Karrieretag "Buch und Medien 2017"

Allein die Haptik des Papiers ist etwas Wunderbares

27. März 2017
von Börsenblatt
Fast alle hatten sie ursprünglich an einen anderen Beruf in der Branche gedacht, dann aber festgestellt: Es gibt ziemlich viele tolle Arbeitsfelder zu entdecken. Vier junge Buchbegeisterte erzählten beim Karrieretag "Buch und Medien 2017" vom Suchen und Finden der richtigen Stelle.

"Ich habe immer gedacht, ich will gerne ins Lektorat und habe dann im Praktikum festgestellt, dass ich Herstellung einen total spannenden Bereich finde", berichtete Hanna Schindehütte, ausgebildete Medienkauffrau und Studentin an der Hochschule der Medien Stuttgart im Fachbereich Mediapublishing - gerade hat sie ihre Bachelorarbeit über Erstlese-Apps geschrieben. Durch Praktika und Arbeiten bei Ravensburger und Kosmos hat sie bereits unterschiedliche Erfahrungen sammeln können - die Schönste ist das Herstellen von Büchern: "Schon die Haptik des richtigen Papiers zum Beispiel ist etwas Wunderbares." Nicht nur Schindehütte ermutigte die rund 40 Zuhörer der Podiumsveranstaltung "Meine Zukunft. Karrieremöglichkeiten in der Buchbranche", auch ungewöhnliche Wege zu versuchen und sich in verschiedenen Bereichen auszuprobieren.

Rabea Dahlhausen, Volontärin im Lektorat bei Ullstein, entzauberte die Vorstellung, eine Lektorin würde wochenlang mit einem Schriftsteller nur um die Qualität eines Textes ringen. Sie beschrieb die Arbeitsabläufe im Lektorat, erzählte von den vielen unverlangt eingesandten Manuskripten, die geprüft werden müssen, von der Arbeit an Texten, von Vorschauen, Konferenzen und mehr. Auch Karishma Schumacher, im Carlsen Verlag für Marketing vor allem für Manga zuständig, gab Einblicke in ihren Arbeitsalltag und berichtete von ihrem Werdegang. Schumacher hatte sich einfach getraut, im Hamburger Verlag anzuklopfen - und das Glück gehabt, dass ihr die Türen geöffnet worden sind. Malu Schrader, Sortimenterin im Buchladen am Freiheitsplatz in Hanau und selbstständige Veranstalterin für Leseevents, zeigte den Zuhörern, wie Welt des Bücherverkaufens aussieht und wie man mit den unterschiedlichen Kunden ins Gespräch kommt.

Das Schönste an der Arbeit

Rabea Dahlhausen stellte der Buchbranche ein gutes Zeugnis als "freundliche Branche" aus, in der man auch als Anfängerin gut aufgenommen werde und der Konkurrenzdruck nicht so hoch sei. Dass man für den Einstieg auch die kleinen Verlage, Buchhandlungen & Co. im Blick haben soll, rieten alle vier Podiumsteilnehmerinnen - hier könne man sich häufig gut mit einbringen und vielfältige Arbeitserfahrungen sammeln. Zum Abschluss erzählten die Vier von ihren schönsten und weniger geliebten Arbeitsaufgaben - während Karishma Schumacher das "Go!" ausländischer Lizenzgeber für die von ihr entwickelten Marketingmaßnahmen besonders zufrieden stimmt, freut sich Malu Schrader über glückliche Kunden und Veranstaltungsbesucher, die neue Entdeckungen machen konnten. Hanna Schindehütte findet die optimale Ausstattung eines Buchs befriedigend, und Rabea Dahlhausen, wenn auch der Autor mit ihren Anmerkungen glücklich ist. Die Begeisterung für das, was sie tun, konnte das Publikum bei allen Vier deutlich spüren.

