MVB DataSummit 2017

"Daten sind Ihre Währung für Relevanz"

30. November 2017
von Börsenblatt
Die zweite Auflage des MVB DataSummit brachte am 29. November rund 90 Datenmanager in Frankfurt zusammen – diesmal ging es ihnen darum, was Metadaten für die Kundenbindung bringen, für den Umsatz und die Kommunikation in der Branche. Auch Google hatte dazu etwas beizusteuern. Ein Bericht.

Daten sollen der wichtigste Treibstoff in Richtung Zukunft sein: Um jemand zu finden, für den das keine Frage, sondern eine Feststellung ist, muss man in der Regel etwas länger suchen. Mittlerweile scheint die „Szene“ jedoch einen festen, überregionalen Treffpunkt zu haben, mit dem Haus des Buches in Frankfurt und dem MVB DataSummit. Vor einem Jahr gestartet, ist der Datengipfel für viele offenbar ein Pflichttermin: Gut 90 Datenspezialisten aus allen Teilen der Branche waren gestern bei der zweiten Auflage dabei, rund ein Drittel mehr als bei der Premiere. 

Hauptargument dürfte für sie gewesen sein, sich mit Gleichgesinnten auf Augenhöhe auszutauschen. Sowohl die Pausen als auch die Roundtable-Sessions verliefen sehr lebendig – die Vorträge liefen eher zwischendurch, brachten aber haufenweise neuen Gesprächsstoff.

"Die kreative Kraft, die in unserer Branche steckt, enfaltet sich dann am besten, wenn Experten aus unterschiedlichen Bereichen die Köpfe zusammenstecken“, so das Fazit von Sandra Schüssel (MVB Labs). Datenmanagement sei längst keine Insel mehr, sondern umfasse und beeinflusse die gesamte Wertschöpfungskette im Unternehmen. „Der Bedarf an Austausch ist enorm, das hat der diesjährige MVB Data Summit gezeigt.“ Doch der Reihe nach.

"Streichen Sie die Begriffe online und offline aus Ihrem Wortschatz"

Den Auftakt machte Christin Krooss. Sie arbeitet als Produktspezialist für die Shoppingsparte bei Google und wollte als Keynote-Sprecherin der Branche zeigen, wie sich Kunden wieder in die Läden locken lassen. Schon im Vorfeld hatte sie versucht, Buchhändler dazu zu motivieren, die Vorzüge von Onlinewerbung und anderen Google-Tools zu nutzen. "76 Prozent der Smartphone-Nutzer, die zuvor eine lokale Suche durchgeführt haben, besuchen innerhalb der nächsten 24 Stunden ein Geschäft", erklärte sie im Interview mit boersenblatt.net (im Archiv: "SEO-Wissen fehlt"). 

Zahlen hatte sie auch gestern wieder dabei. Zum Beispiel diese:

  • 90 Prozent des deutschen Handelsumsatzes findet stationär statt;
  • Bundesweit sind 64 Prozent aller Einkäufe digital beeinflusst (Suche nach Produktinfos bzw. Kaufanregungen; Quelle: Deloitte);
  • über 150 Mal werden Smartphones von ihren Besitzern täglich in die Hand genommen;           
  • 75 Prozent aller Leute in den USA starten ihren Einkauf heute mobil (per Smartphone);  
  • mehr als 25 Prozent der lokalen Suchanfragen führten zu einem Kauf (ebenfalls: USA);  
  • die Zahl der Ladenbesucher ist in den USA zwischen 2010 und 2016 um 60 Prozent gesunken (Quelle: Mastercard);  

Konsumenten suchten online, würden aber nach wie vor gern lokal einkaufen: Das war die zentrale These der Google-Managerin. "Streichen Sie die Begriffe online und offline aus Ihrem Wortschatz! Bieten Sie Ihren Kunden ein nahtloses Einkaufserlebnis, das das Beste aus beiden Welten miteinander verbindet", forderte sie.

