London Book Fair 2018

Hörbuch und Film mobilisieren Buchkäufer

12. April 2018
von Nicola Bardola
Die Stimmung auf der London Book Fair war gut in diesem Jahr, auch bei den deutschen Austellern. Der Rechtehandel brummt, und das Hörbuch boomt – zumindest in Großbritannien. Einschätzungen und Beobachtungen vom Messegelände im Londoner Olympia.

Der Gemeinschaftsstand der deutschen Verlage befindet sich wieder in bester Lage in der Grand Hall und wächst weiter: 32 Aussteller, fünf mehr als 2017, präsentieren ihre Bücher und prüfen auch Angebote aus dem Ausland. Bärbel Becker, Leiterin der Internationalen Programme bei der Frankfurter Buchmesse verzeichnet mehr Besucher als letztes Jahr. Das gilt besonders auch für den Empfang "New Books in German". Ihre Kollegin am Schweizer Gemeinschaftsstand nebenan, Myriam Lang, bestätigt den positiven Eindruck. Dort sind es zwar gleich viele Aussteller geblieben wie 2017, aber mit deutlich mehr Titeln und mehr Tischen.

"Die Atmosphäre ist sehr gut", sagt auch Heiko Fischer, Produktmanager Natur bei Kosmos. Er hat sich soeben den Folgeband zu David Lindos "Urban Birding" gesichert. "Der Autor tritt am 14. April in Stuttgart auf", freut sich Fischer. Francesca Bressan, seit 18 Jahren für Lizenzen bei Herder verantwortlich, absolviert im Halbstundentakt Termine am Gemeinschaftsstand. Gerhard Lohfinks Buch "Der christliche Glaube erklärt in 50 Briefen" hat großes Interesse geweckt. "Wir haben viele Angebote, unter anderem mehrere auch aus den USA bekommen. Wir werden erst nach der Messe gemeinsam mit dem Autor entscheiden, wer den Zuschlag bekommt", so Bressan. 

Martin Hielscher, Literatur-Programmleiter bei C.H. Beck, hält sich vorwiegend im International Rights Center auf. Dort arbeiten die Scouts Sanford Greenberger für ihn. Die Kooperation hat erst Ende letzten Jahres begonnen und trägt schon Früchte: Liz Moores Roman "Long Bright River", eine dystopische Familiengeschichte, verknüpft mit einem Kriminalfall, erscheint im Herbst 2019 in den USA und wenig später bei C.H. Beck. "Es wird vermutlich Frühling 2020, damit unser Marketing die positive Resonanz aus Übersee nutzen kann", so Hielscher.

"Wie wichtig die Anwesenheit auf der LBF sein kann, zeigt aktuell das Beispiel des Verlages Scheidegger und Spiess", freut sich Myriam Lang. Simon Armstrong, der Verantwortliche für die Bookshops der Tate Modern und der Tate Britain in London, entdeckte einen aktuellen Titel des Schweizer Hauses und twitterte: "I checked all of the books at LBF today to find the best one and this is it: 'American Readers at home' - photographs and interviews from a road trip across America by Ludovic Balland. It's incredible." Nicht nur der Verlagsleiter von Scheidegger und Spiess, Thomas Kramer, sorgte dafür, dass sich das Lob rasch verbreitete.

Wachsender Rechtehandel

Die LBF bestätigt auch dieses Jahr ihre Bedeutung als großer Handelsplatz für Übersetzungsrechte. "Es befinden sich über das International Rights Center hinaus insgesamt rund 600 Tische auf der Messe, an denen Lizenzen gehandelt werden. Es wächst insbesondere auch der Handel mit Film- und TV-Rechten", erklärt Messedirektorin Jacks Thomas auf Anfrage des Börsenblatts. Thomas weist auch auf die entsprechende Zunahme von Seminaren hin.

