Karin Bohm-Lancés Engagement in Heilbad Heiligenstadt

Kleinstadt(l)eben

6. Dezember 2016
von Börsenblatt
Seit fast 30 Jahren verkauft Karin Bohm-Lancé in Heilbad Heiligenstadt Bücher. Manchmal erinnert der Job eher an einen Hürdenlauf – doch belohnt wird der Einsatz durch ausgesprochen treue Kunden.

Beim Betreten der Eichsfelder Bücherstube im thüringischen Heilbad Heiligenstadt werden Erinnerungen wach. Seit meiner Kindheit habe ich hier meine Bücher gekauft. Meine einstige Heimatstadt hat sich seitdem verändert, viele Läden sind verschwunden, einige wurden neu eröffnet, meist steht irgendwo das Wort "Schnäppchen" an der Schaufensterscheibe. Doch die Eichsfelder Bücherstube ist immer noch da. Ich bin mit der Inhaberin Karin Bohm-Lancé verabredet und werde überrascht, denn in der Buchhandlung erinnert man sich noch an mich, obwohl ich vor vielen Jahren fortge­zogen bin. Kleinstadtleben eben.

Man hört Karin Bohm-Lancé noch heute an, dass sie nicht aus dem Eichsfeld, sondern aus Brandenburg stammt. Kurz vor der Wiedervereinigung, 1988, hat es sie in die rund 17.000 Einwohner zählende Kleinstadt verschlagen. Wie das eben immer so sei – der Liebe wegen, erzählt die Buchhändlerin schmunzelnd. Damals war sie als Angestellte in der Buchhandlung tätig, die sie 1991 übernahm. Mittlerweile gehören ihr zwei von vier Buchhandlungen der Stadt, neben der Eichsfelder Bücherstube (140 Quadratmeter) auch Wetzel's Buchhandlung (80 Quadratmeter), die mit ihrem christlichen Sortiment und ihren Non-Book-Artikeln perfekt in das stark katholisch geprägte Eichsfeld passt. Dass viele Kunden gar nicht wissen, dass sie beide Läden betreibt, ist ihr ganz recht, sie vertraut ihrem insgesamt sechsköpfigen Team. Geschäftsführer von Wetzel's Buchhandlung ist ihr Mann Rolf Rainer Lancé. Als sie vor rund 20 Jahren die Buchhandlung erwarb, legte Bohm-Lancé großen Wert auf die Übernahme der Mitarbeiter und behielt auch das bewährte Sortiment bei. In der Eichsfelder Bücherstube geht es dagegen eher weltlich zu. Hier gibt es Titel der Bestsellerliste, Kinder- und Jugendbücher, Schulmaterialien, Zeitschriften, Non-Books, Kalender und jede Menge Regionalia.
 
Wie viele ihrer Kollegen kennt auch ­Karin Bohm-Lancé harte Zeiten. Wenn in der Straße vor der Ladentür Bauarbeiten stattfinden oder ein Gerüst vor dem Haus steht, mache sie sich auch schon mal Sorgen, erzählt die Buchhändlerin, schließlich seien Löhne und Mieten Fixkosten, die immer bezahlt werden müssten. Bisher hat sie allerdings gemeinsam mit ihrem Team alle Hürden gemeistert. Vor allem das Schulbuchgeschäft sorgt immer wieder für Herausforderungen: Kurz nach der Wiedervereinigung lagen die bestellten Bücher lose im LKW, Pappen und Paletten fehlten. Ein anderes Mal konnten die Schulbücher wegen einer Baustelle nicht angeliefert werden – zum Glück fand sich dank guter Kontakte ein Ausweichquartier im rund 500 Meter entfernten Krankenhaus. Mitten im Schulbuchgeschäft mussten Bohm-Lancé und ihre Mitarbeiter regelmäßig dorthin eilen. Ohnehin: Ihr Team sei unverzichtbar, sagt die Buchhändlerin, die immer wieder betont, dass sie kein Einfrauunternehmen führe, sondern viel Unterstützung bekomme.

Trotz der hohen Buchhandlungsdichte kann sich Karin Bohm-Lancé in der Kleinstadt behaupten. Veranstaltungen anzubieten – das ist für sie genauso selbst­verständlich wie die Teilnahme an Märkten in der Stadt und der Umgebung. Beispielsweise war Vatikankorrespondent Andreas Englisch vor einigen Wochen zu Gast, um in der ausverkauften Stadthalle vor 600 Gästen sein Buch vorzustellen. Auch Kundenwünsche greift sie gern auf – deshalb lud die Buchhändlerin jüngst zu einem Klangschalenabend mit Meditation in die Eichsfelder Bücherstube ein, obwohl sie eher skeptisch war. Die Veranstaltung war ein voller Erfolg.

