Kranichsteiner Jugendliteratur-Stipendien 2015

Stipendien für Antelmann und Kordić

3. März 2015
von Börsenblatt
Der Deutsche Literaturfonds und der Arbeitskreis für Jugendliteratur vergeben am 12. März auf der Leipziger Buchmesse die Kranichsteiner Jugendliteratur-Stipendien an Corinna Antelmann für ihren Roman "Der Rabe ist acht" (mixtvision) und an Martin Kordić für sein Debüt "Wie ich mir das Glück vorstelle" (Hanser).

Corinna Antelmanns Roman sei "ein radikales Erzählexperiment", begründete die Jury ihre Entscheidung. "Zwei Jugendliche, hochintelligent und reflektiert, wollen Schicksal spielen – bis hin zu geplanten Morden. Davon und von den Gründen dafür erzählen sie abwechselnd, jeder aus der eigenen Perspektive: Maja seziert das Rollenverhalten von Eltern, Mitschülern und Lehrern, vor allem aber das eigene als Musterschülerin. Klebe sucht, pendelnd zwischen Spiel und Ernst, den Sinn des Lebens in kabbalistischer Zahlenmystik und geht als Schlaumeier nicht nur seinen Lehrern auf die Nerven. Maja ist voller Wut, und Klebe weist dieser Wut eine Richtung. Wie in einem Laborversuch werden die Zutaten – enttäuschte Erwartungen, Selbsthass und gekränkte Eitelkeiten – gemischt. Der Leser folgt zwei unzuverlässigen Stimmen, fasziniert von der Handlung und vom Dialog der beiden, aber der Roman setzt nicht auf Identifikation mit den Helden, sondern auf die distanzierte Betrachtung der Dynamik ihrer Beziehung."

Bei Martin Kordić rühmt die Jury den Blick auf die "universellen Schrecken des Krieges und auf die Verwüstungen, die er in der Seele eines Menschen hinterlässt". Kordić erzählt in "Wie ich mir das Glück vorstelle" vom Bürgerkrieg in Ex-Jugoslawien und von einer Stadt, die vielleicht Mostar sein könnte. Der etwa 13-jährige Viktor, von Geburt an ein verkrüppeltes Kind, beschreibt sein Leben inmitten des Krieges: als Kind, dessen Familie ausgelöscht ist, als Kind in einem Heim, als Kind unter anderen Kindern, die Überlebensgemeinschaften bilden, aber nicht aus Anteilnahme sondern aus kalkulierter Nützlichkeit. Die Erfahrung von Gewalt formt die Charaktere wie die Struktur des Romans. Es wird in Vor- und Rückgriffen erzählt, mal in der ersten, mal in der dritten Person Singular, und konsequent im Präsens, weil alles immer Gegenwart bleibt, weil kein Unheil vergessen werden kann. Viktor berichtet distanziert und nüchtern von sich selbst, als müsse er sich vor den eigenen Erfahrungen schützen. Der eingeschränkte Blickwinkel des Halbwüchsigen lenkt die Sicht des Lesers auf den universellen Schrecken des Krieges und auf die Verwüstungen, die er in der Seele eines Menschen hinterlässt."Beide Autoren erhalten ein jeweils sechsmonatiges Stipendium in Höhe von 12.000 Euro.


Eine unabhängige Jury wählte die Stipendiaten anhand der deutschsprachigen Einreichungen zum Deutschen Jugendliteraturpreis 2015 aus. Der Jury für die Kranichsteiner Jugendliteratur-Stipendien gehörten Stephanie Jentgens (Vorsitzende des Arbeitskreises für Jugendliteratur), Brigit Müller-Bardorff (Vorsitzende der Kritikerjury zum Deutschen Jugendliteraturpreis 2015) und Michael Schmitt (3sat/Kulturzeit) an.

Am Freitag, dem 13. März 2015, um 10.00 Uhr präsentiert Michael Schmitt die beiden Stipendiaten am 3sat-Messestand (Glashalle).