Ich mag Buchhandlungen. Klar. Eine Lieblingsbuchhandlung habe ich aber nicht. Ich mag auch Eissalons, aber wenn mich jemand fragen würde, welcher Eissalon mein liebster ist, wüsste ich keine Antwort. Am liebsten gehe ich in Eissalons, die ich nicht kenne. Die Eissorten im Angebot haben, von denen ich noch nie etwas gehört habe. Orange-Chili. Oder Waldbeere-Basilikum. Selbst Schokoladeeis schmeckt überall anders, und das herauszufinden, macht mir Spaß. Aber hier geht es natürlich nicht um Eissalons.
Mit Buchhandlungen ist es aber genauso. Am liebsten gehe ich in Buchhandlungen, die ich nicht kenne. Die ich auf meinen Reisen zufällig entdecke. Ich reise gern allein und ohne Plan. Selten an einen Ort ein zweites Mal. Lasse mich durch die Straßen und Gassen von Neapel, Havanna, Lissabon, Kapstadt oder Santiago de Chile treiben. Und wenn ich an einer Buchhandlung vorbeikomme, gehe ich hinein. Ich werde dann zum Kind, gehe umher, sehe mir alles an, streiche über Buchrücken. Bin gespannt, welche Bücher mich im nächsten Regal, im nächsten Raum oder auf der Galerie erwarten. Lasse mich überraschen. Kaufe ein Buch. Meistens zwei. Und ein Schreibheft für Reisenotizen.
Manchmal beneide ich Menschen, die eine Stammbuchhandlung haben. Eine Art zweites Wohnzimmer, in dem sie sich zu Hause fühlen. Wo sie von der Buchhändlerin oder dem Buchhändler des Vertrauens herzlich begrüßt werden, vielleicht mit einer Tasse Tee. Bestimmt hat auch ein Stammeissalon seine Vorteile. Man weiß, was man bekommt. Wie cremig das Erdbeereis ist und wie süß. Menschen, die einen Lieblingseissalon, ein Lieblingskaffeehaus, ein Lieblingsurlaubsland, eine Lieblingsbuchhandlung oder ein Lieblingsirgendwas haben, scheinen mir ausgeglichener. Zufriedener. Ich hatte noch nie ein Lieblingsirgendwas. Schon in der Schule scheiterte ich am Ausfüllen des Freundschaftsbuchs. Lieblingsurlaubsland? Ich bin eine Reisende. Eine, die sich unterwegs zu Hause fühlt. Die Städte und Länder entdecken möchte. Oder Buchhandlungen.
Als ich vor Kurzem erfahren habe, dass es in Wien eine neue Buchhandlung gibt, bin ich mit der U-Bahn einmal quer durch die Stadt gefahren. Ins Servitenviertel. Mit Kopfstein gepflasterte Straßen, kleine Läden und Cafés, Theater und Museen. Hier hat sich Nina Oechsli einen Traum erfüllt: eine eigene kleine Buchhandlung, die so bezaubernd ist wie das ganze Viertel. Ninas Leidenschaft für ihren Laden und die Literatur spürt man sofort. Sie zeigt mir Romane, die sie begeistert haben. Ich höre ihr gern zu. Blättere durch die Bücher. Sehe mir das bedruckte Schreibpapier und die Notizhefte an. Wunderschöne handgefertigte Hefte. Wäre die Buchhandlung Oechsli ein Eissalon, würde es Sorten wie Rose-Koriander oder Vanille-Kardamom geben. Ich kaufe ein mango-safran-gelbes Schreibheft und einen Roman, bei dem Nina ins Schwärmen kommt, und verlasse glücklich den Laden. Nicht einmal die Tatsache, dass die meisten Wiener Eissalons im Winter geschlossen haben, kann mir die gute Laune verderben.