Lesetipp

Der Kindertraum schlechthin

15. Februar 2016
von Stefan Hauck
Einfach tun und lassen, was einem gefällt, ohne dass die Erwachsenen einem ständig Vorschriften machen: Das muss herrlich sein!, denken sich nicht wenige Kinder. Paul erlebt einen solchen Tag - aber so ganz ohne Menschen fehlt dann doch etwas.

Beim Aufwachen sind die Eltern schon weg, und Paul freut sich, dass er mal ganz alleine im Haus ist. Dann packt den Knirps die Abenteuerlust: Raus aus dem Haus, wo die Straßenbahn steht, aber weder Schaffner noch Fahrer noch Fahrgäste drinnen sind. Im Milchladen, im Schokoladengeschäft, im Obstladen bietet sich ihm dasselbe Bild: Kein Mensch ist zu sehen. Während Erzähler Jens Sigsgaard die Abenteuerlust betont ("Paul findet es herrlich, allein auf der Welt zu sein"), zeigt Zeichner Arne Ungermann auch einen zögerlichen Jungen, der ratlos vor der Tür steht, bevor er bei Schokolade, Äpfeln und Apfelsinen beherzt zugreift.

Als Paul auf den Fahrersitz der Straßenbahn klettert, nimmt die Geschichte im wahrsten Sinne des Wortes Fahrt auf. Nur bremsen kann der Junge nicht, so dass der Waggon an der nächsten Haltestelle auf die dort stehende Straßenbahn knallt und die viel zu große Schaffnermütze plötzlich Paul ganz verloren aussehen lässt. In den 1940er Jahren in Dänemark geschrieben, ist die Perspektive der Kindersicht dieselbe geblieben. Die Textseite links, die Bildseite rechts, so folgen Betrachter und Vorleser /Erstleser der Handlung, die sich den weiteren Wünschen des Jungen widmet. In der Bank holt er sich einen Sack mit tausend Münzen: "Er hat nun einen Haufen Geld und kann sich alles kaufen, was er haben möchte". Der Kindertraum schlechthin.

Bloß ist in den Geschäften niemand. Niemand, der Geld entgegennehmen würde. So fährt Paul mit dem Feuerwehrauto, marschiert quer über den Rasen, obwohl da ein Schild "Bitte den Rasen nicht betreten!" steht, geht ins Kino. Langsam fängt es an, öde zu werden, das Sinnbild der Wippe auf den Spielplatz zeigt es: Ohne Freunde kann man nicht wippen, dazu braucht es mindestens noch ein Gegenüber. Was er sich im Grandhotel kocht, brennt an - wäre doch ganz schön, wenn Papa oder Mama kämen. Schließlich steigt er in ein Flugzeug, fliegt, immer höher, bis er dem Halbmond die Spitze abrasiert, aus dem Flugzeug fällt, ins All purzelt - und im Bett aufwacht. Puh, alles nur ein Traum! Die Eltern sind da, die Freunde draußen auf dem Spielplatz - wie gut, dass der Kindertraum dann doch nur ein Kindertraum war.

Jens Sigsgaard, Arne Ungermann: "Paul allein auf der Welt", Eulenspiegel Kinderbuchverlag, 52 S., 9,99 Euro, ab 4