Neue Sachbücher zum Thema Ernährung

Lebensmittel unter der Lupe

12. April 2018
von Börsenblatt
Gesund oder giftig? Neue Sachbücher setzen sich kritisch mit Zucker, Pestiziden und anderen Risikofaktoren auf dem Teller auseinander.

Gesundheitsthemen treiben die Menschen um, das spiegeln nicht zuletzt die Ernährungsratgeber auf den Bestsellerlisten wider. Bas Kast stellt in seinem neuen Bestseller "Der Ernährungskompass" (C. Bertelsmann, 320 S., 20 Euro) eine Bilanz auf: Aus Tausenden von Studien zum Thema Ernährung filterte der Wissenschaftsjournalist jene Erkenntnisse heraus, in denen die meisten Experten übereinstimmten. Sein Ergebnis: Das allgemeine Verständnis von gesunder Ernährung sollte neu definiert werden, denn Fett macht nicht automatisch fettleibig und es gibt auch nicht die eine richtige Diät, weil jeder Körper anders veranlagt ist. Kasts Plädoyer: "Essen Sie echtes Essen", also unverarbeitetes wie Obst und Gemüse, Fleisch und Fisch oder geringfügig verarbeitete Lebensmittel wie Joghurt und Käse, Hülsenfrüchte und Vollkornprodukte. Vom Zucker hingegen sollte man sich gänzlich verabschieden.

Dem schließt sich Lorenz Borsche an. Der Gründer der Buchhändlergenossenschaft eBuch macht schon im Titel seines Buchs klar, was er vom Süßungsmittel hält. In "Zucker. Tödliche Versuchung" (Braumüller, 120 S., 12 Euro) warnt er nicht nur vor weißem Zucker, sondern vor allen leicht verdaulichen Kohlehydraten (unter anderem Kartoffeln und Weizen). Gleich zu Beginn seiner kritischen Auseinandersetzung mit der Stärke erinnert er daran, dass die Ernährung der Menschen vor dem Ackerbau vor rund 10.000 Jahren nahezu frei von Kohlenhydraten war. Da der Körper auch heute noch ähnlich funktioniere wie damals, sei zu viel Zucker schädlich. So würden nur verschwindend geringe Mengen in Hirn und Muskeln verbrannt und der große Rest in Fettzellen eingelagert. Neben Fettleibigkeit seien Bluthochdruck, Herzerkrankungen, Diabetes II und Krebs die Folgen. Borsche setzt den Zucker mit einer Droge gleich, die schneller süchtig mache und mehr Menschenleben koste als alle anderen Rauschmittel.

Schon John Yudkin sah das ähnlich. In seinem erstmals 1972 erschienenen Werk "Pur, weiß, tödlich. Warum der Zucker uns umbringt – und wie wir das verhindern können" (Systemed, 224 S., 14,99 Euro) kritisierte der britische Ernährungs­experte den hohen Zuckerkonsum der westlichen Welt. Als  einer der ersten Wissenschaftler diagnostizierte er, dass Zucker eine der Hauptursachen für Übergewicht, Herz- und Hirnerkrankungen sei. Andere kohlehydratreiche Lebensmittel behandelt er im Buch zwar nicht, als einführende Lektüre in die Auswirkungen des Zuckerkonsums auf den Körper ist das Buch aber nach wie vor brandaktuell: Die Neuauflage des Klassikers mit einem Vorwort des Kinderarztes Robert Lustig kam Ende Februar auf den Markt.

Doch nicht nur die Zucker-, auch die Agrarindustrie liefert Risikofaktoren, wie beim Blick in die Frühjahrsnovitäten deutlich wird. In "Die Pestizid­lüge. Wie die Industrie die Gesundheit unserer Kinder aufs Spiel setzt" ­(oekom, 240 S., 20 Euro) schildert Landwirtschaftsexperte André Leu eindringlich, dass Obst und Gemüse zwar reich an Nährstoffen, aber auch voller Pestizide sind. Er betont, dass sich die gesetzlichen Richtwerte, ab wann Pestizide schädlich sind, an einem gesunden Erwachsenen orientieren. Kindern hingegen könne schon eine geringe Menge schaden – Krebs-, Schilddrüsen- oder Immunerkrankungen seien nur drei von vielen nachweisbaren Folgen. Leu entlarvt in seinem Buch die fünf größten Mythen um den Einsatz von Schädlingsbekämpfungsmitteln – etwa, dass moderne Pestizide rasch biologisch abgebaut werden. Die Ernährung der Weltbevölkerung könne längst mit den vielfältigen Möglichkeiten der Biolandwirtschaft gesichert werden, so der Experte.

