Neue Sachbücher zu Erotik und Sexualität

Ach, so ist das …!

24. November 2016
von Stefan Hauck
Antike erotische Verse, Kulturgeschichten, Reportagen und Liebeslexika: In den Sachbuchprogrammen gibt es höchst kurzweilige Bestandsaufnahmen zur Sexualität.

Der Liebe Einhalt zu gebieten ist unmöglich: "Soll er doch hier Winde festbinden, wenn einer Liebende schilt, und den Wassern einer Quelle zu fließen verbieten. Liebe!", steht auf einer Mauer im antiken Pompeji. Solche teils auch deftigeren lateinischen Inschriften, die Liebe und Körperlichkeit spöttisch thematisieren, hat Andreas Spal in "Poesie. Erotik. Witz" (De ­Gruyter, 234 S., 79,95 Euro) genauestens analysiert und kommentiert – insbesondere philologisch eine Horizont­erweiterung.

Zu Pompejis Blütezeit lebte die römische Kaiserin Messalina. Ihr ist eines von 15 faszinierenden Porträts in dem Buch "Kurtisanen, Konkubinen und Mätressen" (Ebersbach & Simon, 120 S., 24,95 Euro) gewidmet. Ob die Kameliendame Marie Duplessis, die Pompadour, der Tänzer Nijinsky als Verkörperung ­sexueller Urgewalt oder Chris­tine Keeler, die die britische Regierung stürzte: Barbara Sichtermann und Ingo Rose zeigen die Verflechtung von Erotik und Gesellschaft.

Die pompejianischen Graffiti sind auch eines der 100 Kapitel in Nansen & Piccards Titel "Zehntausend Jahre Sex" (Ecowin, 204 S., 19,95 Euro). Die flott erzählte Kulturgeschichte erzählt von der Intim­rasur im alten Ägypten und der Lust der Azteken, von Casanovas Verliebtheit und der Erfindung des Kondoms, aber auch von Bombendrohungen, die das ZDF ­wegen einer durchsichtigen Bluse auf dem Bildschirm bekommen hat – unterhaltsames Wissen mit Schwerpunkt auf euro­päischer Geschichte.

Internationaler wird der Bogen gespannt in "Sex. Die wahre Geschichte" (Klett-Cotta, 430 S., 24,95 Euro). Das Buch geht der Frage nach, welches Sexual­verhalten das natürliche ist. ­Psychologe Christopher Ryan und Psychia­terin ­Ca­cilda Jethá begegnen der von Darwin und anderen Evolutionsbiologen favorisierten Monogamie mit Zweifel, Studien und Plausibilisierungen und berichten von weltweit praktizierten anderen Modellen, wie der geteilten Elternschaft.

Ergänzend dazu stellen die von Henri Gougaud gesammelten "Erotischen Volksmärchen" (Anaconda, 336 S., 4,95 Euro) erotische Vorstellungen von Afrika bis Amazonien vor. Es geht um den Raub der Europa, um Jäger im Iglu und den tibetischen Blitz-Mann.

In lexikalischer Form hat Volkmar Sigusch, der 33 Jahre lang Direktor des Instituts für ­Sexualwissenschaft im Frankfurter Universitätsklinikum war, seine Überlegungen zum Thema festgehalten. "Das Sex-ABC" (Campus, 316 S., 24,95 Euro) reicht vom Stichwort Affekt-Orgasmus bis zu Zunge.

Die Form des ABC haben auch 33 Grafikdesign-Studierende genutzt und im "Liebeslexikon" (Hermann Schmidt Verlag, 82 S., 16,80 Euro) 141 Begriffe illustriert, die sie bisher nicht zu zeichnen wagten. Auch Einträge wie "Jugendliebe", "Geborgenheit" und "Sokrates" haben da ihren Platz.

Eine fesselnde Reportage ist dagegen Ramita Navais Buch "Stadt der Lügen. Liebe, Sex und Tod in Teheran" (Kein & Aber, 288 S., 22 Euro). Die "Times"-­Korrespondentin erläutert anhand unterschiedlicher Begegnungen, wie die Menschen im Iran mit einer Doppelmoral ­leben. Leser erfahren einiges über wiederhergestellte Jungfernhäutchen, Jeans unterm Tschador, junge Männer, die mit Selbstgeißelungen Mädchen beein­drucken wollen, Callgirls und untreue Ehemänner.

"Das Kamasutra", im Indien des 4. Jahrhunderts verfasst, ist weltweit ein Begriff. Anne Hooper führt in einer kleinformatigen und mit Fotos bebilderten Ausgabe (Dorling Kindersley, 240 S., 9,95 Euro) in die tantrische Sexualität ein – und in die Kunst, Lust zu vermitteln. Das Buch enthält dazu auch die Liebesstellungen der Sammlungen "Ananga Ranga" und "Der duftende Garten".

17 Jahrhunderte später geht es in Blogs zu diesen Themen ganz anders zur Sache. Journalistin Mimi Erhardt und Suchmaschinenoptimiererin Käthe Karlsson, die den Blog "Mimi & Käthe" betreiben, erklären in "Erlebnispornographie" (Heyne Hardcore, 220 S., 9,99 Euro) Begriffe der Porno-Erotik, die Unterschiede zwischen Film und Realität und geben Tipps zu jeder Sextechnik. Mit frecher Feder, mit Ironie und Offenheit weisen sie darauf hin, dass das heimische Schlafzimmer keine Showbühne ist, man sich keinesfalls zu Dingen, die man nicht möchte, drängen lassen sollte – und warum ein "Dreier" die Beziehung aufs Spiel setzt. Klingt wie ein witziges Zwiegespräch und: Mehr Klartext geht nicht.