Lange E-Book-Nacht in Hamburg

„Jetzt bin ich wieder im Ruhezustand“

16. Juli 2015
von Christina Busse
Hamburg feierte am vergangenen Freitag die 1. Lange Nacht des E-Books. Erstmals holte das Team des E-Book-Camps das Format in die Hansestadt. Das Programm bestritten Verlage und Buchhandlungen gleichermaßen - boersenblatt.net war bei den Sortimentern dabei.

Im Programm von 17 Uhr bis Open End führten Verlage (Acabus, asphalt & anders, Carlsen Impress, Edel eBooks, Hoffmann und Campe, Mairisch, Oetinger, Rowohlt u.a.) und Buchhandlungen, Dienstleister und Institutionen quer durch die Stadt – in eigene Räume, ins Café und ins Co-Working-Haus für die Kreativszene. In der Hamburger Bücherhalle wurde E-Book-Bingo gespielt, in einer Live-Kochshow, initiiert von Books on Demand, sollte zeitgleich gemeinsam mit den Besuchern ein E-Kochbuch entstehen, während das Istituto Italiano und das Instituto Cervantes ihre (digitalen) Bibliotheken vorstellten.

Tolino für Einsteiger

Großen Zulauf hatte der Einführungs-Workshop zum digitalen Lesen in der Buchhandlung Stories!. Rund 30 Gäste hatten im Lesesaal der Buchhandlung Platz genommen, um sich bei den Libri-Referenten Michael Eberlin und Victoria Naumann über Lesegeräte, Formate und Online-Shops zu informieren, während im Hintergrund die Kaffeemaschine zischte und es draußen dunkelte. „Dies ist unsere erste Veranstaltung zum E-Book und ich freue mich über die positive Resonanz“, so Inhaberin Annerose Beurich, die den Tolino E-Reader anbietet. „Er ist viel weniger beratungsintensiv als das Modell, das wir früher hatten. Der Tolino ist bei den Kunden schon bekannt, da hat Thalia gute Vorarbeit geleistet.“ Das Publikum - bis auf Ausnahmen in der Altersgruppe 40+, rund ein Viertel davon Männer - hatte an dem Abend jede Menge Fragen, meist technischer Natur. Das reichte von den Unterschieden in der Anwendung der Lesegeräte verschiedener Hersteller über die Registrierung, den Datenschutz und die Frage „Wie verschenke ich ein E-Book?“ bis hin zu „Kann ich eine virtuelle Bibliothek vererben?“

Digitales Lesen auf dem Prüfstand

Verleihen und Verschenken waren Aspekte, die auch die Kunden des Büchecks in Hamburg-Niendorf bewegte. „Ich kaufe und lese viele Bücher. Aber ich behalte sie nicht, sondern gebe sie weiter. Wenn ich beim E-Book nur das Nutzungsrecht erwerbe, geht das nicht“, stellte eine Besucherin fest. Aber auch Vorteile des digitalen Lesens waren bei den rund ein Dutzend Besuchern im Gespräch: leichtes Gepäck statt buchschwerer Reisekoffer und individuell wählbare Schriftgrößen zum Beispiel. Zoë Beck und Jan Karsten von CulturBooks, einem im Jahr 2013 gegründeten reinen E-Book-Verlag, gaben hier per Smartphone-Lesung nicht nur eine Kostprobe aus ihrem Programm, sondern führten auch gemeinsam mit Buchhändlerin Christiane Hoffmeister eine lebhafte Diskussion mit dem Publikum. Ein Punkt, der die Gemüter bewegte: Mögliche Zusatzfunktionen im E-Book, wie Audio- und Videoelemente, und interaktive Features. „Das interessiert mich gar nicht. Ich erwarte ein gedrucktes Buch in elektronischer Form. Ich will kein Blinken und Tuten, ich will nur lesen“, stellte eine Besucherin klar. Man konnte sich schließlich einigen: „Es gibt tolle, optionale Zusatzfunktionen“, so ein weiterer Gast, die man nutzen könne, aber nicht müsse. CulturBooks-Autor Stephan Beuse, aufgefordert, nun mit seiner Lesung aus seinem Buch „Warten auf die Löwen“ zu beginnen, stellte mit dem E-Reader in der Hand fest: „Ach, jetzt bin ich gerade wieder im Ruhezustand.“ Erörtert wurden hier auch Fragen, die das Publikum hinsichtlich des Inhalts stellten: „Schreibt man anders fürs E-Book?“

Praxistext bei Cohen + Dobernigg

Eine praktische Schritt-für-Schritt-Einführung in das digitale Lesen bot Tobias Wißmann in der Buchhandlung Cohen + Dobernigg ab 21.30 Uhr, während Partygänger und Halloween-Fans am Schaufenster vorüberzogen. Wißmann, gelernter Buchhändler und Dozent am mediacampus frankfurt, wollte den Einstieg in die Handhabung eines E-Readers und den Einkauf im Online-Shop von Cohen + Dobernigg realistisch darstellen und demonstrierte beides über Beamer. „Da kommen dann immer so Erfolgsmeldungen, das finde ich ganz schön“, so Wißmann im Praxistest. Offenen Fragen aus dem Publikum konnte 1:1 nachgegangen werden, bevor E-Reader verschiedener Hersteller in den Testphase gingen und noch fast bis Mitternacht diskutiert wurde. „In den vergangenen drei Monaten bin ich deutlich häufiger auf E-Books angesprochen worden“, stellte Buchhändler John Cohen fest, der digitalen Lesestoff bislang in „fast nicht existentem“ Umfang verkauft habe, trotz eines „technikaffinen Publikums“ – „ungefähr 60 Stück im Jahr“, führte er aus. Ähnliche Erfahrungen macht übrigens auch Annerose Beurich von Stories!: „Der Umsatzanteil über E-Books ist marginal. Aber es ist eine wichtige Investition in die Zukunft, sich in dem Bereich zu engagieren. Die Kunden sollen sehen, dass wir auch dafür zuständig sind", resümierte sie.