Kurt-Wolff-Preis: Elfenbein Verlag

Einladung zum Tanz

16. Januar 2018
von Nils Kahlefendt

Reise durch die Literaturen der Welt in 22 Jahren: ein Besuch bei Ingo Držečnik, der den Elfenbein Verlag auf Kurs hält und im März mit dem Kurt Wolff Preis geehrt wird.

Ingo Držečnik, Verleger des Elfenbein Verlages, Januar 2018

Ein Elfenbeinturm sieht anders aus: Ingo Držečnik empfängt in der zum Verlagskontor umgebauten Küche der Berliner Wohnung, die er mit seiner Frau und den zwei Kindern bewohnt. Vor 22 Jahren, als er mit seinem Kumpel Roman Pliske in Heidelberg den Elfenbein Verlag gründete, lag nichts ferner als eine Karriere in der Branche. Als Herausgeber der Literaturzeitschrift »metamorphosen« begeisterten sich die Germanistikstudenten für Gedichte des Lyrikers Andreas Holschuh. »Daraus wollten wir ein Buch machen«, erinnert sich Držečnik. »Plötzlich lagen andere Manuskripte auf dem Tisch. Und dann ging’s weiter.«

Ihren ersten Coup landen die beiden, als sie auf der Frankfurter Buchmesse 1997 – Gastland war Portugal – mit António Botto und José Riço Direitinho gleich zwei portugiesische Geheimtipps im Programm hatten. Eine Konstante bis heute, zu der sich im Lauf der Zeit Katalanen, Griechen, Franzosen, Tschechen, Ungarn und weitere Deutsche gesellten. 
In Heidelberg wurden die Jungverleger bald als »die Zwei von der Tankstelle« auffällig – nach dem ersten Verlagssitz in einem ehemaligen Tankstellenwärterhäuschen.

2001 zog der Elfenbein Verlag vom »Weltdorf« Heidelberg an den Prenzlauer Berg. Zum Einstand gelang dank der Wiederentdeckung von Peter de Mendelssohns »Fertig mit Berlin« (400 S., 19 Euro), in dem die Kritik einen »Pop­roman der Generation Berlin der Weimarer Republik« erkannte, ein echter Kracher. Als Kompagnon Pliske Mitte der Nullerjahre Berlin verließ, um Geschäftsführer des Mitteldeutschen Verlags in Halle/Saale zu werden, biss Ingo Držečnik in den (nicht nur) sauren Apfel des Brotberufs. Sein Standbein in der Erwachsenenbildung gibt ihm die Freiheit, die Bücher zu verlegen, die er selbst gern liest.

Schätze heben

Das können dann schon mal 1 400-Seiten-Ziegelsteine wie »Odyssee. Ein modernes Epos« (79 Euro) sein, das Hauptwerk des Griechen Nikos Kazantzakis, das nun erstmals in einer zweisprachigen Ausgabe vorliegt. Oder die »Anderswelt«-Trilogie von Alban Nikolai Herbst, die es, neu überarbeitet, komplett im Paket gibt. Den bislang größten Schatz hebt der Verlag mit der Wiederentdeckung von Anthony Powells zwölfbändigem Romanzyklus »Ein Tanz zur Musik der Zeit«, der, vom Feuilleton bejubelt, seit Herbst 2015 erscheint.
Schon 15 Jahre zuvor, nach Powells Tod, hatte der Verleger Kontakt mit Übersetzer Heinz Feldmann aufgenommen, dessen Übersetzung der ersten drei Bände in den 80ern bei Ehrenwirth erschienen war. Das Projekt ruhte lange, anderes drängte ans Licht. Heute bringt das Label speak low die Hörbücher heraus, dtv erwarb die Taschenbuchrechte. Und trotzdem kommt der Elfenbein-Verleger mit dem Nachdruck der schön gestalteten Hardcover kaum hinterher.

Dass nicht alle Träume gereift sind, die Elfenbein Literaturhandlung im Nachbarhaus nach sieben schönen, verflixten Jahren wieder zusperrte – geschenkt. Für Ingo Držečnik bedeutet der Kurt Wolff Preis, neben finanzieller Unab­hängigkeit auf Zeit, eine unerwartete Ehre. Auf Augenhöhe mit den Wagenbachs & Weidles dieser Welt: toll. »Es gab Zeiten, in denen ich es mir gewünscht hätte. Dass es jetzt, wo ich nicht damit gerechnet habe, doch passiert, ist besonders schön.« Hinter ihm im Regal stehen, alphabetisch geordnet, die Elfenbein-Werke aus 22 Jahren. »Ich habe nun zum dritten Mal ISB-Nummern nachbestellt«, meint der Verleger: »Zwei Mal waren es 100. Jetzt hab’ ich 1 000 gekauft.« Sieht so aus, als würde Držečnik für 22 weitere Jahre planen. Mindestens.