Schon Tradition hat das jährliche "Petterson und Findus"-­Theater in der Eichsfelder Bücherstube. Die Familien kommen in Scharen. "Wenn wir die Buchhandlung in ein Theater verwandeln, haben wir zusammengerechnet sechs Veranstaltungen. Anschließend lade ich die Beteiligten zu mir nach Hause ein, und es gibt Kartoffelsalat und Würstchen. Dann bringen alle ihre Familien mit und wir genießen die schöne Zeit", erzählt die Buchhändlerin.

Pläne für weitere Aktionen hat sie mehr als genug, unter anderem möchte sie einmal Bundespräsident Joachim Gauck nach Heiligenstadt einladen. Aktuell steht allerdings erst mal das Weihnachtsgeschäft vor der Tür. Hier zeigt sich die Philosophie der Buchhändlerin: geben und nehmen. Denn zwischen Adventsmärkten, Krippenausstellungen mit Wetzel's Buchhandlung und Vorweihnachtsstress bleibt noch genügend Zeit, um den Jüngsten der Stadt vorzulesen. Dann sitzt eine Kinderschar bei Keksen im Laden und lässt sich in fremde Welten entführen.

Honoriert wird dieses Engagement durch Kundentreue. ­Neben der Stammklientel schauen auch Kurgäste und Laufkundschaft vorbei. Dabei haben die Standorte beider Geschäfte auch ihre Schattenseiten, zumindest für Kunden, die mit dem Auto unterwegs sind: Wetzel's Buchhandlung liegt in einer Fußgängerzone und die Eichsfelder Bücherstube in einer Einbahnstraße. Hauseigene Parkplätze gibt es dort nicht.

Die Buchhändlerin ist eine feste Größe in der Stadt. Unser kleines Gespräch im Laden wird von freundlichem Grüßen und kurzen Unterhaltungen unterbrochen, Karin Bohm-Lancé hat ein offenes Ohr für jeden, der hereinschaut. Von einer "sterbenden Innenstadt" will sie trotz einiger Leerstände nichts wissen. Die Buchhändlerin ist stolz auf die Kurstadt und engagiert sich für den Ort. So setzte sie sich zum Beispiel mit anderen Bürgern dafür ein, dass der Dichter Theodor Storm, der einige Jahre in Heiligenstadt gelebt hat und hier "Die Regentrude" schrieb, ein weiteres Denkmal – in der Nähe der Eichsfelder Bücherstube – bekommt: den ­"Puppenspieler" des Bildhauers Werner Löwe.

Auch dem Sortiment ist die Verbundenheit zur Region anzusehen. Titel über das Eichsfeld laufen gut. Außerdem arbeitet die Buchhändlerin gemeinsam mit anderen Heiligenstädtern an einem regionalen Kochbuch. Auf die Frage, ob solche Angebote auch bei den Jüngeren ankommen, antwortet sie verschmitzt: "Wissen Sie, meine Tochter lebt nicht mehr im Eichsfeld und war die Erste, die unbedingt ein signiertes Exemplar haben wollte."

Auch im Buchhändleralltag fehlt die Tochter manchmal. Seit sie erwachsen ist und einen eigenen Beruf hat, ist der Buchhandelsauftritt in den sozialen Medien etwas verwaist. Doch auch dafür hat die Buchhändlerin eine Lösung. Mit einem neuen Kollegen oder einer neuen Kollegin soll bald frischer Wind in die Eichsfelder Bücherstube einziehen. Eine Aufgabe steht schon fest – die Betreuung der Social-Media-Kanäle.

Kontakt:

Eichsfelder Bücherstube
Wilhelmstraße 69
37308 Heilbad Heiligenstadt
Tel. 03606/619371
Fax 03606/603032
E-Mail: bohm-lance@eichsfelder-buecherstube.de
www.eichsfelder-buecherstube.de

Wetzel's Buchhandlung
Wilhelmstraße 29
37308 Heilbad Heiligenstadt
Tel. 03606/600520
E-Mail: info@buchhandlung-wetzel.de