Weise, warum es den Verlag noch gebe; ob sie nach wie vor ein Kollektiv seien; was es mit der berühmten "Herzklausel" auf sich habe; und wie es denn habe sein können, dass in einem Verlagshaus mal eine Generationsübergabe klappt. Keine neuen Fragen also, ebenso keine neuen Antworten. Warum auch!

Die Anfangsidee funktioniert ja noch. Heinrich Riethmüller, Vorsteher des Börsenvereins, attestierte dem nun 50 Jahre alten Verlag, dass der zwar "heute längst etabliert und aus keiner guten Buchhandlung wegzudenken" sei. Und doch sei Wagenbach eben auch seinem Gründungsgedanken bis heute treu geblieben: Bücher zu machen nicht in erster Linie, "um Geld zu verdienen, sondern um die Gesellschaft zu verändern". Wagenbach sei "immer Sand, nicht Öl im Getriebe der Welt". Und wunderbar zu unterscheiden von vielen anderen Buchproduzenten − nicht zuletzt mit dem aktuellen Jubiläumsprogramm, so befand Riethmüller, das sich wohltuend vom Üblichen abhebe, indem es ganz auf junge, neue Autoren setze.

Viele Buchhändler waren zur Eröffnung ins Leipziger Haus des Buches gekommen − ein starkes Zeugnis dafür, wie eng und vertrauensvoll Vertriebschefin Nina Wagenbach mit dem stationären Sortiment zusammenarbeitet. An diese Kolleginnen und Kollegen aus dem stationären Handel richtete Riethmüller einen Appell: "Haltet Wagenbach noch 50 weitere Jahre die Treue." Und an den Jubilar richtete er einen Wunsch: "Bleiben Sie dem Buchhandel noch lange erhalten. Wir brauchen Sie."

Klaus Wagenbach unterhielt seine Gäste mit einer gewohnt schelmisch vorgetragenen Stichwortliste "zur Frage, was ich in 50 Jahren Verlagsarbeit gelernt habe". Fünferlei nannte der 83-Jährige:

  • Man benötige eine umfassende Halbbildung als Meinungsverleger.
  • Man müsse schauen, "wie man erfolgreich ein konkursreifes Unternehmen führt" und etwa bei der Auflagenplanung eher "im Bremserhäuschen sitzen".
  • Man hüte sich − darin stimme er, Wagenbach, seiner Frau Susanne Schüssler zu − vor Kunsthandwerk. "Bücher müssen schön und dauerhaft sein", aber Industrieprodukte eben.
  • Autoren müsse man höflich behandeln und viel Geduld mit ihnen aufbringen. Sie seien, zum Glück, "Besessene von sich selbst".
  • Gerade als Überzeugungstäter sollte man sich andere Überzeugungstäter neben sich wünschen. Erst ein größerer anarchistischer Haufen von Verlagen, sagt Klaus Wagenbach, stifte spürbar Erneuerung für eine Gesellschaft.

 

Dann wurde gefeiert am Gerichtsweg in Leipzig, und es gab Schoko-Karnickel für alle. Kaninchen sind ja für Wagenbach, was der Geißbock Hennes für den FC Köln: eine Art Verlags-Maskottchen. Nina Wagenbach kann auch erklären, warum: "Diese Tiere können Haken schlagen, sie sind wendig, vermehren sich enorm und überleben immer."