Neue Graphic Novels

Vom Leben gezeichnet

28. September 2017
von Börsenblatt
Die aktuellen Graphic Novels spiegeln phantastische Momente wider, aber auch Alltagsprobleme und das Grauen der Terroranschläge von Paris: acht Bände, die es in sich haben.

Wenn die Bücher leben
Walter Moers hat seinen phantastischen Roman über das perfekte Manuskript in ein großes Bilderszenario umgearbeitet, das Florian Biege in ein opulentes, fast dreidimensional wirkendes Bildermeer verwandelt. Hier sprechen tatsächlich die Bilder – und wie! Teil 2 folgt im Januar.

Walter Moers, Florian Biege: "Die Stadt der Träumenden Bücher. Teil 1: Buchhaim", Knaus, November, 112 S., 25 €

Aufstand gegen den Krieg
"Una mattina ..." – das Lied "Bella Ciao" hat auch in Deutschland Popularität erlangt. Quarello erzählt in emotional beeindruckenden Aquarellbildern ganz ohne Worte die Geschichte seiner Großeltern – Bauern, die sich im Zweiten Weltkrieg mit anderen Widerstands­kämpfern gegen die Faschisten erhoben hatten. Wie ein Stummfilm ziehen die eingefangenen Momente den Betrachter in die Vergangenheit.

Maurizio A.C. Quarello: "Bella Ciao", Jacoby & Stuart, 96 S., 20 €

Zeitreise-Abenteuer
Die durchgehend vierfarbige Graphic Novel ist Spannung pur: Ein Schiff segelt durch die Jahr­hunderte, vor und zurück, mit einer Mannschaft vom alten Römer bis zum 20er-Jahre-Jungen – während ein IT-Tycoon es zerstören will. Fred Fordham setzt die sich offenbarenden Geheimnisse pointiert in Szene.

Philip Pullman, Fred Fordham: "Die Abenteuer von John Blake. Das Geheimnis des Geisterschiffs", Carlsen, 160 S., 19,99 €

Manipulation ist lernbar
Götter kann man auch erfinden und sie zur Sicherung der Macht ebenso benutzen wie zur Verunsicherung der anderen. Krassinsky schafft anhand eines Affenrudels eine Parabel, die ironisch und unheimlich zugleich ist und über Religion wie Religionskritik nachdenken lässt.

Jean-Paul Krassinsky: "Affendämmerung", Schreiber & Leser, 296 S., 29,80 €

Gefühlvolle Familiengeschichte
Lynette und Alain, beide Ende 40, adoptieren ein Waisenkind aus Peru, das sie und die Großeltern vor große Herausforderungen stellt. Besonders der Großvater tut sich sehr schwer – aber das aufgeweckte Mädchen und der grummelnde Alte finden doch noch zusammen. Liebevoll gezeichnete Charaktere und der dramatische, überraschende Cliffhanger machen Lust auf den abschließenden zweiten Band.

Zidrou, Arno Monin: "Die Adoption. Band 1: Qinaya", Splitter Verlag, 72 S., 16,80 €

Schilderung des Unvorstellbaren
Als Terroristen am 13. November 2015 im Pariser Club Bataclan ein Blutbad anrichten, ist Zeichner Fred Dewilde unter den Gästen. In der Graphic Novel berichtet er von den schrecklichen Momenten der Todesangst, aber auch vom Humor, mit dem die Überlebenden direkt nach der Tat versuchten, bei klarem Verstand zu bleiben. Dewilde schildert die Erlebnisse und die Zeit danach nicht nur in Bildern, sondern auch im ausführlichen Textanhang. Eine schonungslos offene, aber nicht erdrückende Dokumentation.

Fred Dewilde: "Bataclan. Wie ich überlebte", Panini, 50 S., 16,99 €

Ein Haus im Längsschnitt
Ein Hochhaus, 102 Etagen und ebenso viele Geschichten – von Ehestreitigkeiten, politischen Diskussionen und Frisurproblemen. Greve schafft das Kunststück, mit nur einem Panel pro Etage eine Geschichte en miniature zu erzählen und einzelne Figuren auch noch mit denen anderer Etagen in Beziehung zu setzen. Eine Collage des Lebens voller Humor und mit viel Liebe fürs Detail.

Katharina Greve: "Das Hochhaus", avant, 56 S., 20 €

Berührende Rückblicke
Gerda, ehemalige Astrophysikerin, sitzt im Altersheim. Sie schaut zu den Sternen hinauf und auf ihr Leben zurück: Zeichnerin Barbara Yelin und Schriftsteller Thomas von Steinaecker bieten hier einen poetischen, stimmungsvollen Blick auf das Leben einer Frau, die die Entscheidung treffen musste zwischen Familie und Karriere – authentisch, unaufgeregt, aber umso berührender.

Thomas von Steinaecker, Barbara Yelin: "Der Sommer ihres Lebens", Reprodukt, 80 S., 20 €