Ökologe Johann Zaller setzt sich ebenfalls mit Pflanzenschutzmitteln auseinander: Warum werden krebserregende Chemikalien erlaubt, die Grenzwerte der gesetzlichen Pestizidbelas­tung stetig nach oben korrigiert? Und muss ein Apfel durchschnittlich wirklich 31 Mal mit Pestiziden behandelt werden? In "Unser täglich Gift. Pestizide – die unterschätzte Gefahr" (Deuticke, 240 S., 20 Euro) liefert Zaller erschreckende Fakten. Nicht zuletzt zeigt er auf, wie eine pestizidfreie Ernährung der Weltbevölkerung realisiert werden kann.

Nicht nur Pestizide in Lebensmitteln können dem Menschen schaden, auch ein Übermaß an Lektinen sei heikel, sagt der Herzchirurg Steven Gundry. "Böses Gemüse. Wie gesunde Nahrungsmittel uns krank machen" (Beltz, 384 S., 19,95 Eu­ro) lautet der Titel seines Buchs, in dem er für eine lektinfreie Ernährung plädiert. Denn die durch Pflanzen zum Schutz vor Insekten produzierten toxischen Stoffe (unter anderem Gluten) würden Krebs, Demenz, Parkinson und Asthma fördern und die Gewichtszunahme begünstigen. Besonders lektinhaltige Lebensmittel seien oft solche, die als gesund gelten, etwa Tomaten, Vollkornprodukte oder Quinoa. Vollständiger Verzicht muss jedoch nicht sein – auf die Menge und die richtige Zubereitung kommt es an. Gundry stellt neben seinen Erkenntnissen aus jahrelanger Behandlungspraxis auch ein Ernährungsprogramm mit vielen Rezepten und Zubereitungtipps vor.

Wer sich nun fragt, was er noch guten Gewissens konsumieren kann, für den schlüsselt Ernährungsexpertin Jo Robinson auf, wie Pflanzen durch Überzüchtung ihrer Nährwerte beraubt wurden, welche Inhaltsstoffe sie heute noch enthalten, wie diese sich auf den Körper auswirken und durch richtige Zubereitung freigesetzt werden können.

In ihrem Ratgeber "Lebensmittel als Medizin. Wie Nahrung heilen kann" (riva, 368 S. 9,99 Euro) behandelt sie in jedem Kapitel eine andere Obst- oder Gemüsesorte. "Wild essen" lautet dabei ihr Motto. So erklärt sie, wie im Supermarkt jene Sorten erkannt werden können, in denen noch viele Nährwerte ihrer pflanzlichen Vorfahren stecken. Ein Granny-Smith-Apfel etwa enthält 13 Mal so viele Phytonährstoffe wie ein Ginger Gold und Zitronen mit kräftig gelber Farbe liefern das meiste Vitamin C.

Psychiater Anthony William hat sich in "Medical Food. Warum Obst und Gemüse als Heilmittel potenter sind als jedes Medikament" (Arkana, 400 S., 24 Euro) ebenfalls der Pflanzenwelt angenommen. Darin beschreibt er detailliert, welche heilsamen Wirkungen von diversen Obst-, Gemüse- oder Kräutersorten ausgehen – und welche Nahrungsmittel eher schädlich sind.

Auch William gliedert seine Kapitel nach Pflanzenarten und ergänzt die Lis­te um Hintergrundwissen zu Themen wie Stress oder Heißhungerattacken. So erläutert er, dass Bananen gut gegen Schlafstörungen sind oder dass Zitronenmelisse als natürliches Beruhigungsmittel eingesetzt werden kann. Von dem heute erhältlichen genmanipulierten Mais und von Eiern hingegen sollte man nach Williams Rat die Finger lassen.

Fazit: Wer auf Zucker verzichtet, Bioprodukte kauft, sich im Supermarkt etwas Zeit beim Studieren der Ware nimmt, in Maßen und ausgewogen isst, der lebt weitgehend ungefährlich.