Meinung: Berlin Verlag

Die Konzernstrategie

28. Februar 2011
von Börsenblatt
Der Berlin Verlag wird zum Imprint von Bloomsbury. Die Verlegerin Elisabeth Ruge geht. Wie aus Freunden Streitende wurden. Ein Kommentar von Börsenblatt-Redakteur Holger Heimann.

Rund fünf Jahre gehörte der Berlin Verlag zu Random House, dann war das Experiment vorbei. Gescheitert, wie beide Seiten einräumten. Der große, zentral geführte Konzernverlag mit kommerziellem Schwerpunkt und der Berlin Verlag mit seinem literarisch anspruchsvollen und häufiger defizitären Programm passten nicht zusammen.

Kurze Zeit später verkauften Arnulf Conradi und Elisabeth Ruge den Verlag, den sie 1994 gemeinsam gegründet hatten, erneut. Das englische Haus Bloomsbury, das sich nicht umsonst nach der englischen Künstlervereinigung genannt hatte, versprach nach Ausrichtung und Anspruch der bessere Partner zu sein. Der Berlin Verlag kam wieder unter ein schützendes Dach und durfte sich die Einrichtung, also die Bücher, die man ins Programm nahm, selbst zusammensuchen. Und trotz unterschiedlicher Sprachen schien man einander gut zu verstehen.

Acht Jahre sind vergangen seitdem. Und mit der Berliner Selbstbestimmung ging es Stück für Stück bergab. Immer drängender wurde der Anspruch aus London, dort verlegte Bücher auch ins Berlin-Verlagsprogramm aufzunehmen. Arnulf Conradi hat sich längst zurückgezogen aus dem Verlagsgeschäft. Jetzt kehrt Elisabeth Ruge dem Berlin Verlag den Rücken, hoffentlich nicht dem Büchermachen insgesamt.

Das börsennotierte Unternehmen Bloomsbury hat sich seit der Gründung 1986 verändert. Der einst literarisch ambitionierte Verlag ist, beflügelt vom Erfolg der Hausautorin Joanne K. Rowling, sprunghaft gewachsen und zum Konzern geworden – mit der Zentrale in London und Schaltstellen in USA, Australien, Deutschland. Um das Umsatzniveau auch ohne Harry-Potter-Bände halten zu können, wurden neue Verlage hinzugekauft. Heute bedient das Unternehmen verschiedene Sparten – von Literatur und Kinderbuch bis zu Wissenschaft und Fachinformation. Sogar ein Kricket-Verlag ist darunter. Und zuletzt wurde auch im Emirat Katar ein neuer Ableger geschaffen.

Aus Sicht der heute bei Bloomsbury agierenden Konzernmanager (vom einstigen Gründer-Quartett ist nur Nigel Newton geblieben) ist die jetzt propagierte zentralistische Strategie, das heißt die Organisation und Angleichung der Programme über Ländergrenzen hinweg, wohl logisch und folgerichtig. Es geht um eine Zusammenführung des zunehmend Disparaten, um Markenbildung. Dass Verlage aber zuallererst national bestimmt sind, sich innerhalb eines solchen Rahmens zur Marke entwickeln oder auch nicht, und mithin vor allem lokale Märkte bedienen, scheint die Strategen nicht weiter zu kümmern.

Der Berlin Verlag, daraus macht niemand ein Geheimnis, wird zum Imprint. Auch in Deutschland soll die Dachmarke Bloomsbury heißen. Visitenkarten, Briefbögen müssen neu gedruckt werden. Das sind die Realitäten. Noch weiß man nicht, ob es einige der in Unruhe versetzten Autoren der Verlegerin gleichtun und dem Haus den Rücken kehren werden. Es könnte sich dann erneut herausstellen, dass eine Konzernstrategie für einen Verlag mittlerer Größe nicht unbedingt segensreich ist.