Interview mit Osiander-Geschäftsführer Christian Riethmüller

"Es ist doch wunderbar, wenn eine Buchhandlung nicht schließen muss"

26. Juli 2017
von Börsenblatt
Wenige Monate nach Herwig hat Osiander nun auch die Buchhandlung Hübscher übernommen. Osiander-Geschäftsführer Christian Riethmüller über günstige Kredite, die Übernahmestrategie des Unternehmens, die Beteiligung der Verlage an den Präsentationskosten und das Vorsteheramt seines Onkels.

Nach Herwig nun Hübscher − Osiander expandiert wie nie zuvor. Wie stemmt man das als Familienunternehmen? Woher kommt das Geld? Osiander ist wirtschaftlich sehr erfolgreich und hat in den letzten Jahren ordentliche Gewinne erzielt. Auf dieser Grundlage bekommen wir von den Banken günstige Kredite. Wie Sie wissen, sind die Kapitalmarktzinsen gerade so niedrig wie noch nie, das heißt, wir haben so gut wie keine Finanzierungskosten. Bei einem Zinsniveau von sechs, sieben Prozent wäre das eine andere Sache.

47 Buchhandlungen und weit über 90 Millionen Euro Umsatz: Ist nun zumindest für 2017 Schluss mit Übernahmen? Nicht unbedingt. Mit zwei Buchhandlungen stehen wir in Verhandlungen, es kann also durchaus sein, dass kurzfristig weitere Läden dazukommen. Aufgrund der Umsatzproblematik und dem guten Standing von Osiander als Übernahmepartner melden sich zurzeit sehr viele Buchhändler. Aber das Jahr ist ja schon fast um, das wird also nicht mehr viel werden. Aber für 2018 wird es sicher auch noch die eine oder andere Möglichkeit geben.

Sollte nicht bei 60 bis 70 Buchhandlungen Schluss sein?
Nein, die Auslastungsgrenze unserer Zentrale wäre dann erreicht. Das heißt aber ja nicht, dass man für dieses Problem keine Lösung finden könnte. Allerdings wachsen wir nicht, um zu wachsen, sondern wir greifen zu, wenn uns wirtschaftlich attraktive Buchhandlungen angeboten werden. Mit Herwig und Hübscher haben wir nicht gerechnet, die Inhaber der Läden sind auf uns zugekommen. Mir wäre es lieber gewesen, wenn der Abstand zwischen den Übernahmen größer gewesen wäre. Das stellt uns schon vor große Herausforderungen, aber die werden wir meistern.

Im Süden scheint mittlerweile zu gelten: Osiander übernimmt, oder die Buchhandlung macht dicht.
Ja, und es ist doch auch wunderbar, wenn eine Buchhandlung eben nicht schließen muss, sondern wenn die Tradition fortgeführt wird, die Mitarbeiter übernommen werden und der Inhaber noch ein bisschen Geld bekommt – was Besseres kann doch gar nicht passieren. Und es zeigt, welchen hervorragenden Ruf Osiander in der Branche hat. Herwig und Hübscher wären sicher auch für andere Filialisten interessant gewesen.

Nach Investitionen in E-Commerce und den Tolino sollen jetzt die stationären Läden gestärkt werden. Welche Maßnahmen sind geplant?
Die Warengruppen, die stark nachgefragt werden und die besser rabattiert sind, sollen konsequent nach vorne geholt werden. Und wir wollen mehr Wohlfühlatmosphäre für unsere Kunden und neue Präsentationsmöglichkeiten schaffen. Es gibt noch Osiander-Läden, in denen Taschenbücher und Krimis im Obergeschoss platziert sind. Damals sollten damit die Kunden nach oben gelockt werden, heute sehen wir das anders. Die Sortiments- und Warengruppenveränderungen wollen wir in allen Läden vornehmen. Die in die Jahre gekommenen Läden, wie zum Beispiel Tübingen, Konstanz und Reutlingen, werden zusätzlich renoviert und aufgehübscht. Da werden wir investieren.

Thalia bittet die Verlage für die Präsentation ihrer Bücher zunehmend zur Kasse. Ein guter Ansatz?
Ich finde es richtig, dass die Verlage sich daran beteiligen, wenn wir in 1a-Lagen teure Flächen mieten und ihnen in erstklassigen Buchhandlungen ein Schaufenster bieten. In Stuttgart am Marktplatz etwa haben wir die Verlage zur Eröffnung um Werbekostenzuschüsse gebeten. Man bittet die Verlage um Unterstützung, und ich habe jetzt ausdrücklich „bittet“ gesagt. Das halte ich für legitim.

Wie haben die Verlage reagiert?
Unterschiedlich. Ich glaube, das ist ein Prozess, der sich in den nächsten Jahren einspielen wird. Es gibt aber schon jetzt Verlage, die uns sehr gern unterstützten, weil sie sehen, dass ein Familienunternehmen für die Präsenz ihrer Produkte sehr viel investiert und riskiert. 

Ihr Onkel ist Vorsteher des Börsenvereins. Fünftgrößter Buchhändler und Verbandsarbeit − für manche passt die Expansionspolitik von Osiander nicht zu dem hohen Amt im Verband. Was entgegnen Sie denen?
Die sollen froh sein, dass der Börsenverein einen Vorsteher hat, der in einem erfolgreichen, expandierenden Unternehmen aktiv ist. Letztendlich profitiert damit die gesamte Branche, wenn wir weiter wachsen und immer mehr Erfahrungen im Markt sammeln, und diese Erkenntnisse dann auch im Börsenverein eingebracht werden.

Zur Übernahme von Hübscher: Tübinger Filiale wächst weiter