Novitäten zur Reformationsgeschichte

Wirkmächtig

23. Februar 2017
von Börsenblatt
Luther hat den Lauf der Weltgeschichte verändert. Diese Novitäten werfen einen Panoramablick auf die Reformation.
Zur Vorgeschichte

Mit Luther, Zwingli und Calvin erreichte die Reformbewegung innerhalb der katholischen Kirche ein Stadium, in dem eine Spaltung unausweichlich wurde. Reformergestalten sind in der Kirche aber bereits im Mittelalter in Erscheinung getreten. Walter Rügert beschäftigt sich in seinem Buch mit den Wegbereitern der Reformation. Der englische Philosoph und Theologe John Wyclif (1330 – 1384), der zeitweilig im Dienst der Krone stand, trat für eine klare Trennung der weltlichen und geistlichen Aktivitäten der Kirche ein. Grundlage des Glaubens waren für ihn die Bibel, die er ins Englische übersetzte, und die Urkirche. Ende des 14. Jahrhunderts betrat in Prag mit Jan Hus, der den Lehren Wyclifs folgte, ein weiterer Kirchenkritiker die Bühne. Hus geißelte die Geschäftemacherei des Klerus, den Verkauf geistlicher Ämter (Simonie) und den Ablasshandel. Wegen seiner Auffassung, das Gewissen sei die letzte Glaubensinstanz, und wegen anderer "Irrlehren" wurde ihm auf dem Konstanzer Konzil 1415 der Prozess gemacht. Nachdem er sich geweigert hatte, einen vorformulierten Widerspruch zu erklären, wurde er wegen Ketzerei als Priester degradiert und auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Hus’ Mission wurde erst mit Luthers Reformation Wirklichkeit.

Walter Rügert: "John Wyclif, Jan Hus, Martin Luther. Wegbereiter der Reformation", Südverlag, März, 112 S., 16 €

Noch während des Konstanzer Konzils, das bis April 1418 dauerte, wurde ein Papst gewählt, vom dem sich die zerstrittene, in mehrere Parteien gespaltene Kirche durchgreifende Reformen ­erwartete: Martin V., der den bürgerlichen Namen Oddo Colonna trug. Jürgen Hoeren geht in seiner Darstellung den Reformbestrebungen nach, die das Kirchenoberhaupt anstieß, und erörtert die Frage, weshalb an die Stelle eines Reformkurses die Reformation trat.

Jürgen Hoeren: "Martin V. Papst der Einheit und der Glaubenskriege", Südverlag, März, 112 S., 16 €

Die Zeit des Umbruchs

Die Feiern zum Reformationsjubiläum gehen auf ein Ereignis zurück, dessen Überlieferung unsicher ist: Martin Luther soll am 31. Oktober 1517 seine 95 Thesen gegen das Ablasswesen an die Tür der Schlosskirche von Wittenberg genagelt haben. Als gesichert gilt, dass er die Thesen in einem Brief an seine kirchlichen Vorgesetzten übermittelt hat. Doch Luther stand mit seinen Reformbestrebungen nicht allein. Irene Dingels systematische Darstellung der Glaubensumwälzung widmet sich auch den anderen Protagonisten der Reformation: Huldrych Zwingli in Zürich, Martin ­Bucer in Straßburg und Johannes Calvin in Genf.

Irene Dingel: "Reforma­tion. Zentren – Akteure – Ereignisse", Vandenhoeck & Ruprecht (Neukirchener Theologie), 308 S., 34 €

Wie komplex die Glaubenswelt im ausgehenden Mittelalter war und welche zentrifugalen Kräfte in den europäischen Re­gionen wirkten, zeigt Volker Leppins konzentrierter, mit zahlreichen Stichworterklärungen und Zeittafeln versehener Einführungsband "Die Reformation" auf, der demnächst in einer überarbeiteten und erweiterten Neuauflage bei der WBG erscheint.

