Meinung

10 Jahre GIAQ. Ein Kommentar

1. November 2011
von Börsenblatt
Die Genossenschaft der Internet-Antiquare (GIAQ) wurde vor zehn Jahren in Berlin begründet. Erfolge, offene Fragen und Herausforderungen für die Zukunft. Ein Kommentar.

Man kann es sich in der Rückschau nur schwer vorstellen: Als die Genossenschaft der Internet-Antiquare (GIAQ) vor zehn Jahren, Anfang November 2001, gegründet wurde, bestand das ZVAB – mit Firmensitz noch in Berlin – erst fünf Jahre und der Anteil über das Internet verkaufter antiquarischer Bücher am Gesamtmarkt betrug gerade einmal zehn Prozent (was jedoch einer Verfünffachung seit 1999 entsprach!).

Der Amazon Marketplace war noch nicht in Deutschland eingeführt, das geschah erst im März 2002.

Die wöchentliche Börsenblatt-Beilage "Angebotene und gesuchte Bücher" war eben erst mit dem von dem Würzburger Antiquar Daniel Osthoff herausgegebenen "Antiquariatskurier" vereint worden (die Einstellung erfolgte zum Dezember 2002, "da für die Suche und das Anbieten vergriffener und antiquarischer Bücher immer stärker das Internet genutzt wird").

War der Herbst 2001 eine aussichtsreiche Situation für die Antiquare, angesichts sich radikal ändernder Marktbedingungen das Heft selbst in die Hand zu nehmen? Jedenfalls müssen sich die 78 GIAQ-Gründungsmitglieder nicht vorwerfen lassen, damals – nach monatelanger Diskussion in einem Branchenforum – keine Initiative gewagt zu haben.

Ein Jubiläum, wie es die Antiquariatsgenossenschaft jetzt begehen kann (mit einer Feier am 12. November in Berlin), ist ein geeigneter Anlass für kritische Bewertungen. Man wird er GIAQ zugutehalten, das sie mit vielen guten Ansätzen gestartet ist und mittlerweile einen soliden Stand und weitere Bekanntheit innerhalb der Branche erreicht hat. Nicht wenige Kollegen nutzen das GIAQ-Homepage-Angebot.

Ein sorgfältig redigierter und inhaltlicher ansehnlicher "Gemeinschaftskatalog der Antiquare" ist im Frühsommer 2011 bereits zum dritten Mal erschienen; er soll 2012 fortgesetzt werden.

Die Umbenennung des seit der Leipziger Buchmesse 2005 existierenden eigenen Verkaufsportals – nach langem Rechtsstreit mit einem Hamburger Zwischenbuchhändler – Anfang 2010 scheint recht gut verkraftet worden zu sein.

Der mittlere Verkaufspreis auf der Plattform antiquariat.de liegt nach Auskunft der Betreiber bei rund 32 Euro, ein beachtlicher Wert. Über den Marktanteil von antiquariat.de gibt es keine genaue Statistik, jedoch dürfte er im niedrigen einstelligen Bereich liegen.

Der Markt für gebrauchte und antiquarische Bücher hat sich in den letzten Jahren weiter stark verändert – selbst das früher herausragende ZVAB besteht seit kurzem nur noch als Unternehmensbereich der AbeBooks Europe GmbH, die wiederum seit 2008 zu Amazon gehört. Die GIAQ selbst scheint chronisch unterfinanziert – daran konnte die Einführung eines niedrigen Jahresbeitrags in Höhe von 120 Euro wenig ändern.

Die rechtliche Konstruktion der GIAQ sorgt für langwierige Abstimmungs- und Entscheidungsverfahren (von anderen Buchhandelsgenossenschaften könnte man aktuell lernen).

Einige GIAQ-Aktivitäten lassen teils erheblichen Dilettantismus erkennen – das gilt etwa für die antiquariat.de-Rubrik "Antiquariatsgeschichte(n)", aber auch für manche Marketingaktion respektive Pressemitteilung oder für den fragwürdigen Versuch, mit "Antiquar intern" eine weitere Informations- und Diskussionsplattform zu etablieren und so weitere Ressourcen zu binden.

Es sind dies aber auch, allgemeiner gesprochen, Schwierigkeiten eines Projekts, das weitgehend auf ehrenamtlichem Engagement beruht. Es ist schwierig, wie sich auch anderswo zeigt, geeignete Personen zur Mitarbeit zu motivieren. Die Arbeit ist undankbar und setzt ein dickes Fell voraus. Das im Antiquariat wirtschaftlich viel rauer gewordene Klima wirkt sich zusätzlich ungünstig aus.

Die Perspektiven der Arbeit der Genossenschaft können nur angedeutet werden. Paketmarken oder die Erstellung von Muster-AGB sind eine sinnvolle Unterstützung für den Antiquariatsbuchhandel, aber nur ein Tropfen auf dem heißen Stein und kein Alleinstellungsmerkmal. Unabhängigkeit im Netzhandel oder besser: Mitsprache und Einflussnahme auf die Bedingungen der Branche lässt sich hieraus nicht entwickeln.

Es fehlt die klar und glaubwürdig kommunizierte branchenpolitische Vision, wie diese Unabhängigkeit zu erreichen wäre. Es fehlt sogar die nüchterne Antiquariats-Bestandsaufnahme. Das wäre eine höchst anspruchvolle Aufgabe für die nächsten Monate, aber immerhin eine, für die es Vorbilder gibt (siehe hier sowie die nachfolgende Berichterstattung).

Klar ist aber auch, dass die vielen großen Baustellen des Antiquariatsbuchhandels – in Stichworten: Zukunft der Messen, Ausbildung, Organisation & Interessenvertretung, E-Commerce, Kooperation, Information, Entwicklung von Daten-Standards – nicht von einer Gruppe wie der GIAQ allein beackert werden können, sondern nur in einer gemeinschaftlichen Anstrengung vieler.

Besteht hier Hoffnung? Angesichts der Entwicklungen der letzten Jahre fällt Optimismus schwer.

Björn Biester

Nachtrag: Auf die boersenblatt.net-GIAQ-Umfrage von letzter Woche gab es leider kaum Resonanz, bei weitem zu wenig für eine Veröffentlichung.