Management-Tipps aus dem Cockpit

Über den Wolken

30. März 2017
von Börsenblatt
Arbeits- und Führungsmethoden von Piloten eignen sich offenbar besonders gut auch für andere Branchen. Zahlreiche Bücher geben Einblick in eine sehr spezielle Welt, in der Präzision, Absprachen und vorausschauendes Handeln das A und O sind.

Piloten sind ein ewiges Faszinosum. Zwar hat der Mythos gelitten, seit Kinder nicht mehr im Cockpit Knöpfchen drücken dürfen, seit Piloten streiken und seit einer von ihnen vor zwei Jahren am Steuer einer Germanwings-Maschine eine fatale Entscheidung traf.

Für Berufsratgeber, vor allem im Management, sind die schneidig-souveränen und zugleich sonnengebräunt-entspannten Kranichlenker aber nach wie vor ein beliebtes Vorbild. "Warum Piloten glückliche(re) Menschen sind", "Was Ärzte von Piloten lernen können" und – auch das – "Warum Piloten versagen und Manager Fehler machen" sind nur drei Beispiele aus den vergangenen Jahren. Jetzt hat der Hanser Verlag "Das Management-Cockpit" vorgelegt (184 S., 25 Euro). Darin erklärt der frühere Kampfpilot und heutige 747-Jumbo-Kapitän Ralph Eckhardt, wie Führungskräfte "mit den Strategien von Top-Piloten durchstarten" können.

Eckhardt hat schon einige Bücher geschrieben. Seine Tipps lassen sich für alle erdenklichen Unternehmen, Branchen und Projektmanager adaptieren, selbst wenn sie keine Verantwortung für Menschenleben tragen. "Standard Operating Procedures" zum Beispiel sind für Piloten essenziell, warum nicht auch für jede Firma? Das Vier-Augen-Prinzip, das die Arbeit im Cockpit absichert, könnte genauso gut bei Auftragsvergaben, Budgetplanungen und dergleichen Wunder wirken. Und Störungen lassen sich durch die vier Eskalationsstufen in der Luftfahrt auf andere Weise deeskalieren, als man es vielleicht im Führungskräfteseminar gelernt hat.

Eckhardt erklärt, wie man schnelle und klare Entscheidungen trifft, unter Stress Ruhe bewahrt und schwierige Kunden zufriedenstellt. Er plädiert dafür, mehr Briefings durchzuführen (die nicht gleichzusetzen sind mit Meetings). Sie schwören Teams auf gemeinsame Ziele ein, fördern die Innovationskraft und tragen so bereits im Vorfeld wesentlich zum Erfolg einer Unternehmung bei. "Das Briefing sollte ein Instrument Ihres täglichen Geschäfts werden", schreibt er. "Ein Briefing ist so kraftvoll, dass es ein weniger erfahrenes Team in eine schlagkräftige und erfolgreiche Mannschaft verwandelt. Nur in einem Briefing werden Zeichen gesetzt, Richtungen vorgegeben und alle Ziele erklärt. Hier finden Rückfragen Antworten und Zweifel verschwinden endgültig."

Ein Brainstorming wiederum sollte im kleinen Kreis abgehalten werden, um fokussiert zu bleiben. Eckhardt empfiehlt, in jeder Abteilung beziehungsweise zu jedem Thema eines Unternehmens einen "Experten" zu benennen – besonders kreative oder erfahrene Mitarbeiter – und nur diese Gruppe einzubeziehen. Im späteren Verlauf von Projekten ist Mikromanagement allerdings wenig hilfreich. Aufgaben delegieren statt an sich ziehen, lautet Eckhardts Credo. Das vermittelt den beauftragten Mitarbeitern ein großes Stück Wertschätzung und verschafft dem Kapitän Freiräume für andere Tätigkeiten.

Dazu gehört die "Situational Awareness", Eckhardt bezeichnet sie als "die Essenz eines sicheren Fluges". Der oder die Verantwortlichen im Cockpit müssen jederzeit wissen, was um sie herum vorgeht. "Sich der Situation bewusst zu sein, heißt zu wissen, was war, was gerade ist und was sein könnte." Das permanente Antizipieren von möglichen Risikofaktoren – in der Fliegerei zum Beispiel ein Wetterumschwung, in einem Unternehmen vielleicht der Ausfall eines Lieferanten – trägt dazu bei, niemals unvorbereitet zu sein und immer einen Plan B in der Tasche zu haben.

"Das Management-Cockpit" ist ein kompaktes Buch, kurz und prägnant geschrieben mit übersichtlichen Begriffserklärungen und Checklisten. Und manchmal sogar mit banalen Hinweisen: bei getroffenen Entscheidungen bleiben! Oder: Nur einer spricht! So etwas lernen schon Kinder, die ja eigentlich nicht mehr ins Cockpit dürfen. In der freien Wirtschaft geraten solche Umgangsformen offenbar hin und wieder in Vergessenheit.