Bewerben - aber richtig

Um 14 Uhr wurde im Fachforum 2 offen über Do’s und Don’ts rund um die Bewerbung gesprochen. Für den Buchhandel saß Max Riethmüller (Osiander) auf dem Podium, für die Welt der Verlage sprach Stefanie Brich vom Börsenverein Landesverband Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland, die Bewerbungssituationen aus ihrer eigenen Karriere bei Springer Gabler von beiden Seiten des Tischs her kennt. Bewerbungsfoto ja oder nein? Soll ich anrufen, wenn in der Ausschreibung kein Ansprechpartner genannt ist? In beiden Fällen plädierten Riethmüller und Brich zu einem klaren Ja.

Außerdem gaben sie Nachwuchskräften weitere praktische Tipps mit auf den Weg: Das Anschreiben, so Riethmüller, dürfe im Zweifelsfall auch etwas länger als eine Seite lang sein, vor allem wenn es bei einem Quereinstieg darum gehe, die eigene Motivation und Eignung für die ausgeschriebene Stelle zu unterstreichen. „Aber bitte paraphrasieren Sie nicht Ihren Lebenslauf!“, riet Riethmüller. Zu Piercings im Gesicht sollte man stehen – aber damit rechnen, dass diese auf einer bestimmten Karriereebene oder in Fachhäusern nicht gut ankommen. „Gerade bevor Sie eine Initiativebewerbung starten, sollten Sie im Unternehmen anrufen und nachhören, ob es einen Bedarf gibt und an wen Sie sich wenden können“, unterstrich Brich. Eine der wichtigsten Erkenntnisse der Diskussion: Gerade im Buchhandel sind Studienabbrecher und –abbrecherinnen, die „etwas Praktisches machen wollen“ als Auszubildende sehr gerne gesehen.

 

Digitaler Pioniergeist

Über die Unvermeidlichkeit des Scheiterns und Neubeginns ging es am hingegen am um halb elf am Morgen: Braumüller-Lektorin Anita Luttenberger, Onlinemarketing-Spezialist Albrecht Mangler, Michael Döschner-Apostolidis (COO bei Holtzbrinck E-Publishing) Carmen Udina (dtv digital) und Rina Schölzel (Buchhandlung Carloin Wolff in Bruchsal) diskutierten mit Börsenblatt-Redakteur Kai Mühleck über die Frage, wie viel digitales Knowhow heute für eine Arbeit in der Buchbranche nötig sei. Pflicht, da waren sich alle Teilnehmer einig, seien vor allem die gängigen Office-Anwendungen. Darüber hinaus seien angesichts des Tempos der technischen Innovationen vor allem „Neugierde, Leidenschaft und Lernbereitschaft“ die Währung des Erfolgs, wie Döschner klarmachte. Immer wieder werde man mit Aufgaben konfrontiert, für die es keine Lösung gebe, dies bedeute nicht weniger, als auch einmal scheitern (zu dürfen), wie Udina bekräftige. Sie stellte vor, welche innovativen Digitalprodukte, darunter bspw. kurze Serien und Prequels dtv digital heute bereits veröffentlicht – Döschner ergänzte diese Ausführungen um den Hinweis, dass Publikumsverlage heute einen Großteil ihres Umsatzes online verdienen – vor allem durch Onlinemarketing aber auch digitale Produkte, die heute oft für zehn und mehr Prozent des Umsatzes bei Belletristik-Verlagen sorgen.

Albrecht Mangler von Bilandia berichtete, wie sein Unternehmen sich vom Buchhandelsshop komplett neu erfunden hat: als den Machern klar wurde, wie sich erfolgreich auf Social Media kommunizieren lässt und die Onlinekonkurrenz für den Webshop übermächtig wurde, legte das Unternehmen einen Neustart als Marketinagentur hin. Dass es trotzdem auch im Lektorat Phasen gebe, in denen über einen ausgedruckten Text gebrütet werde, machte Luttenberger klar. „Manche Autoren wollen über jedes Komma sprechen“, verriet die Lektorin.