Neue Bücher zur Literaturwissenschaft

Der Geist der Sprache

4. Mai 2017
von Andreas Trojan
Von der Textanalyse im digitalen Labor bis zur Sammlung klassischer Spukgeschichten: Die Literaturwissenschaft ist offen für Experimente – und bleibt sich trotzdem treu. Fünf Neuerscheinungen zum Thema.

Im Mittelpunkt steht das Werk

Der emeritierte Germanistikprofessor Hans H. Hiebel zeigt, wie man literarische Texte einer "richtigen" Deutung unterzieht. "Interpretieren. Eine Einführung in die literarische Hermeneutik" (Königshausen & Neumann, 210 S., 19,80 Euro) lautet der Buchtitel – der damit schon andeutet, wohin die Reise geht: Theorien, ob marxistische oder dekonstruktivistische, werden nicht über den Text gestülpt, sondern das literarische Werk selbst steht im Mittelpunkt des Interpretationsakts. Hiebel beruft sich auf Hermeneutik-Aus­legungen unter anderem von Umberto Eco, auf Peter Szondi, Odo Marquard und Jochen Hörisch.

Ein Blick in Franco Morettis Textlabor

Um eine andere, neue Literaturgeschichte, die mit digitalen Mitteln geschrieben wird, geht es in dem Buch "Literatur im Labor", das im September bei der Konstanz University Press erscheint (325 S., 29,90 Euro). Der italienische Literaturwissenschaftler Franco Moretti leitet in den USA das Stanford Literary Lab, das die Sprache der Literaturkritik mithilfe der Informatik formalisiert. Ist Morettis Experiment gelungen? Ist es zukunftsweisend? Sein Buch soll Antworten liefern – und berichtet aus einem innovativen Laboratorium, in dem mit neuen Formen der Textanalyse experimentiert wird.

Die Gespenster des Theodor Storm

Wer kennt sie nicht – Theodor Storms Novellen wie "Pole Poppenspäler" oder den "Schimmelreiter"? Doch auch Märchen und Geistererzählungen haben Storm fasziniert. Im Erich Schmidt Verlag liegen nun die "Spuk- und Gespenstergeschichten" (222 S., 49,90 Euro) vor, die er zum Teil gesammelt, zum Teil selbst verfasst hat – und zwar in einer kritischen kommentierten Ausgabe des Germanisten Gerd Eversberg. Neben bekannteren Erzählungen wie "Ein Doppelgänger" finden sich im Band auch bislang weniger zugängliche Texte, bis hin zu der bislang verschollen geglaubten Geschichte "Das Nummerträumen". Als Landvogt, Kreis- und Amtsrichter kam Storm viel herum und trug dabei vom Volk tradierte Gespenstergeschichten zusammen. Zudem boten die eher kurzen Erzählungen Storm die Möglichkeit, seine eigene Schreibkunst zu verfeinern. In der Erzählung "Am Kamin" fordert der Autor die Aufmerksamkeit des Publikums ein: "Meine Damen, ich muss dringend bitten. Soll ich an einer zurückgetretenen Spukgeschichte ersticken?"

Fink analysiert das "Spiel der Throne"

Kaum eine Fantasy-TV-Serie war so erfolgreich wie "Game of Thrones". Der Wilhelm Fink Verlag geht diesem Phänomen gleich in zwei Publikationen nach, die im Herbst erscheinen werden. Der Kulturphilosoph Jan Söffner beleuchtet in "An Essay of Ice and Fire. Zu George R. R. Martins Fantasy­zyklus" (100 S., 24,90 Euro) die literarische Vorlage für die Serie: Was sind die kompo­sitorischen Besonderheiten? Gibt es philo­sophische Hintergründe? Wie funktionieren die poetischen Verfahren?

In dem Buch "Game of Thrones sehen. Dramaturgie einer TV-Serie" (100 S., 16,90 Euro) analysiert die Filmemacherin und Medienwissenschaftlerin Kerstin Stutterheim die Gestaltungsmittel der Serie, sie untersucht die einzelnen Handlungsstränge und zeigt auf, warum gerade die Helden von »Game of Thrones« das Publikum so in ihren Bann ziehen.