Presseecho

Friedenspreis für Claudio Magris: Unspektakulär, aber nicht unumstritten

23. Juli 2015
von Börsenblatt
Nein, ohne Kontroverse geht die Auszeichung in fast keinem Jahr über die Bühne. Auch dieses Mal stößt die Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels an den italienischen Schriftsteller Claudio Magris auf geteilte Pressereaktionen.

"Nichts gegen Claudio Magris, dem man alle Auszeichnungen gerne gönnt", schreibt Literaturkritikerin Felicitas von Lovenberg in der FAZ, "aber diese Entscheidung ist bereits seit Jahrzehnten so naheliegend, dass sie jetzt in ihrer Einfallslosigkeit schon wieder kühn anmutet." Sie vermutet, der Stiftungsrat habe nach der umstrittenen Entscheidung für den Künstler Anselm Kiefer im letzten Jahr diesmal nach einem nicht angreifbaren Kandidaten gesucht, und damit die Chance vertan, den Friedenspreis wieder zu einer Auszeichnung zu machen, mit deren Träger sich die Leser wirklich beschäftigen. "Es sei denn, der Friedenspreis will auf Dauer zu einer jener kleinen, feinen Ehrungen werden, an deren aktuellen Träger sich unmittelbar nach der Bekanntgabe schon niemand mehr erinnert."

Gerrit Bartels (ZEIT) sieht in Claudio Magris "einen würdigen Preisträger". Die Wahl sei, hat man den Vorjahrespreisträger im Auge, zwar "vergleichsweise unspektakulär". Dennoch begrüßt die ZEIT die Wahl: Zum einen folge sie sehr konsequent der Verleihung des Literaturnobelpreises an den Weltenwanderer J. M. G. Le Clézio. Zum anderen sei der Kulturenvermittler und Kulturenwanderer Claudio Magris, der seit einigen Jahren auch als heißer Literaturnobelpreiskandidat gehandelt wird, ein idealer Träger für einen Preis, der dem Frieden, der Menschlichkeit und der Verständigung der Völker dienen soll.

Zerstörerische Unterdrückung von Verschiedenheit

"Claudio Magris ist, daran besteht kein Zweifel, ein würdiger Träger dieser hohen, symbolträchtigen Auszeichnung – nach Anselm Kiefer, Saul Friedländer, Wolf Lepenies, Orhan Pamuk, Jürgen Habermas", urteilt Ulrich Weinzierl in der Welt. Er habe gezeigt, wie zerstörerisch die Unterdrückung von Verschiedenheit sein könne, in seiner Existenz als Gelehrter und Literat. Darüber hinaus sei Claudio Magris keiner, der sich im Elfenbeinturm "dem akademischen Glasperlenspiel" hingebe: "Seit Jahrzehnten meldet er sich als streitbarer, luzider Kolumnist in der linksliberalen Mailänder Tageszeitung 'Corriere della Sera' zu Wort – auch das hat ihn zu einer Leitfigur der italienischen, darüber hinaus der internationalen Zivilgesellschaft gemacht."

"Claudio Magris – der Name steht seit Jahrzehnten schon für Triest, für das Mittelmeer, die Donau, für Italien - natürlich das andere, zivile, nicht durch Korruption und Skandale versaute Berlusconi-Italien", schreibt Carl Wilhelm Macke im Literaturmagazin "titel" über den Preisträger. Er stellt Magris Vorliebe für die übersehenen, die stillen, aber trotzdem so lebendigen Figuren, heraus. Genauso still und lebendig wie Magris' treuer Begleiter: "Jackson’ ist der Name seines kleinen zotteligen Hundes, mit dem Magris immer auffallend schnellen Schrittes durch die Gassen in der Altstadt hinter dem kleinen Triestiner Hafen eilt." 

Über Claudio Magris

Magris wurde am 10. April 1939 in Triest geboren und studierte unter anderem in Freiburg. Er gilt als einer der wichtigsten italienischen Germanisten und als herausragender Kulturpublizist. Neben wissenschaftlichen Arbeiten und politischen Essays veröffentlichte er Erzählungen und Kurzgeschichten. Seit Jahren gehört der Autor zu den heißen Kandidaten für den Literaturnobelpreis.

Lieferbare Bücher von Claudio Magris
  • "Ein Nilpferd in Lund. Reisebilder" (Hanser)
  • "Blindlings" (Hanser und dtv)
  • "Die Ausstellung" (Hanser)
  • "Schon gewesen sein. Essere già stati" (Edition Korrespondenzen Reto Ziegler)
  • "Utopie und Entzauberung. Geschichten, Hoffnungen und Illusionen der Moderne" (Hanser)
  • "Der habsburgische Mythos in der österreichischen Literatur" (Zsolnay Verlag)
  • "Die Welt en gros und en détail" (Hanser und dtv)
  • "Donau. Biographie eines Flusses" (Hanser und dtv)
  • "Triest. Eine literarische Hauptstadt in Mitteleuropa" (dtv)
  • "Mutmaßungen über einen Säbel" (Hanser)

Die Verleihung

Der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels wird in diesem Jahr zum 60. Mal vergeben. Der mit 25 000 Euro dotierte Preis wird Claudio Magris am 18. Oktober während der Frankfurter Buchmesse in der Paulskirche überreicht.