Volker Leppin: "Die Reformation", WBG, 2., überarb. und erw. Aufl., April, ca. 160 S., 19,95 €

Dass sich die Reformation in einem medialen und gesellschaftlichen Umbruch ereignete und nicht nur ein innerkirchlicher Prozess war, erzählt das Buch "Ritter, Bauern, Lutheraner", das anlässlich der gleichnamigen Landesausstellung in Coburg (9. Mai – 5. November) bei Theiss herauskommt.

Evamaria Brockhoff u. a. (Hrsg.): "Ritter, Bauern, Lutheraner", Theiss, April, 384 S., 29,95 €

Den Blick nach außen – von Wittenberg auf die Welt – richtet der Historiker Heinz Schilling mit seinem Buch. Er nimmt die Leser darin mit auf eine Reise in ferne Reiche, nach China und zu den Azteken, und zeigt zugleich, wie, abseits der konfessionellen Grabenkämpfe, Magie und Hexenglaube lebendig waren.

Heinz Schilling: "1517. Weltgeschichte eines Jahres", C. H. Beck, 364 S., 24,95 €

Die Auswirkungen

Die Reformation als Kirchenspaltung zu beschreiben, würde zu kurz greifen. Ihre Wirkung ging über den Raum des Kirchlichen weit hinaus, veränderte Deutschland, Europa und die Welt – und legte den Grundstein für die Entstehung der Moderne. Wie der Protestantismus unsere Welt verändert hat, beschreiben mehrere Autoren in dem von Udo Di Fabio und Johannes Schilling herausgegebenen Band "Die Weltwirkung der Reformation".

Udo Di Fabio, Johannes Schilling (Hrsg.): "Die Weltwirkung der Reformation. Wie der Protestantismus unsere Welt verändert hat", C. H. Beck, März, 256 S., 16,95 €

Bernd Rill zeichnet in seiner wirkungsgeschichtlichen Darstellung "Was Luther angerichtet hat" unter anderem die spannungsreiche, aber auch fruchtbare Symbiose zwischen Protestantismus und Katholizismus in Deutschland nach. Ohne die Reformation hätte sich die Kirche vermutlich nicht der Moderne geöffnet, wie sie das etwa im Zweiten Vatikanischen Konzil getan hat.

Bernd Rill: "Was Luther angerichtet hat. Die Reformation und ihre Folgen", Butzon & Bercker, 391 S., 25 €

Mit den Auswirkungen der Reformation befasst sich auch der Sammelband "Weltereignis Reformation". Mitherausgeber Jörg Ernesti gibt einen Überblick über die nach 1517 entstandenen Konfessionsrichtungen. Nur rund ein Zehntel aller Protestanten weltweit sind Lutheraner. Mit fast einer Milliarde Mitglieder bilden die unabhängigen Kirchen die stärkste und am schnellsten wachsende Gruppierung.

Jörg Ernesti, Martin M. Lintner, Markus Moling (Hrsg.): "Weltereignis Reforma­tion. Anstöße und Auswirkungen", Tyrolia, 232 S., 24,95 €

Wie die Reformation die Grundbegriffe unseres Zusammenlebens neu definiert und verändert hat, beschreibt der für April angekündigte Band "Von Arbeit bis Zivilgesellschaft. Zur Wirkungsgeschichte der Reformation".

Gerhard Wegner (Hrsg.): "Von Arbeit bis Zivilgesellschaft. Zur Wirkungsgeschichte der Reformation", Evangelische Verlagsanstalt, April, ca. 368 S., ca. 30 €

Die ikonografische Tradition und die Expansion der lutherischen Konfession in der Welt (an den Beispielen Schwedens, Koreas, der USA und Tansanias) sind Gegenstand des Katalogs zur gleichnamigen Ausstellung "Der Luthereffekt", die vom 12. April bis zum 5. November in Berlin läuft.

Deutsches Historisches Museum (Hrsg.): "Der Luthereffekt. 500 Jahre Protestantismus in der Welt", Hirmer Verlag, April, ca. 400 S., ca. 45 €