Für Aufsehen sorgen mit ihrer Anwesenheit bekannte Autoren wie David Baldacci oder Jojo Moyes, die im Verlauf der gesamten Messe präsent ist - nicht nur im traditionsreichen Kensingtoner Ausstellungsgelände "Olympia", sondern auch an verschiedenen Orten in der Stadt als Publikumsmagnet für die "London Book & Screen Week". Vor drei Jahren begann die LBF damit, parallel zur Messe passende Filme zu zeigen. Damit mobilisiert die LBF viele potentielle Buchkäufer, die nicht die Messe besuchen, aber dank attraktiver Literaturverfilmungen in Anwesenheit von (Drehbuch-)Autoren und Regisseuren Lust auf die Buchvorlagen bekommen. Im Soho Club berichtet Moyes im ausverkauften Kinosaal von den Unterschieden beim Schreiben von Romanen oder von Drehbüchern. Zurzeit feilt sie im Auftrag Til Schweigers an den Dialogen in "Honig im Kopf". Der Film ("Head Full of Honey") soll im Sommer in Großbritannien in die Kinos kommen. Auf der LBF geht es aber nicht nur um große Deals und international bekannte Namen.

Mehr Neugründungen im Independent-Buchhandel

Im reichhaltigen Messe-Begleitprogramm fand beispielsweise die von Meryl Hall, Managing Director bei der Booksellers Association (BA), initiierte Veranstaltungsreihe "The Three Ages of Bookselling" große Beachtung. Erfreulich: Die BA meldet für 2017 mehr Neugründungen von Independent Buchhandlungen als Schließungen. Zunächst berichtete die Mittdreißigerin Aimée Madill von ihrer neuen kleinen Buchhandlung Phlox Books im Osten Londons. Nach einem Literaturstudium trat sie in die Fußstapfen ihrer Eltern, die in Aimées Kindheit eine Buchhandlung in Belfast geleitet hatten. Detailreich schilderte sie viele auch vermeintlich nebensächliche Faktoren, die für den Erfolg einer Buchhandlung verantwortlich sein können: Von den langen Henkeln der Tragetaschen (für die zahlreichen fahrradfahrenden Kunden in ihrem Viertel) über das Engagement örtlicher Drucker und Möbelbauer bis zum abends auch manchmal kostenlos angebotenen Glas Wein für Freunde und Bekannte im Laden. 

Der knapp 15 Jahre ältere Tim Morris berichtete unter anderem über den Ausbau bestehender Sortimente in Shropshire (West Midlands) oder von seinem "Buchhandelsmanifest". Peter Donaldson schließlich, immer noch Chef der Red Lion Books in Colchester (Essex), erzählte als Senior der Runde von seiner Gründungszeit Mitte der 70er Jahre und dem Wandel bis heute. Vieles habe sich sehr verändert, gleich geblieben sei aber die Grundvoraussetzung: die Liebe für die Kundschaft. Ohne sehr engen Kontakt zu den Lesern könne man auch heute eine Buchhandlung nicht erfolgreich leiten. Eine neue Initiative der BA will Buchhandlungen als Tourismusziele etablieren. Dafür eignen sich insbesondere Independents wie die drei Referenten, die sich stark für Leseförderung engagieren und ihre Läden zu beliebten Treffpunkten formen. 

Audio-Boom in England

Jacks Thomas weist darauf hin, dass sich der Buchmarkt anders entwickelt als in Deutschland: "Nielsen ist unser Partner bei den Recherchen zum Buchmarkt. Soeben sind die Zahlen bekannt gegeben worden, wonach die Buchverkäufe im Printbereich in den vergangen vier Jahren konstant geblieben sind. Die E-Book-Verkäufe sind leicht rückläufig. Aber die große Erfolgsgeschichte in unserem Markt schreibt das Hörbuch", freut sich Jacks Thomas. Kein Wunder, dass auf der LBF das Schlagwort vom "Audio Boom" die Runde macht, denn in den vergangenen fünf Jahren haben sich die Verkaufszahlen verdoppelt. Ein Ende der Zunahme ist nicht in Sicht. Das Smartphone erweist sich als ideales Medium zur akustischen Verbreitung von Content. Damit werden auch vermehrt jüngere Kunden gewonnen. 

Die nächste LBF wird um einen Monat vorgezogen und findet im März statt (12. bis 14. März 2019). Kurz danach folgt die Buchmesse in Leipzig (21. bis 24. März) und direkt im Anschluss die Kinderbuchmesse in Bologna (vom 25. bis 28. März). Ebenfalls im März findet die Buchmesse in Paris (Salon du Livre) statt. Viele Aussteller äußern hier ihren Unmut mit dieser Konzentration im Monat März.