Stationäre Händler sollten bei allem nicht vergessen, an Ihren USP zu denken und an sich zu glauben: Nähe, die sofortige Verfügbarkeit von Produkten, echte Erlebnisse – all das sei Kunden nach wie vor sehr wichtig, meinte Krooss. "Erfreuen und überraschen Sie Ihre Kunden“, appellierte sie. „Sie haben dafür heute viel mehr Möglichkeiten."

"Daten sind Ihre Währung für Relevanz"

Zu diesen Möglichkeiten gehören aus Sicht von Krooss natürlich auch die Tools, die Google in den letzten Jahren im Shopping-Umfeld platziert hat – etwa MyBusiness (Krooss: „Eine digitale Visitenkarte für Unternehmen, kostenlos“), Anzeigen, sogenannte local posts, Shopping-Kampagnen über die Option lokales Inventar oder, das Tool werde in Deutschland aber noch nicht flächendeckend angeboten, Google Store Visit Beta. 

Krooss stellte die Werkzeuge, von denen Händler wie Verlage profitieren, haarklein vor, machte nur bei einer Sache plötzlich einen Rückzieher: in puncto SEO, Suchmaschinenoptimierung, mochte sie nicht konkret werden ("Ich darf keine SEO-Beratung machen"), blieb vorsichtig. Unternehmensdaten, Info-Texte und die Buchung von lokal wichtigen Suchbegriffe in den Google-Verzeichnissen - das sei in jedem Fall nützlich. "Daten sind Ihre Währung für Relevanz."   

Widerstand gegen Veränderungen 

Die Diskussionen im Anschluss bewegten sich trotz Keynote allerdings eher abseits von Google, Google Adwords und dergleichen. Im Mittelpunkt standen andere Fragen – was es braucht, um eine Metadaten-Kultur in der Branche zu entwickeln, zum Beispiel, und wie sich die Prozesse rund ums Kaufen und Verkaufen von Büchern effizienter gestalten lassen, idealerweise automatisch. 

Ideen dafür kamen aus allen Richtungen, aus Richtung VLB-TIX (siehe Bericht über das neue Whitepaper: Zeit sparen, Kosten senken) genauso wie von außerhalb der Branche, sowohl von den Referenten als auch von den Teilnehmern während der Roundtable-Sessions. Letztere sprudelten. Die Ergebnisse ihrer Gruppenarbeit: 

  • Metadatenmanager benötigten klar definierte Rollen und die Unterstützung des Managements.
  • Die Pflege von Metadaten sei niemals abgeschlossen, sondern müsse in Verlagen und Buchhandlungen als fortlaufender Prozess verstanden und gelebt werden.
  • Veränderungsprozesse stießen auf Widerstände.
  • Prozesse müssten systematisiert und aus unterschiedlichen Perspektiven angegangen werden.
  • Metadaten würden vom Handel noch nicht in vollem Umfang genutzt.
  • Alle Nutzer der Metadaten benötigten einen Feedback-Kanal.
  • Nur international gültige Standards funktionierten in einer digitalen Welt auf Dauer.

"Sie machen also richtig Geld, wenn Sie in Metadaten investieren"

Noch am Vormittag, direkt nach Christin Krooss, kamen fünf Referenten auf die Bühne, die Moderator Harald Henzler (smart digits) kurz als Rockband vorstellte – er meinte damit die Mitglieder der im Nachgang des ersten MVB DataSummit im Januar 2017 gegründeten IG  (Interessengruppe) Produktmetadaten, Marion Seelig (Ullstein), Meike Smerecnik (Thalia), Detlef Bauer (Libri), Martin Lüning (MVB / VLB) und Tobias Streitferdt (Holtzbrinck). Die Bezeichnung Rockband wähle er deshalb, so Henzler, weil jede Sparte vertreten sei. 

