Medien

All about Content – Vom Rohstoff und seiner Veredelung

11. April 2011
von Börsenblatt
Eine Hommage an die Rechtehändler, die Content-Profis und Erforscher neuer Content-Welten von Juergen Boos, Direktor der Frankfurter Buchmesse.

Als der Literaturagent Ib Lauritzen Mitte der 70er Jahre einen Stand auf der Frankfurter Buchmesse buchen wollte, war die Antwort der Messeleitung kurz und negativ: Nein, so bedauerte man, auf die Messe kämen nur Verleger. Also veröffentlichte Ib kurzerhand ein Buch mit dem Titel „How to get a stand at the Frankfurt Book Fair“, bekam seinen Stand und konnte dort die Rechte seiner Autoren verhandeln. Heute fasst das Literary Agents & Scouts Centre Hunderte von Agenturen, und es werden jährlich mehr. 

Als ich meine Laufbahn in der Branche begann, tippte ich Lizenzverträge ab auf einer Schreibmaschine, neben -zig anderen Tätigkeiten, für die ich zuständig war. Heute verdienen auch kleinere Verlage einen beträchtlichen Anteil ihres Umsatzes mit Rechten und Lizenzen – und Rechte-Manager wie Lynette Owen von Pearson, Petra Hardt von Suhrkamp oder Lucy Vanderbilt von Harper Collins nehmen eine starke Position innerhalb ihrer Verlagsstrukturen ein. Sie sind anerkannt als diejenigen, die es verstehen Geschichten, Ideen und Informationen in andere Sprachen, Formate und Territorien zu „übersetzen“, den Inhalt „liquid“ zu machen. Denn ich finde, ein guter Rechtehändler ist wie ein Diamant-Experte: Er kennt das Potential seines (Roh-)Stoffs und stellt sicher, dass er das Werk seines Autors an einen kompetenten „Veredler“ übergibt, der ihn auch in anderen Zusammenhängen zu weiterer Geltung bringen kann.

Die Aufbruchsstimmung war groß, als der Schwerpunkt „Frankfurt goes electronic“ in den neunziger Jahren auf der Buchmesse zwei Hallenebenen unter dem Motto „Multimedia“ füllte: Interaktive CD-ROMs ließen Verleger schwärmen von den unbegrenzten Möglichkeiten des Mediums. Seitdem wartet die Branche auf den Moment, an dem Leser bereit sind für multimediale Lese-Erlebnisse. Heute hat sich die Palette der Rechte parallel zur Massentauglichkeit von Tablet-PCs und E-Readern erweitert um Digital Rights oder Interactive Rights, die neue Formen wie enriched e-books mit multimedialen Inhalten einschließen.

Inhalte – also Geschichten, Informationen, Ideen und Bilder – sind der Rohstoff für den weltweiten Strom an Wissen und Unterhaltung. Neue Technologien haben diesen Strom deutlich erweitert und machen dabei eines sehr deutlich: Zeitgleich entsteht ein enormer Hunger nach guten Storys und Ideen, die diesen Technologien überhaupt erst das Leben einhauchen. Ohne Geschichten wären iPads nur Sondermüll, sagte Gottfried Honnefelder, der Vorsitzende des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, vor kurzem bissig. Das heißt, dass Rechtehändler und Verlage sehr gut für die Zukunft aufgestellt sind, denn sie halten den so dringend benötigten Rohstoff „Content“ in ihren Händen (und Archiven).

London ist für mich immer der Gradmesser: Was bewegt die internationale Branche, für welche Projekte engagieren sich insbesondere die Rechtehändler? Dieses Jahr kommen von überall her ähnliche Signale, egal ob aus Deutschland, Großbritannien oder den USA: 2011 wird das Jahr des Durchbruchs für das E-Book. Laut einer neuen Studie des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels zum E-Book rechnet die deutsche Branche in diesem Jahr mit einem Anteil von 6,6 Prozent an digitalen Titeln vom Gesamtumsatz an verkauften Büchern. In den USA sind es schon jetzt rund 8 Prozent, Tendenz weiter steigend.

Für Rechtehändler heißt das: Die Verwertungskette wird vielfältiger und komplizierter. Wir können inzwischen gut und gerne von „Verwertungsräumen“ sprechen – von der Zweidimensionalität hin zu einer Potenzierung der Möglichkeiten. Und auch hier gibt es Arbeit und Aufgaben genug für Rights Professionals: Wie gehen wir um mit Territorialität in Zeiten grenzenlosen Zugangs zu Content? Mit welchen neuen Partnern für die Distribution werden wir uns bekannt machen müssen? Welche Lösungen sind die besten zur Verwertung der Micro-Rights? Was genau umfassen „Digital Rights“ – und was nicht? Wie erleichtern wir den Transfer von Rechten in andere Branchen wie Film und Games, aber auch Merchandising? Und: Woher kommt der Content von morgen, wie stellen wir seine zukünftige Produktion sicher? Wie erzielen wir Qualität? 

Spätestens seit Ib Lauritzen haben wir in Frankfurt gelernt, genau hinzuhören, wenn es um die Bedürfnisse der Branche geht. 2011 stellen wir deshalb den Handel mit Content noch deutlicher in den Vordergrund und widmen ihm erstmals eine komplette Messehalle: mit einem vergrößerten LitAg und einem neuen Business Center für Händler aus der Film, Games- und Buchbranche, dem StoryDrive Business Center. Zusammen mit dem Rights Directors Meeting, dem weltgrößten Treffen der Rechte-Händler schaffen wir so Orte, an dem aus Fragen Antworten werden – und neuer Content entsteht.

Ib Lauritzen haben wir eine Einladung geschickt, bei der Premiere der neuen Halle unser Ehrengast sein. Ich hoffe, dass er die Einladung annimmt!

Ein Interview mit Juergen Boos lesen Sie im Börsenblatt Heft 15, das am 14. April erscheint.