Podiumsrunde zur Digitalisierung

"Technologien werden erst überschätzt, dann unterschätzt"

16. Juli 2015
von Andreas Trojan
Wie verändert sich die Buchwelt durch die Digitalisierung? Und was können Verleger und Buchhändler von anderen Branchen lernen? Diese Fragen wurde am Mittwoch bei "Bits / Bytes und Bücher" im Münchner Literaturhaus verhandelt. Gastgeber war der Landesverband Bayern des Börsenvereins gemeinsam mit dem High-Tech-Branchenverband Bitkom.

Der Moderator des Abends, Handelsblatt-Chefredakteur Hans-Jürgen Jakobs, startete die Gesprächsrunde mit einem heißen Thema: Mit dem Streit, den sich Konzernriese Amazon derzeit mit Verlagsgruppen wie Bonnier und Hachette um das Thema E-Book-Konditionen liefert. Amazon verzögert die Auslieferung von Büchern der betroffenen Verlage und zieht auf diese Weise die Daumenschrauben an. Wie soll man damit umgehen?

Auf jeden Fall erst einmal Gelassenheit bewahren - das machte Frank-H. Häger deutlich, Vorstand der Ganske Verlagsgruppe für Buch, Elektronische Medien und Versandbuchhandel. Er erinnerte daran, dass auch deutsche Buchhandelsketten die Kunst der Daumenschraube im Verhandlungspoker beherrschen würden.

Dennoch liegt der Fall hier etwas anders, denn Amazon ist ein internationaler Konzern. Das Internet schaffe ganz neue Verhältnisse, weil es globale agierende Unternehmen zulasse, wie Holger Enßlin betonte, Chief Officer Legal, Regulatory & Distribution bei Sky Deutschland. So könnten, wie bei Amazon, monopolistische Strukturen auf einem internationalen Markt entstehen. Ob bei einem Rechtsstreit mit einem solchen Großkonzern nationale Gesetzgebungen Anwendung finden können, ist für Enßlin fraglich.

Und noch eines zeigt der Streit mit Amazon, wie Svenja Hagenhoff, Professorin für Buchwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg, anmerkte: "Am Markt ist das Buch längst kein Kulturgut mehr." Sicher keine erfreuliche Botschaft für Verfechter der Buchpreisbindung. Und was lernt man aus dem Schlamassel mit Amazon? Dass man genau hinsehen muss, rechtlich und inhaltlich. Und man muss beständig argumentieren. Etwa wenn man die Buchpreisbindung erhalten möchte, so Betram Brossardt, Hauptgeschäftsführer Vereinigung des Bayerischen Wirtschaft: Das Besondere am Kulturgut Buch müsse argumentativ mit den sonst als normal geltenden Marktmechanismen verbunden werden.

Dass die Digitalisierung von Büchern das Arbeiten in Verlagen zum Teil grundlegend verändert hat, wird niemand leugnen. Auch Frank-H. Häger nicht. Dennoch ist er felsenfest davon überzeugt, dass Verlage auch noch in zehn, zwanzig Jahren mehr Umsatz im Printbereich machen werden als mit E-Books. Man sollte auf die diversen Veränderungen durch die Digitalisierung vorbereitet sein, aber ansonsten gelte: "Jedes verkaufte Buch ist ein gutes Buch – ob print oder digital."

Auch bei einem weiteren Thema herrschte in der Diskussion Einigkeit: Das Internet ist ein ideales Medium für Marketing und Werbung – das gilt sowohl für Verlage wie auch für den vertreibenden Buchhandel. Der Vorteil des Internets sei, so Buchwissenschaftlerin Hagenhoff, dass es eben ein "unspezifisches Medium" sei, mit dem man sehr gut experimentieren könne.

Als Beispiel wurde die Modemarke Burberry angeführt. Der Managerin Angela Ahrendts ist es gelungen, das altbekannte, aber etwas verstaubte Modelabel Burburry via Internet-Marketing in hohe Gewinnzonen zu führen.

Fazit: Das Internet, die Digitalisierung von Marktbedingungen ist also nicht zu fürchten, sondern mit Gelassenheit für die eigenen Zwecke zu nutzen. Holger Enßlin hatte da die passenden Worte: „Die Bedeutung von neuen Technologien wird anfangs immer überschätzt, doch später dann unterschätzt." Gelassen sein, wachsam bleiben: So lautet die Devise im digitalen Zeitalter.