Jeder beschrieb aus seiner Sicht, was sich seit dem Start der IG getan hat, auch mit Blick auf die eigene Arbeit. Als gemeinsames Thema für ihren Vortrag hatten sie gewählt: „Gute Daten – das geht nur zusammen!“ Es ist, zeigten ihre Berichte, längst so etwas wie ihr Credo. Drei Beispiele:   

  • „Was wir an Input bekommen, ist Gold wert“, erklärte Marion Seelig, beschrieb ansonsten knapp die fünf Felder, auf denen sich die IG gerade bewegt (u.a. inhaltliche Erschließung, thema-Klassifikation; Details unter: http://igproduktmetadaten.de).
  • Meike Smerecnik sprach vor allem über die Praxis bei Thalia – besonders vehement wurde sie beim Thema Metadaten zu Serien. Thalia könne, von Verlagen ausgestattet mit besseren, sprich: konsistenten Metadaten, auch hier viele Abläufe automatisieren – was im Sinne der Kunden wäre, aber oft gar nicht möglich sei. Smerecnik versuchte, wenigstens die anwesenden Verlage zum Handeln zu bewegen. „Sind Seriendaten vorhanden, steigt die Conversionrate im Webshop deutlich“, betonte sie. "Sie machen also richtig Geld, wenn Sie in Metadaten investieren."
  • Martin Lüning (MVB) warf zunächst einen Blick zurück, auf die Veränderungen, die sich beim VLB durch das neue Statusmodell ergeben haben („Damit haben wir Datenqualität messbar gemacht“), sprach aber auch über die aktuellen Themen – etwa das Projekt, normierte Personendaten einzubinden ("Das gehen wir an, um bessere Daten zu liefern“).  

Dass es bei allen Datenprojekten um Kunden und Leser geht: Damit setzte sich gestern im Rahmen des Datasummit vor allem Rolf Küppers, Geschäftsführer von microm Micromarketing-Systeme und Consult, auseinander. Er hat sich mit seinem Unternehmen darauf spezialisiert, die Sinus-Milieus recht passgenau dafür einzusetzen, Kunden zu binden – und neue zu gewinnen. Microm ergänzt die Milieudaten mit Daten aus weiteren Quellen und schafft es auf diese Weise, Umsatzpotenziale zu verorten. Hedonisten, die in Hamburg St. Georg wohnen und ein Faible für Kochbücher haben, zum Beispiel: microm könne sie identifizieren, zumindest als Gruppe, versicherte Küppers. Und er entwickelt mit seinem Team bei Bedarf dann auch die passende, digitale Marketingkampagne.    

Daten in der Kunstwelt

Ausklingen ließ die MVB den Tag mit einem Blick auf das Hypethema Künstliche Intelligenz (KI) – und in die Welt der Kunst: Holger Volland, Vice President der Frankfurter Buchmesse und Gründer des Formats arts+, präsentierte Bekanntes und  Unbekanntes, Schrilles und Schlichtes – unzählige Projekte, die zeigen, wie normal alles Digitale und der Umgang mit Daten in der Welt der Kunst bereits ist. Angefangen bei der Plattform Europeana bis zu Googles KI-Maschine DeepBach: Volland kennt alles, und wird, wie er gestern verriet, dazu in Kürze auch ein Buch veröffentlichen ("Die kreative Macht der Maschinen", Februar 2018 bei Beltz).     

"Wer noch glaubt, dass man mit manuell erstellten Metadaten etwas erreichen kann, hat die Aufgabe nicht verstanden" 

Den letzten Referenten der Tages, Stefan Welcker (Expert System Deutschland), holte das Thema KI wieder zurück in die Wirtschaftswelt. "Das meiste, über das im Zusammenhang mit KI gesprochen wird, ist bloß Effekthascherei", meinte Welcker. Was heute alles den Stempel Künstliche Intelligenz aufgedrückt bekomme, sei im Grunde gar nicht intelligent – sondern lediglich deshalb möglich, weil Maschinen speziell darauf trainiert würden.

Der Rest, meinte Welcker, würde aber schon noch kommen: Lernende Systeme, die quasi von selbst agieren, ohne weiteren Anstoß von außen und in Echtzeit. Welcker gab sich überzeugt, dass sie solche Systeme auch auf die Metadaten-Debatte der Buchbranche auswirkt. Dass er wenig davon hält, wie sie aktuell geführt wird: Daraus machte er kein Geheimnis. Sein Standpunkt: "Wer noch glaubt, dass man mit manuell erstellten Metadaten etwas erreichen kann, hat die Aufgabe nicht verstanden."